Ölboom in Kanada:Sand fürs Getriebe

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Im kanadischen Fort McMurray geht es nur ums Öl. (Foto: Todd Korol/Reuters)

Kälter als Nigeria, dafür politisch stabil: Ölkonzerne fördern neuerdings massiv Öl aus den Teersanden Kanadas. Da helfen auch Protestlieder von Neil Young nichts.

Von Bernadette Calonego, Vancouver

An diesem Montag startet die zweite Runde des Online-Doku-Spiels Fort McMoney. Mehr Informationen zum Spiel lesen Sie hier.

Die kanadische Rocklegende Neil Young singt gegen die Ölsande im Norden Albertas an. "Rockstars brauchen kein Öl", verkündet er. Die zerstörte Landschaft um die Ölstadt Fort McMurray vergleicht Young mit der nuklearen Verwüstung im japanischen Hiroshima. Während seiner Konzerte sammelt er Geld für die Athabasca-Chipewyan-Indianer, die gegen die Ölförderung auf ihrem Territorium kämpfen. Im Norden der Ölprovinz Alberta hört man indes keine Rockmusik, sondern das Dröhnen von Baumaschinen und Baggern.

Vorbei ist die Zeit der Zurückhaltung, nachdem die Expansion wegen der Finanzkrise 2008/09 vielerorts auf Eis gelegt worden war. In den Abbau der kanadischen Ölsande ist wieder Bewegung gekommen. Energiekonzerne haben neue Milliardenprojekte angestoßen, weil sie eine wachsende Nachfrage nach Öl erwarten. Während der vergangenen fünf Jahre hatten schwankende Ölpreise, Transportprobleme, hohe Produktionskosten und weltweite Proteste gegen das "schmutzige Öl" die Entwicklung gebremst. Aber jetzt sehen Konzerne vor allem die Vorteile, die das Öl aus Kanadas Teersanden bietet.

Ölstadt Fort McMurray
:Arme reiche Stadt

In Fort McMurray regiert die Ölindustrie: Sie finanziert die Boomtown, baut Freizeitparks und vergibt Jobs. Doch die kanadische Stadt ist auch geprägt von horrenden Mietpreisen, Armut, Dreck und Eintönigkeit - das zeigen die Fotos von Philippe Brault.

Allen voran schätzen sie die politische Stabilität Kanadas im Gegensatz zu anderen ölproduzierenden Ländern wie Nigeria. Im Vergleich dazu bereiten die Bedingungen im Norden Albertas, etwa die schwierige und teure Förderung im eiskalten Winter oder einschränkende Umweltauflagen, weniger Sorgen, weil sie in den Augen der Ölproduzenten zu bewältigen sind. Obwohl Erdöl andernorts noch technisch leichter zugänglich ist, wollen große Konzerne wieder mehr Öl im Norden Albertas fördern, um ihren Gesamtausstoß zu erhöhen. Sie finden auch zunehmend Wege, die Kosten in den Ölsanden besser unter Kontrolle zu halten.

Suncor Energy beispielsweise, die größte kanadische Öl- und Gasgruppe, treibt nun das Fort-Hills-Ölsandprojekt voran. Es ist ein Joint-Venture mit dem französischen Mineralölunternehmen Total und dem kanadischen Minenkonzern Teck Resources. Der Bau von Fort Hills, für den etwa 9,7 Milliarden Euro veranschlagt worden sind, war lange hinaus gezögert worden. Das ist nun vorbei: Nach Angaben von Total sollen dort von 2017 an 50 Jahre lang mehr als drei Milliarden Fass Öl gefördert werden. Für Total bedeutet das Projekt eine geografische Diversifizierung mit relativ kleinen Risiken. Partner Suncor kann seinerseits Kosten sparen, weil die neue Fördermethode keine Aufwertungsanlage vor Ort benötigt, um das Schweröl in synthetisches Rohöl zu verwandeln.

Kanadisches Öl fließt jahrzehntelang

Im Jahr 2017 soll auch die Förderung bei einem anderen Mega-Unterfangen in den Ölsanden einsetzen. Der britisch-holländische Konzern Royal Dutch Shell bringt sein Carmon-Creek-Projekt voran, das einst 80.000 Fass Öl pro Tag produzieren soll. Royal Dutch hatte 2013 große Probleme in Nigeria, wo die Trans-Niger-Pipeline mehrfach außer Betrieb genommen werden musste. Das Öl war illegal abgezapft worden. Der Betriebsstopp drückte auf die Erträge im dritten Quartal.

Auch der US-Konzern Exxon Mobil und sein kanadisches Tochterunternehmen Imperial Oil weiten die Ölsandproduktion aus. Ihr Kearl-Projekt, das derzeit täglich rund 110.000 Fass Öl produziert, soll in zwei Jahren doppelt so viel liefern. Weitere 40.000 Fass soll das Nabiye-Projekt im nächsten Jahr beisteuern. Ein Vorteil der Ölsandförderung in Kanada, die Konzerne besonders schätzen: Das Öl fließt jahrzehntelang. Exxon Mobil und Imperial Oil Canada haben sich deshalb weitere Optionen gesichert: Sie erwarben für rund 530 Millionen Euro vom US-Energiekonzern Conoco-Phillips die Rechte für das mehr als 90.000 Hektar große Fördergebiet Clyden.

Die Gesamtreserven in den Ölsanden im Norden Albertas werden auf etwa 160 Milliarden Fass geschätzt. Die nachgewiesenen Rohölvorkommen in der Provinz Alberta sind die weltweit größten hinter Saudi-Arabien und Venezuela. Die Förderung in den Ölsanden ist teuer, weil die Verfahren sehr aufwendig sind. Auch der Anlagenbau und die hohen Löhne für Facharbeiter in den entlegenen Gegenden schlagen zu Buche. Andererseits sind aber auch Projekte für die Off-Shore-Förderung im Meer sehr teuer. Was den Ölproduzenten bislang zusätzlich Probleme bereitete, waren Engpässe beim Öltransport. Dies hat sich im vergangenen Jahr verbessert, insbesondere durch neue Pipelines an der US-Golfküste und eine größere Transportkapazität auf der Schiene.

© SZ vom 27.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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