Ölpreis:Macht und Ohnmacht der Öl-Staaten

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Auf dem Ölmarkt sind sie virtuell, hier in Santo Domingo (Dominikanische Republik) ganz real: Arbeiter stapeln benutzte Ölfässer, die anderen Zwecken dienen sollen. (Foto: Ricardo Rojas/Reuters)
  • Am Donnerstag trifft sich das Opec-Kartell, um über die Ölförderung der kommenden Monate zu beraten.
  • Auch wenn die Organisation nicht mehr so mächtig ist wie früher: Die Welt blickt nach dem Einbruch der Ölpreise und der jüngsten Erholung gespannt auf das Treffen.
  • Eine Einigung ist eher unwahrscheinlich. Und doch kann jedes Wort die Märkte in Bewegung bringen.

Analyse von Jan Willmroth, München

Viel zu früh zu kommen, ist selten ratsam, doch in diesem Fall hat es symbolischen Wert. Die saudi-arabische Delegation landete bereits am Montag in Wien, wo sich die Öl-Allianz Opec an diesem Donnerstag zu ihrer halbjährlichen Konferenz trifft. Während dieser Treffen zählt jedes Detail. Wer wann kommt und mit wem, wer mit der Presse spricht und wer nicht, die Art, in der die Öl- und Energieminister reden: Analysten und Fachpresse beobachten all das sehr genau. Jedes Wort kann binnen Sekunden die Ölmärkte bewegen.

Diesmal ist die Aufmerksamkeit für die Konferenz umso höher. Es ist der erste Opec-Auftritt des neuen saudi-arabischen Energieministers Khalid al-Falih, ehemals Chef des weltweit größten Ölkonzerns Saudi Aramco. Vor wenigen Wochen löste er nach mehr als 25 Jahren seinen Vorgänger Ali al-Naimi ab. Für Saudi-Arabien und die Opec endet damit ein Zeitalter. Al-Falih blieb in den vergangenen Tagen recht still, er suchte lieber das Gespräch mit seinen Opec-Partnern als mit der Öffentlichkeit.

Die Öl-Diplomatie ist nicht der leichteste Teil seines neuen Jobs. Derzeit drängt sich die Frage nach der Zukunft des Öl-Kartells auf: Welche Rolle kann die einst gefürchtete Organisation noch spielen, wer braucht überhaupt noch eine Opec, die wegen interner Querelen handlungsunfähig ist? Zumindest al-Falih, das zeigte der Vertreter des mächtigsten Mitgliedslands mit seiner frühen Anreise und seinem Schweigen, nimmt die Opec noch ziemlich ernst.

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Kaum ein Beobachter erwartet eine gemeinsame Vereinbarung

Viele andere haben sie schon abgeschrieben. Kaum ein Beobachter erwartet von dem Treffen eine gemeinsame Vereinbarung der Opec-Staaten, um den Ölpreis etwa mit Förderkürzungen zu stützen. Zu groß sind die Differenzen zwischen den Mitgliedsländern, zu sehr beharrt Saudi-Arabien darauf, trotz der abgestürzten Ölpreise möglichst viel zu fördern. So will das Königreich vermeiden, Marktanteile an Wettbewerber zu verlieren, und zugleich Produzenten außerhalb der Opec aus dem Markt drängen, etwa Schieferöl-Produzenten in den USA. Anders als in Saudi-Arabien ist die wirtschaftliche Lage in vielen der 13 Mitgliedsländer bedrohlich, sie alle benötigen deutlich höhere Preise als die aktuell etwa 50 Dollar pro Fass, um ihre Haushalte zu finanzieren. Symbolik der Anreise: Einige Vertreter, darunter jene aus Iran und Venezuela, landeten erst im Lauf des Mittwochs. Zeit für Vorgespräche blieb ihnen da nicht mehr wirklich.

"Diese Leute kommen in diesen Tagen nicht wirklich gut miteinander aus", sagte Gary Ross, ein langjähriger Opec-Beobachter und Gründer der New Yorker Beratungsfirma Pira Energy Group. "Die Opec ist dabei, weit weniger wichtig zu werden. Es beginnt eine neue Ära, in der es kein Marktmanagement mehr geben wird." Damit spielt er auf die von den Saudi-Arabern geprägte Opec-Tradition an, stets dann zu reagieren, wenn der Ölpreis einen bestimmten Korridor verlässt: Wird der Rohstoff zu teuer, sinkt mittelfristig die Nachfrage, und es werden mehr neue, teurer zu erschließende Quellen angezapft. Sinkt der Preis, fehlt den Exportländern schnell das Geld. Eine gemeinsame Vereinbarung wäre jetzt ein starkes Signal, um der Welt die Handlungsfähigkeit der Opec zu beweisen.

Seit 2008 aber hat der Öl-Klub nicht mehr nennenswert in den Markt eingegriffen. Damals beschlossen die Mitglieder zuletzt niedrigere Förderquoten, um der schwachen Nachfrage wegen der Weltwirtschaftskrise zu begegnen. Zwischen 1998 und 2008 hatten sie solche Entschlüsse noch 27-mal getroffen. Die letzte Opec-Entscheidung fiel während der Konferenz im Dezember, als die Öl-Staaten ihre gemeinsame Förderquote faktisch abschafften.

Die Preise waren daraufhin erneut abgestürzt. Die Ölsorte Brent fiel bis auf etwa 27 Dollar pro Fass (159 Liter), ein Liter Diesel kostete an deutschen Tankstellen deutlich weniger als einen Euro. Al-Falih und seine Delegation sind jetzt mit guten Argumenten in Wien angereist, warum ihr Plan endlich zu funktionieren scheint: Seit Februar sind die Ölpreise um mehr als 85 Prozent gestiegen. Wegen der Waldbrände in Kanada, Attacken auf Pipelines und Terminals im Nigerdelta und wegen des Kriegs in Libyen verschwanden innerhalb weniger Wochen mehrere Millionen Barrel Öl vom Markt. Das stützte die Preisentwicklung. Zugleich dürfte die Ölproduktion außerhalb der Opec in diesem Jahr so stark zurückgehen wie nie während der vergangenen zehn Jahre. Die teilweise teure Schieferöl-Produktion in den USA sinkt, Ölkonzerne kürzen ihre Investitionen zusammen und entlassen Tausende Mitarbeiter. Langsam bewegt sich der Markt wieder in ein Gleichgewicht, das weltweite Überangebot an Erdöl dürfte allmählich verschwinden - obwohl gerade die Fördermenge der Opec in den ersten drei Monaten des Jahres noch einmal deutlich gestiegen ist.

Die Opec ist heute eher eine Dialogplattform

Während die Saudi-Araber dazu schwiegen, füllten andere die Lücke. Die Vertreter Nigerias und der Vereinigten Arabischen Emirate verbreiteten im Lauf der Woche Optimismus. "Der Markt wird von allein einen Preis finden, der für Konsumenten und Produzenten fair ist", sagte Suhail Mohamed al-Mazrouei, Ölminister der Emirate. Sein nigerianischer Kollege Emmanuel Ibe Kachikwu sagte, dem Ölmarkt "geht es gut". Vor einigen Wochen hatten sich Vertreter Kuwaits ähnlich geäußert. Die mächtigeren Opec-Staaten schlagen sich mithin mehrheitlich auf die Seite Saudi-Arabiens: abwarten und durchhalten, bis sich die niedrigen Preise von allein erledigt haben.

Khalid al-Falih kann das nur recht sein. Er muss seine Rolle als Vertreter des mächtigsten Opec-Mitglieds erst noch finden, nachdem Vize-Kronprinz Mohammed Bin Salman dem Königreich eine wirtschaftspolitische Radikalkur verordnet hat, ein Mega-Projekt, um das Land weniger abhängig von den Öl-Einnahmen zu machen. Strategische Entscheidungen der Opec wird Saudi-Arabien nur noch im Lichte dieser innenpolitischen Pläne mittragen.

Für einen Abgesang auf die Opec ist es trotz allem noch zu früh. Seit Bestehen des Länderklubs gab es selten Phasen, in denen er effektiv als Kartell agierte. Macht und Ohnmacht, Streit und Einigkeit wechselten sich in der 55-jährigen Geschichte der Organisation häufig ab. Man muss sich die Opec heute vor allem als Dialogplattform derjenigen Länder vorstellen, die am meisten von Petrodollars abhängen. Sie mag derzeit machtlos sein. Irrelevant ist sie deshalb noch lange nicht.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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