Ölkatastrophe im Golf von Mexiko:BP-Chef: Wir sind hilflos

Der BP-Konzern bekommt das sprudelnde Bohrloch im Golf von Mexiko nicht unter Kontrolle - und gesteht sein Scheitern ein. US-Präsident Obama nutzt unterdessen die öffentliche Empörung als Druckmittel für seine bisher recht erfolglose Klimapolitik.

Reymer Klüver

Der Ölkonzern BP steht hilflos der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko gegenüber. Konzernchef Tony Hayward räumte ein, das Unternehmen sei nicht ausreichend auf die Gefahr eines Unfalls vorbereitet gewesen. Unterdessen kündigte US-Präsident Barack Obama an, er wolle einen Kurswechsel in der Energiepolitik vorantreiben.

Ölkatastrophe im Golf von Mexiko: Mary Smith of Theodore, Ala., watches over her grandchildren as a large crew of clean up workers walk along the beach in Dauphin Island, Ala., Tuesday, June 2, 2010. Oil from the Deepwater Horizon disaster has started washing ashore on the Alabama coast. (AP Photo/Dave Martin)

Mary Smith of Theodore, Ala., watches over her grandchildren as a large crew of clean up workers walk along the beach in Dauphin Island, Ala., Tuesday, June 2, 2010. Oil from the Deepwater Horizon disaster has started washing ashore on the Alabama coast. (AP Photo/Dave Martin)

(Foto: ap)

Der US-Präsident möchte die öffentliche Empörung in den USA über die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko in ein politisches Druckmittel für seine bisher wenig von Erfolg gekrönte Klimapolitik ummünzen. In einer Rede in Pittsburgh kündigte er an, nun im Senat ein neues Energie- und Klimagesetz vorantreiben zu wollen, mit dem die Abkehr vom Öl vorangetrieben werden soll. "Die nächste Generation wird nicht mehr die Geisel der Energiequellen des vergangenen Jahrhunderts sein", sagte Obama. Die Katastrophe am Golf mache überdeutlich, dass die USA ihre Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen deutlich reduzieren müssten. Zugleich forderte er, dass der Kongress die der Ölindustrie vor allem unter Präsident George W. Bush eingeräumten Steuervorteile in den kommenden Monaten kassieren müsse.

Künstliche Inselketten

Unterdessen breitet sich die Ölpest weiter aus. Seit dem Beginn der Katastrophe am 20.April haben sich nach offiziellen Schätzungen zwischen 75 und 160 Millionen Liter Öl in den Golf von Mexiko ergossen. Ausläufer des Ölteppichs trieben am Donnerstag erstmals auf die Küste Floridas zu. Helikopter und Boote zum Aufsammeln des Öls wurden aus Louisiana dorthin verlegt. In Louisiana selbst sollen nun weitere künstliche Inselketten aufgeschüttet werden, um das Mississippi-Delta vor dem Öl zu schützen. Bisher sind nach Angaben der Naturschutzbehörde US Fish and Wildlife Service erst 522 tote Vögel in der Golfregion geborgen worden, 38 waren verölt.

Nach einem vergeblichen Versuch mit einer Säge konnte der Konzern am Donnerstag mit einem Stahlschneider, vergleichbar einer riesigen Gartenschere, das Bohrgestänge vom defekten Sicherheitsventil des Bohrlochs in 1600 Metern Tiefe trennen. Nun will BP erneut versuchen, eine stählerne Absaugglocke auf das Ventil zu stülpen. Über Rohre soll anschließend ein Großteil des ausfließenden Öls in Tankschiffe befördert werden.

"Eine absolut faire Kritik"

Angesichts der zahlreichen erfolglosen Versuche des Konzerns, das Bohrloch zu schließen, gestand BP-Chef Tony Hayward erstmals ein, dass der Konzern entgegen den gesetzlichen Verpflichtungen und allen Zusicherungen nicht auf eine solche Katastrophe vorbereitet war. Es sei eine "absolut faire Kritik", BP vorzuhalten, für einen Unfall in der Tiefsee "nicht vollständig vorbereitet" gewesen zu sein, sagte er der Financial Times. Es sei "unzweifelhaft wahr, dass wir nicht die Werkzeuge in unserer Werkzeugkiste hatten, die man braucht". Der demokratische Kongressabgeordnete Charlie Melancon aus Louisiana forderte unterdessen die Entlassung des BP-Chefs. Der Konzern solle jemanden berufen, "der wirklich dafür sorgen will, dass die Menschen in der Golfregion bekommen, was sie brauchen, um das Öl zu bekämpfen".

Ölpest am Golf von Mexiko -  Öl fließt weiter

Aus dem Bohrloch in der Tiefe sprudelt weiterhin Öl.

(Foto: dpa)

Ratingagenturen setzen BP unter Druck

Unter Druck gerät der Konzern auch noch von anderen Seiten: Schon jetzt werden die Kosten für die Aufräumarbeiten in Milliarden gemessen, hinzu kommen gigantische Schadenersatzforderungen und Einnahmeausfälle. Als ganz große Unbekannte könnten sich jedoch noch Strafzahlungen entpuppen, nachdem die USA zivil- und strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen haben. Gleich zwei Ratingagenturen senkten am Donnerstag die Noten für die Kreditwürdigkeit des Unternehmens. Fitch stufte sie von AA+ auf AA herab und setzte den Konzern zur Beobachtung auf eine Negativliste. Moody's senkte die Note von Aa1 auf Aa2.

Das Weiße Haus will offenbar das Energie- und Klimaschutzgesetz mit neuem Nachdruck betreiben, sobald der Kongress die schärfere Regulierung der Finanzmärkte verabschiedet hat. Das wird für spätestens Anfang Juli erwartet. Bisher hatte es nicht so ausgesehen, als würden sich genug Stimmen für ein Klimaschutzgesetz finden. Deshalb war erwartet worden, dass Obama das Klimagesetz nicht mehr vor der Kongresswahl im Herbst angehen würde. Nun will das Weiße Haus die Klimaschutzbestimmungen offenbar in ein Gesetz zur stärkeren Kontrolle der Ölindustrie einbinden, gegen das sich, zumal auf Seiten der Demokraten, schwer argumentieren ließe - angesichts der Lage am Golf von Mexiko. Obama selbst will an diesem Freitag erneut in die Region reisen.

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