Ölpreis:Jetzt wird es knifflig

Die Opec einigt sich zum ersten Mal seit acht Jahren auf Förderkürzungen. Aber werden die Staaten das Abkommen auch umsetzen? Das hängt vor allem von einem Land ab.

Von Paul-Anton Krüger und Jan Willmroth, Kairo/München

Nimmt man die Ölpreise zum Maßstab, muss diese Woche in Wien Großes passiert sein. Die Preise sind um 17 Prozent gestiegen, nachdem sich die Opec-Mitglieder am Mittwoch geeinigt hatten, die Förderung des Staaten-Kartells trotz aller internen Streitigkeiten ab Januar um 1,2 Millionen Barrel pro Tag zu drosseln. Diesen Beschluss verbanden sie mit der Erwartung, dass Produzenten außerhalb der Opec, vor allem Russland, weitere 648 000 Barrel à 159 Liter an Reduzierungen beisteuern.

Der Einschnitt der Opec liegt am oberen Ende der Ende September in Algiers bereits diskutierten Kürzungen - und galt bis zum Tag des Opec-Treffens nicht als sicher. Saudi-Arabiens Energieminister Khalid al-Falih hatte zuvor durchblicken lassen, dass sein Land auch damit leben könne, wenn es keinen Deal gäbe. Hintergrund war vor allem ein Streit mit dem regionalen Rivalen Iran und der eng mit Teheran verbundenen Regierung im Irak. Iran lehnte stets ab, seine Förderung zu deckeln, solange man nicht wieder das Niveau aus der Zeit vor den Sanktionen im Atomstreit erreicht habe. Die klamme irakische Führung verwies darauf, sie müsse den Krieg gegen die Terrormiliz Islamischer Staat finanzieren. Am Ende überwog das Interesse aller Beteiligten an steigenden Ölpreisen - und sie fanden einen Kompromiss, bei dem alle Seiten das Gesicht wahren.

Saudi-Arabien nahm für seine Förderung "einen schweren Schlag" hin, wie Energieminister Falih pathetisch formulierte - und willigte ein, um 486 000 Barrel zu kürzen. Irans Medien feiern das als Erfolg iranischer Öldiplomatie. Allerdings akzeptierte Teheran, seine Produktion bei 3,8 Millionen Barrel einzufrieren - laut Ölminister Bijan Zanganeh hatte das Land im Oktober schon "etwa vier Millionen Barrel" gefördert. Nach Opec-Zahlen waren es etwa 3,71 Millionen Barrel. Irak stimmte einem Einschnitt von 200 000 Barrel zu. Allerdings streitet die Zentralregierung in Bagdad ohnehin mit den Kurden im Norden, wer eigentlich derzeit wie viel Öl exportiert.

Ölpreis: In den verganenen Monaten pumpten die Ölfördertürme im Nahen Osten an der Kapazitätsgrenze. Jetzt wollen die Opec-Staaten weniger fördern.

In den verganenen Monaten pumpten die Ölfördertürme im Nahen Osten an der Kapazitätsgrenze. Jetzt wollen die Opec-Staaten weniger fördern.

(Foto: Hasan Jamali/AP)

Die Internationale Energie-Agentur (IEA) geht in einer ersten Einschätzung davon aus, dass die Entscheidung das Überangebot an den Märkten beenden könnte. Ähnlich sieht das Amrita Sen, Chefanalystin der Beratungsfirma Energy Aspects. "Die Opec hat ihren Skeptikern bewiesen, dass sie nicht tot ist", sagt sie. Dieser Schritt werde die Ölschwemme schneller beenden und den Ausgleich des Marktes beschleunigen. Nach Ansicht der IEA könnte sich schon Anfang 2017 ein Gleichgewicht einstellen, wenn die Produktionskürzungen voll umgesetzt würden. Das entscheidende Wort dabei lautet: wenn. Denn das ist nicht so sicher, wie die Feierstimmung an den Energiemärkten weltweit vermuten lässt.

Die Opec-Staaten haben ein Preisband von 55 bis 60 Dollar als Zielmarke definiert. Ein Niveau über 50 Dollar ist nach Ansicht der IEA erforderlich, damit wieder ausreichend in Förderung und Erschließung investiert wird. Im vergangenen Jahr seien so wenige konventionelle Förderprojekte erschlossen worden wie seit den Fünfzigerjahren nicht mehr, warnte die Organisation noch vor wenigen Wochen. Sollte diese Phase niedriger Investitionen weiter anhalten, stünde in wenigen Jahren eine neue Ölpreiskrise bevor. Schon nach dem Treffen in Algier hatten sich die Preise nah an der 50-Dollar-Marke bewegt, mehr getrieben von der Spekulation und Marktpsychologie einer gebeutelten Branche als von einer tatsächlichen Verknappung des Rohstoffs.

Saudi-Arabien und andere Golfstaaten produzierten schon damals auf Rekordniveau, die Vereinigten Arabischen Emirate und Kuwait sogar an der Grenze ihrer Kapazitäten. Seither ist die Fördermenge der Opec nochmals gestiegen von 33,24 auf etwa 33,83 Millionen Barrel. Im Winter sinkt zudem in den Golfstaaten der Verbrauch, es bleibt mehr Öl für den Export. Libyen, das wie Nigeria von Kürzungen ausgenommen ist, will seine Förderung 2017 um etwa die Hälfte zu erhöhen. Auch wichtige Produzenten außerhalb der Opec haben vorgesorgt: Russland hat zwar zugesagt, auf 300 000 Barrel zu verzichten, sofern das "technisch möglich" ist - hat aber die Produktion von August bis Ende Oktober um 520 000 Barrel hochgefahren.

Ölpreis: Credit: SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

Credit: SZ-Grafik; Quelle: Bloomberg

Mit dem Deal ist vor allem Saudi-Arabien darauf bedacht, dass die derzeit bestehenden Marktanteile im Großen und Ganzen gewahrt bleiben. Das wird nur gehen, wenn sich andere Marktteilnehmer, in der Opec und außerhalb, an ihre Verpflichtungen halten. Ausgehend von der historischen Erfahrung mit Förderquoten ist damit eher nicht zu rechnen. In der Vergangenheit waren es stets Saudi-Arabien und seine Verbündeten am Golf, die Kürzungen umsetzten, während alle anderen weiterhin so viel produzierten, wie sie eben können. Eine große Frage bleibt nicht zuletzt, wie sich steigende Preise auf die Ölförderung in den USA auswirken, die in den vergangenen Jahren dank der Fracking-Technologie eine Renaissance erlebte.

Diesen neuen Konkurrenten Marktanteile abzunehmen war Kern der saudischen Niedrigpreis-Strategie. Sie ist weitgehend aufgegangen, wie Zahlen der US-Regierung belegen. Die Ölproduktion in den USA lag im Oktober fast neun Prozent unter dem Vorjahreswert. Saudi-Arabien hatte sich im Herbst den Titel des weltweit größten Ölproduzenten zurückgeholt. Nach der Einigung in Wien schossen auch die Aktien von US-Fracking-Firmen in die Höhe. Allerdings dürfte Saudi-Arabien darauf achten, dass der Ölpreis nicht zu stark steigt - und zur Not selber wieder mehr fördern - damit vor allem die Amerikaner keine Marktanteile auf Kosten der Opec zurückerobern.

Benzin und Diesel werden zwar wieder teurer - aber nicht so teuer wie noch vor Jahren

Für Autofahrer und Hausbesitzer werden die direkten Auswirkungen der Opec-Konferenz überschaubar bleiben. Die Preise für Benzin und Diesel steigen und fallen in der Regel nicht so schnell wie der Ölpreis. Maßgeblich für die Tankstellenpreise ist erstens der Markt für Rohölprodukte, der eigenen Regeln folgt. Raffineriebetreiber kaufen Erdöl meist zu lange im Voraus festgelegten Preisen ein. Zweitens zahlen Verbraucher fixe Energiesteuern für jeden Liter Kraftstoff, jeweils 65 Cent für Benzin und 47 für Diesel; hinzu kommt die Mehrwertsteuer von 19 Prozent. Der variable Preisanteil ist also gering. Derzeit liegen die Kraftstoffkosten noch immer auf relativ niedrigem Niveau, zumindest im Vergleich mit der Zeit vor Mitte 2014, als Erdöl über längere Zeiträume mehr als 100 Dollar pro Barrel kostete. Auf ein solches Niveau dürfte der Rohölpreis auch nach dem Opec-Beschluss nicht wieder steigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: