Süddeutsche Zeitung

Ölmarkt:Warum Öl bald wieder billiger werden könnte

Lesezeit: 3 min

Von Victor Gojdka, München

Als die Ölhändler nach Neujahr aus ihrem Urlaub zurück ins Büro kamen, da waren ausgerechnet Hühnereier ihre größte Sorge. Was Hühnereier mit Öl zu tun haben? In Iran waren Eier zuletzt so teuer geworden, dass sich die Wut der Menschen darüber in Protesten entlud. Diese könnten, so fürchteten die Händler, die Ölexporte gefährden. Der Ölpreis reagierte sofort auf die Sorgen und stieg. Dass Analysten schnell beschwichtigten, die Ölfelder seien von den Protesten nicht betroffen, entspannte den Ölmarkt bei seiner Rekordjagd nicht. In den vergangenen Monaten kannte der Preis nur eine Richtung: aufwärts.

Kostete ein Fass der Nordseesorte Brent im vergangenen Juni noch 44 Dollar, stieg der Preis Anfang der Woche zeitweise über die Marke von 70 Dollar. Immer wieder hören Ölexperten dieser Tage eine Frage: Knackt der Ölpreis bald die 80-Dollar-Marke?

Für einen steigenden Ölpreis gibt es schließlich viele Gründe: Die Weltwirtschaft boomt, Unternehmen produzieren mehr und brauchen dafür Öl. "Die Nachfrage ist daher zurzeit bärenstark", sagt Jan Edelmann, Ölanalyst der HSH-Nordbank. Schon im vergangenen Jahr war die Nachfrage größer, als viele Experten erwartet hatten. Und auch 2018, so prognostiziert es die Internationale Energieagentur, dürfte sie weiter zulegen. Diese Nachfrage trifft auf ein knappes Angebot, eine ideale Konstellation für steigende Preise.

Erst im November verlängerte die Organisation erdölexportierender Länder (Opec) mit zehn weiteren Staaten ihre Förderkürzungen. Indem der Länderbund dem Markt täglich 1,8 Millionen Barrel vorenthält, will er die weltweiten Öllager leeren. Die Strategie der Opec geht auf: In den USA sowie in den Staaten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sinken die Bestände. In den vergangenen Wochen kamen unerwartete Nachrichten dazu: In Libyen verübten Unbekannte einen Anschlag auf eine wichtige Pipeline, und in der Nordsee musste der Öl-Konzern Ineos eine Röhre wegen eines Haarrisses stilllegen. "Das alles hat den Preis enorm angeschoben", sagt Ölexperte Edelmann.

Was kommt nach dem Rausch?

Manchen Beobachtern wird der Boom langsam unheimlich. "Der Ölpreis kann bereits jetzt als überzogen angesehen werden", sagt David Wech vom Wiener Analystenhaus JBC-Energy. Nach dem Ölrausch der vergangenen Monate spekulieren immer mehr Experten: Wie lange kann die Preisjagd beim Öl noch gehen?

Die meisten Analysten sind sich einig: Bald dürften die Preise sinken. Die Begründung liegt in den Schieferölbecken der USA. Steigt der Ölpreis auf mehr als 50 bis 55 Dollar, wird die Förderung von Schieferöl, das Fracking, dort wieder lukrativ. Je mehr Öl die Amerikaner allerdings auf den Markt werfen, desto stärker geraten auch die Preise unter Druck. "Diese Dynamik ist allerdings noch gar nicht bis auf den Markt durchgesickert", sagt Ölexperte Wech. Denn bis die Anlagenbetreiber großflächig mehr Schieferöl fördern können, brauchen sie mindestens sechs bis neun Monate Vorlaufzeit, um die Anlagen einzurichten oder langsam wieder hochzufahren. Der Ölpreis steigt aber erst seit sechs Monaten. Dass die Amerikaner den Ölpreis allerdings unter Druck bringen dürften, daran besteht kein Zweifel. Erst vor Kurzem prognostizierte das US-amerikanische Amt für Energiestatistik, dass die dortigen Schieferölproduzenten 2018 erstmals mehr als zehn Millionen Barrel pro Tag produzieren dürften, ein Rekordwert.

Warum der Preisanstieg an der Tanke nicht zu spüren ist

Fraglich ist auch, wie lange die Opec-Staaten sich noch an ihre Förderkürzung halten. Denn mit ihrem Beschluss verfolgten die Staaten vor allem das Ziel, die Lagerbestände auf einen Fünf-Jahres-Schnitt zu senken. "Läuft die Wirtschaft weiter so rund, dürfte das schon im Mai geschafft sein", sagt Ölexperte Jan Edelmann. Auf ihrer planmäßigen Sitzung Ende Juni könnten die Opec-Staaten dann ihre Politik wieder lockern und beschließen, mehr Öl auf den Weltmarkt zu bringen. Die meisten Experten sind sich einig: Der Ölpreis dürfte wohl kaum nachhaltig über die Marke von 70 Dollar steigen. Im Jahresdurchschnitt dürfte er sich bei 65 Dollar einpendeln, prognostiziert die HSH-Nordbank. Also etwas unter dem aktuellen Niveau von 69 Dollar.

Deutlich niedrigere Benzinpreise für Verbraucher sind an der Tankstelle also nicht zu erwarten. Zumindest europäische Kunden können sich mit der Einsicht trösten, dass die Preise an den Zapfsäulen die Rally beim Öl in den vergangenen Wochen kaum nachvollzogen haben. Den Verbrauchern spielt schlicht der starke Euro in die Hände. Weil Öl am Weltmarkt in Dollar gehandelt wird, ist Öl für europäische Käufer nun billiger.

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Quelle:
SZ vom 19.01.2018
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