Ölpreis:Macht und Ohnmacht des Ölkartells

Ölpreis: Zwei Supertanker liegen am Ölterminal auf der iranischen Insel Charg im Persischen Golf vor Anker: Wenige Monate nach der Förderkürzung sinkt der Ölpreis schon wieder. Das Angebot ist noch immer zu groß.

Zwei Supertanker liegen am Ölterminal auf der iranischen Insel Charg im Persischen Golf vor Anker: Wenige Monate nach der Förderkürzung sinkt der Ölpreis schon wieder. Das Angebot ist noch immer zu groß.

(Foto: AFP)
  • Die Opec hatte sich im November darauf verständigt, die Erdölförderung zu drosseln. Das sollte den Preis für den Rohstoff wieder anziehen lassen.
  • Die Maßnahme wirkt allerdings nicht. Die Mengen, die Saudi-Arabien und andere Länder einsparen, wird anderswo gefördert, beispielsweise in den USA.
  • Viele Experten erwarten, dass sich der Ölpreis weiter um die Marke von 50 Dollar bewegen wird.

Von Julian Rodemann

Der Ölminister Saudi-Arabiens ist einer der mächtigsten Menschen der Welt, das war gerade erst wieder zu beobachten. Als der amtierende Ressortchef Khalid al-Falih zum Ende der vergangenen Woche auf der Energiekonferenz Cera in Houston auftrat, nutzte er die Bühne für eine Machtdemonstration. Sein Land schließe nicht länger aus, die im November 2016 vereinbarte Rohöl-Förderkürzung zu verlängern, hatte er gesagt - um einen Tag später in einem vertraulichen Treffen mit Vertretern der US-Ölindustrie klarzustellen: Verlasst euch nicht darauf, dass wir weiterhin so wenig Öl fördern.

Kaum war die Nachricht in der Welt, fielen weltweit die Ölpreise, am Montag gaben sie weiter nach. Die US-Ölsorte WTI notierte erstmals in diesem Jahr wieder unter 50 Dollar. Wenige Tage genügten, bis es mit der vermeintlichen Stabilität auf dem Ölmarkt erst einmal vorbei war.

In den vergangenen drei Monaten hatte der Ölpreis stets zwischen 50 und 55 Dollar pro Barrel (etwa 159 Liter) gependelt - obwohl das Ölkartell Opec im Herbst beschlossen hatte, von Januar an weniger Rohöl zu fördern. Schon damals war absehbar, dass es der Opec nicht gelingen würde, die Preise mit dieser Ansage wesentlich über 60 Dollar zu treiben. Al-Falih warnte die amerikanischen Schieferöl-Produzenten nicht zufällig: Derzeit steigt die US-Ölproduktion wieder so schnell an, dass Saudi-Arabien und seine Mitstreiter Marktanteile aufs Spiel setzen - genau das, was das Königshaus immer vermeiden wollte. Wenn der saudi-arabische Kronprinz Mohammed bin Salman in dieser Woche US-Präsident Donald Trump besucht, wird auch darüber zu reden sein.

Zu früh aufgegeben: "Sie hätten die Amerikaner komplett austrocknen sollen"

Viele Experten erwarten, dass der wichtigste Rohstoff der Welt in naher Zukunft weiter um die 50 Dollar kosten wird. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft prognostiziert einen Ölpreis von etwa 55 Dollar für die Jahre 2017 und 2018. "Wir befinden uns in einer Pattsituation", sagt Ole Hansen, Rohstoffexperte der dänischen Saxobank. Die Amerikaner erhöhen das Angebot, während die Opec-Länder es zwischenzeitlich senken, im Ergebnis bleibt der Preis in einem relativ engen Korridor.

Die vergangene Woche erinnerte dann aber daran, dass der Angebotsüberhang auf dem Ölmarkt mitnichten verschwunden ist und die Förderkürzungen der Opec nicht ausreichen, um ihn abzubauen. Als die Fracking-Technologie vor einigen Jahren erschwinglich wurde und Öl viel teurer war, lösten US-Konzerne einen neuen Ölboom in den USA aus. So verschärften sie ein Überangebot, das auf eine schwächelnde Nachfrage traf. Mitte 2014 stürzten die Ölpreise daraufhin ab. Fracking wurde zwar mit der Zeit günstiger, ist aber im Schnitt immer noch teurer, als Rohöl konventionell anzuzapfen. Saudi-Arabien fördert selbst bei einem Preis um die 20 Dollar noch mit Gewinn.

Anfangs verzichtete das Königreich darauf, seine Angebot anzupassen. Das Ziel war, amerikanischen und anderen Produzenten außerhalb der Opec Marktanteile streitig zu machen. Als die Araber aber immer weniger Geld verdienten und einige Staatshaushalte infolge der Dumping-Politik in Schieflage gerieten, wurden einige Opec-Länder ungeduldig. Im Herbst einigten sie sich darauf, die Fördermenge um etwa zwei Prozent zu drosseln, um die Preise zu stützen. Die Notierung für ein Fass der Nordsee-Sorte Brent schoss daraufhin von 47 auf 54 Dollar nach oben - nicht zuletzt, weil mit Russland und Mexiko auch Staaten außerhalb der Opec die Verknappung mitmachen, was Saudi-Arabien vorausgesetzt hatte. Die ersten Daten zeigen, dass etwa 90 Prozent der zugesagten Kürzungen eingehalten werden.

Prompt meldeten sich aber die US-Produzenten zurück, und Ende 2016 stieg die Öl-Fördermenge in den Vereinigten Staaten zum ersten Mal seit 2015 wieder an. "Es war ein strategischer Fehler der Opec, die Fördermenge zu diesem Zeitpunkt zu kürzen", sagt Eugen Weinberg, Rohstoff-Analyst der Commerzbank. Das saudi-arabische Königshaus habe zu kurzfristig gedacht. "Sie hätten die Amerikaner komplett austrocknen sollen", meint er. So wäre die Opec wieder zu einer stärkeren Preismacht auf dem Ölmarkt geworden - denn mit einem weltweiten Anteil an der Ölproduktion von nur noch etwa 40 Prozent sind sie das nicht mehr so wie einst. Gleichzeitig haben die Saudi-Araber innerhalb der Opec an Autorität eingebüßt. Treffen des Klubs gerieten in den vergangenen Jahren stets zum Schlagabtausch zwischen ihnen und dem regionalen Rivalen Iran.

Langfristig könnte der Ölpreis wieder steigen

Auch sonst rumort es unter den Ölländern, die sich auf die Förderkürzung geeinigt haben. Russland, Venezuela und der Irak setzen die Vereinbarung nur schleppend um, während Saudi-Arabien noch weniger produziert als vereinbart. Die anderen Länder profitieren so vom höheren Preis ohne weitaus weniger Öl zu verkaufen. Saudi-Arabien fällt damit in das gleiche Muster zurück, das sich auch bei früheren Produktionsgrenzen zeigte: Es schultert einen Großteil der Kürzungen und steht relativ schlechter da. Dazu, das zeigten al-Falihs Äußerungen in Houston, sind sie nicht mehr ohne Weiteres bereit. Die bald anstehenden Verhandlungen über eine Verlängerung der Förderkürzung werden nicht zuletzt deshalb spannend.

Zum neuerlichen Preisrutsch unter 50 Dollar tragen auch die Lagerbestände in den USA bei: Die dortigen Öltanks sind so gut gefüllt wie noch nie, was vor allem auf Importe zurückgeht. "Kurz vor Beginn der vereinbarten Förderkürzungen haben die Exporteure so viel Rohöl wie möglich auf den Seeweg gebracht", sagt Steffen Bukold von der Energieberatung Energy Comment. Da nur die USA über große und billige Öltanklager verfügten, sei vor allem dorthin exportiert worden. Ein Großteil der Last-Minute-Exporte stammt aus Saudi-Arabien. Bevor die Opec-Einigung von Januar an umgesetzt wurde, exportierten die Opec-Staaten so viel es ging - dieses Öl taucht jetzt verzögert in den Statistiken auf. So haben die Ölstaaten die Effektivität ihrer Kürzungen selbst beschädigt.

Schon früher scheiterte die Opec mit derartigen Versuchen

Das Ziel, den Markt zu stabilisieren, die Lagerbestände schneller abzubauen und den Preis zu stützen, ist also wieder einmal gescheitert. Die eigenen Marktanteile zu schützen und gleichzeitig den Preis zu erhöhen, erweist sich als kaum lösbares Dilemma. Schon früher scheiterte die Opec mit derartigen Versuchen.

Langfristig könnte der Ölpreis allerdings wieder steigen. Die Internationale Energieagentur erwartet Angebotsengpässe ab 2020, wie sie in ihrem jüngsten Bericht warnt. Darin verweist sie auf die Jahre 2015, 2016, als der Ölpreis tief gefallen war: Vielen Ölkonzernen brachen damals die Einnahmen weg, sie mussten sparen und strichen Gelder. Investieren aber Konzerne und Staaten nicht ausreichend in den Erhalt bestehender Quellen und in neue Förderanlagen, kommt weniger Öl auf den Markt, was die Preise treibt.

Genau dies wäre allerdings aus anderer Perspektive wünschenswert, meint Klaus-Jürgen Gern, Rohstoff-Experte am Institut für Weltwirtschaft: "Den Pariser Klimavertrag wird die Weltgemeinschaft beim aktuellen Ölpreis wohl nicht umsetzten", sagt er. Erst hohe Preise für fossile Brennstoffe erzeugen den nötigen Druck, auf Alternativen umzusteigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: