Öl:Länger günstig

Öl: undefined

Die deutschen Autofahrer freuen sich: Benzin ist derzeit billig. Aber wie lange noch? Die Weltbank sieht Ähnlichkeiten mit früherem Preis-Crash und erwartet mittelfristig tiefe Preise.

Von Alexander Hagelüken

Die deutschen Autofahrer freuen sich: Während der Liter Superbenzin in den vergangenen Jahren teils über 1,60 Euro kostete, lässt sich seit Monaten viel billiger tanken. Wer die Rohöl-Notierungen verfolgt, kommt aber ins Grübeln. Anleger spekulieren inzwischen massiv auf steigende Preise, auf einen knapper werdenden Rohstoff zum Ende des fossilen Zeitalters: Zuletzt entdeckten Firmen so wenig neue Vorkommen wie seit Dekaden nicht - und wegen der Halbierung des Rohölpreises 2014 ist jeder zweite US-Bohrturm dicht, mangels Profit. Öl verteuerte sich seit Januar bereits um ein Drittel auf 60 Dollar je Fass. War es das mit dem billigen Benzin?

Gegen diese Meinung, derzeit viel zu hören, setzt die Weltbank jetzt einen Kontrapunkt. Ihre Ökonomen haben die Preis-Crashs der vergangenen Jahrzehnte untersucht. These: Der letzte Absturz 2014 ähnelt dem Einbruch Mitte der Achtzigerjahre. Und nach diesem Crash blieb Rohöl fast zwei Dekaden lang günstig, mit etwa 30 Dollar je Fass (siehe Grafik). So niedrige Preise für so lange Zeit sagt die Weltbank nicht vorher, aber doch: Mittelfristig könne es günstig bleiben. Zu den Parallelen gehört, dass damals wie heute neue Gebiete die Förderung ausweiteten; damals Mexiko, Alaska und die Nordsee, heute die USA mit dem umstrittenen Fracking und teils Kanada. Damals wie heute reagierten Opec-Staaten auf die Anbieter so, dass sie ihren hohen Preis aufgaben, um nicht völlig Marktanteile zu verlieren. Saudi-Arabien etwa hatte die Förderung 1985 zuvor auf ein Viertel reduzieren müssen. Und ein hoher Preis für wenig verkauftes Öl bringt eben wenige Dollar. Zwar ist heute manches anders als in den Achtzigern. Doch die Weltbank sieht noch mehr Gründe, warum Rohöl erst mal kaum in die Region von 90 bis 120 Dollar vorstoßen dürfte wie von 2010 bis 2014. So schwächt sich der Boom in Schwellenländern ab, der den Preis hochgetrieben hatte. Außerdem erlaubt neue Technik weniger Verbrauch, eine günstigere Förderung und womöglich den Abbau bisher unerreichbarer Vorräte. Zum Beispiel lässt sich aus jedem US-Bohrturm im Schnitt ein Drittel mehr Öl herausholen als 2007.

Gegen die Argumentation der Weltbank lässt sich natürlich einiges vorbringen. So bleibt Öl eine endliche Ressource, weshalb der Preis stark davon beeinflusst wird, ob neue Vorräte entdeckt werden - oder eben nicht. Auch steigt die globale Nachfrage von etwa 90 Millionen Fass pro Tag wohl jedes Jahr um mindestens eine Million. Und politische Krisen im Nahen Osten oder Osteuropa würden Öl sofort verteuern.

Das alles abgewogen: Wie sich der Preis in den nächsten Jahren entwickelt, könnte zentral von einem Machtspiel abhängen, das der Commerzbank-Analyst Eugen Weinberg beobachtet. Das Ziel der Opec-Staaten, vor allem Saudi-Arabiens, sei ähnlich wie beim Crash 1985: "Sie wollen den Marktanteil halten und nehmen dafür niedrigere Preise in Kauf" - Ende 2014 gaben die Opec-Staaten den Preis von rund 100 Dollar auf. Dabei gehe es auch darum, die neue Konkurrenz aus den USA unrentabel zu machen. Weinberg: "Die Saudis wollen die Amerikaner aus dem Markt drängen, um später wieder höhere Preise zu kassieren." Das wäre die Rückkehr zum teuren Öl. Und mit der Schließung vieler US-Bohrtürme wegen niedriger Preise scheint das ja zu gelingen. Trotzdem gehe die Strategie nicht ganz auf. "Die US-Firmen haben zu viel Zeit, sich anzupassen." Sie suchen sich günstige Kredite, senken ihre Kosten, fahren die Förderung später wieder hoch- und bleiben so als Konkurrenz im Spiel.

Das würde dafür sprechen, dass sich Autofahrer und die Industrie noch länger über vergleichsweise günstiges Öl freuen können. Die Internationale Energieagentur sieht Rohöl in den nächsten fünf Jahren auf höchstens 70 Dollar je Fass steigen - von den 90 bis 120 Dollar der Jahre 2010 bis 2014 wäre das ein großes Stück entfernt.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: