Süddeutsche Zeitung

Ölpreis:Die Angst ist zurück

Gefährliche Trendwende: Steigt der Ölpreis weiter, könnte dies den Aufschwung gefährden.

Andreas Oldag

Noch vor kurzem schien der Fall des Ölpreises kaum zu stoppen. Horrorszenarien über einen Anstieg des Ölpreises auf 200 Dollar je Fass lösten sich in Luft auf. Die Weltwirtschaftskrise beendete den Boom an den internationalen Rohstoffmärkten, der Ölpreis fiel weit unter 40 Dollar. Doch nun zeichnet sich eine Trendwende ab, die Rohstoffhändler in Erstaunen versetzt: Die Preiskurve des Öls steigt seit Monaten, schon kostet das Fass wieder bis zu 80 Dollar.

Da an den Rohstoffbörsen wie an den Aktienmärkten Zukunftserwartungen gehandelt werden, spiegelt der Ölpreisanstieg Hoffnungen auf ein baldiges Ende der Krise. Die Welt verbraucht wieder mehr von dem Brennstoff, der Autos und Kraftwerke am Laufen hält. Noch immer ist der Ölverbrauch eng an das Wirtschaftswachstum gekoppelt. So entwickelt sich regelmäßig ein Boom- und Crash-Zyklus an den Ölmärkten. Höhere Nachfrage heizt die Preise des wichtigsten Rohstoffes an.

Zudem ist Öl ein begehrtes Spekulationsobjekt. Das heißt, dass nun infolge verstärkter Nachfrage auch mit der Angst vor einer möglichen, neuen Verknappung des Öls gehandelt wird. Darauf bauen vor allem die Spekulanten an den internationalen Rohstoffbörsen. Groß ist in der derzeitigen Situation die Verlockung für Banken und Hedge-Fonds, die Preise künstlich weiter hochzutreiben - ähnlich wie im Frühjahr und Sommer 2008.

Fatale Folgen für die Weltwirtschaft

Das hätte jedoch fatale Folgen für die Weltwirtschaft, die sich immer noch in der Rekonvaleszenz befindet. Der Preisverfall fossiler Brennstoffe hatte die Konjunkturerholung in den vergangenen Monaten begünstigt und den Industriestaaten unverhofft Erleichterung verschafft. Doch damit könnte es bald vorbei sein. Die Wirtschaft wird einen Ölpreis von mehr als 100 Dollar kaum verkraften können und würde womöglich mit einem Rückfall in die Rezession konfrontiert.

Das kann niemand wollen. Das Problem ist allerdings, dass höchst intransparent ist, wie sich die Preise an den Ölmärkten bilden. Wie wirken die Nachfrage in den Industriestaaten und Schwellenländern zusammen mit den limitierten Kapazitäten bei Transport und Verarbeitung sowie dem schwer durchschaubaren Angebot der Förderstaaten?

Ganze Tankschiffladungen haben beispielsweise Handelshäuser und Ölunternehmen in den vergangenen Monaten gehortet. Die Supertanker liegen im Golf von Mexiko ebenso wie in schottischen Nordseebuchten. Wann sie ihre Ladungen löschen, ist ungewiss. Doch die Mengen sind mittlerweile so groß, dass sie Märkte und Preise bewegen können.

Der Ölmarkt ist für die Finanzbranche zu einem wichtigen Spekulationsobjekt geworden. Öl und andere Rohstoffe haben sich in den vergangenen Jahren zu einer alternativen Anlageklasse entwickelt. Hedge-Fonds beispielsweise, die in den vergangenen Jahren viel in den Kreditmärkten spekulierten, verlagern seit dem Kollaps dieser Märkte ihre Investments stärker in den Öl- und Rohstoffbereich.

Dies ist auch eine Reaktion auf die verschärfte Regulierung für Kreditprodukte, während die Rohstoffspekulanten von staatlichen Aufsichtsbehörden bislang weitgehend verschont geblieben sind.

Reserven als Staatsgeheimnis

Auf der Angebotsseite ist es dagegen vor allem das Ölförderkartell Opec, das die Unsicherheiten an den Märkten verstärkt. Jeder ehrbare Kaufmann, der mit seinen Kunden vertrauensvoll zusammenarbeiten will, gibt Auskunft über seine Lagerbestände. Doch für die Opec, die mehr als ein Drittel der weltweiten Ölförderung kontrolliert, gilt das nicht. Die Minister kungeln bei ihren Treffen zur Festlegung der Produktionsquoten hinter verschlossenen Türen. Was die Opec sagt, veröffentlicht sie in ihren Kommuniqués. Was das Kartell aber tatsächlich treibt, bleibt oftmals im Dunkeln.

Vieles weist darauf hin, dass die Opec erhebliche Reservekapazitäten angesammelt hat, die während des Ölbooms 2008 aufgebaut wurden. Dies sagt jedoch wenig aus über die langfristigen Reserven im Wüstenuntergrund, die als Staatsgeheimnis gehütet werden. Vor allem die Opec-Hardliner wie Iran und Venezuela scheuen nicht davor zurück, ihren Rohstoff als politische Waffe und Mittel der Erpressung gegen den Westen einzusetzen. Das hat mit Marktwirtschaft nichts zu tun.

Der freie Ölmarkt ist eine Fiktion. Öl ist ein schmieriges Geschäft. Darin wird sich auch in Zukunft wenig ändern. Das heißt aber nicht, dass auf der Angebots- und Nachfrageseite nicht mehr Transparenz möglich ist. Wenn der weltweit größte Ölproduzent Saudi-Arabien mit am Tisch der G-20-Industriestaaten sitzt, muss er auch in der Lage sein, Auskunft über seine Ölreserven zu geben.

Andererseits ist es genauso wichtig, dass die Ölhändler in New York und London endlich dazu verpflichtet werden, ihre Handelspositionen umfassend aufzudecken. Das alles würde nicht nur Prognosen über die künftige Preisentwicklung erleichtern, sondern auch der Weltwirtschaft in einer kritischen Phase der Erholung helfen.

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SZ vom 02.11.2009/aho
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