Süddeutsche Zeitung

Gesetzesplan:Bund will Ökostrom-Förderung umkrempeln

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Von Michael Bauchmüller, Berlin

Fast zwei Jahrzehnte lang basierte die Erfolgsgeschichte des Ökostroms auf festen Vergütungssätzen. Festgelegt wurden diese zuletzt im Erneuerbare-Energien-Gesetz, sie gaben Investoren große Sicherheit. Wer eine bestimmte Menge von Wind- oder Solarstrom ins Netz einspeist, der erhält dafür eine fixe Summe je Kilowattstunde. Demnächst dürfte das vorbei sein.

Ausschreibung statt Fixpreis für Ökostrom

Denn das Wirtschaftsministerium plant eine Zeitenwende. Nichts anderes bedeutet das Eckpunktepapier, das am Mittwoch den Fraktionen von Union und SPD zuging: Nicht mehr per fixer Vergütung soll der Ökostrom in Zukunft gefördert werden, sondern über eine Ausschreibung. Wer zum Beispiel einen Windpark errichten will, kann mit seinem Projekt an einer solchen Ausschreibung teilnehmen. Den Zuschlag erhalten dann diejenigen Windparks, die mit der niedrigsten Förderung auskommen. Ziel sei es, das Ökostromgesetz EEG "in Richtung mehr Marktnähe und Wettbewerb" voranzutreiben. Für eine Welt, in der zunehmend der Ökostrom zur wichtigsten Säule werde, sei die bisherige Förderung schlicht nicht mehr geeignet, heißt es im Wirtschaftsministerium.

Tatsächlich steuert Ökostrom inzwischen mehr zum deutschen Strommix bei als jede andere Quelle. In diesem Jahr dürfte der Anteil, auch wegen günstiger Witterungsverhältnisse, bei rund 33 Prozent liegen. Im Koalitionsvertrag streben Union und SPD einen Anteil von 40 bis 45 Prozent bis 2025 an. "Dieser Ausbau macht eine stärkere Integration der erneuerbaren Energien in die Strommärkte erforderlich", heißt es in dem neunseitigen Papier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Bürgerenergie-Projekte fühlen sich im Nachteil

Zielmarke sollen die 45 Prozent sein, oder anders gesagt: Es soll so viele Ausschreibungen geben, dass sich die Marke bis 2025 auch wirklich erreichen lässt. Erstmals am 1. Mai 2017 solle die Bundesnetzagentur eine Runde eröffnen, mit einer vorab bestimmten Stromleistung. Beispiel Solar: Jährlich 500 Megawatt Leistung soll die Netzagentur ausschreiben, das entspricht bis zu 50 Solarparks. Wo die genau errichtet werden, ist Sache der Bieter. Entscheidend ist, dass sie mit möglichst wenig Förderung auskommen. Pilotprojekte solcher Ausschreibungen laufen schon seit dem vergangenen Jahr.

Vor allem die Betreiber sogenannter Bürgerenergie-Projekte wehren sich gegen Ausschreibungen. Sie fürchten, gegenüber professionellen Bietern und Konzernen ins Hintertreffen zu geraten. Schließlich verlangt alleine die Vorbereitung eines Gebots einigen Aufwand: Die Finanzierung muss auf halbwegs sicheren Beinen stehen, es braucht erste Genehmigungen, und sollte das Projekt aus irgendwelchen Gründen kippen, droht auch noch eine Strafe: Denn das Eckpunktepapier sieht auch Pönalen vor, sollte ein Wind- oder Solarpark trotz Zuschlags nicht gebaut werden.

Ausnahmen für Solaranlagen auf dem Hausdach

Das Papier aus dem Wirtschaftsministerium aber macht den Bürgerprojekten geringfügige Zugeständnisse. So sollen kleine Anlagen weiterhin wie bisher vergütet werden. Die Grenze liegt bei einem Megawatt und dürfte damit vor allem Solaranlagen auf Dächern umfassen, wie sie viele Hausbesitzer nach wie vor installieren. Wer zusammen mit anderen Bürgern einen Windpark errichten will, muss sich dagegen an einer Ausschreibung beteiligen oder einen professionellen Partner suchen. "Spezielle Beratungs- und Unterstützungsangebote" sollten Bürgerprojekten helfen, verspricht das Ministerium. Auch würden die Ausschreibungen "so einfach und transparent wie möglich" gestaltet. Schwieriger wird es absehbar bei den Windparks zur See. Sie können nur dort errichtet werden, wo auch eine Stromleitung Sinn hat, viele Claims sind schon abgesteckt - das erschwert die Ausschreibung.

Ein neues Gesetz soll hier dafür sorgen, dass sich künftig alle Bieter auf dieselben - vom Bund zuvor untersuchten - Gegenden im Meer bewerben. Bis es so weit ist, gelten Übergangsregelungen. Etwa die, dass sich für Offshore-Windparks, die bis 2020 ans Netz gehen, gar nichts ändert.

Bis März soll das Kabinett all dem zustimmen. Derweil bahnt sich auch bei den konventionellen Energien eine neue Kontroverse an - zur Zukunft der Braunkohle. Nach der Rückkehr von der Klimakonferenz in Paris wolle sie sich dieser Frage zuwenden, kündigte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) an. Die Koalition müsse klären, "wie wir den Ausstieg aus der Kohle hinbekommen". Ziel sei ein klarer Ausstiegspfad über die nächsten "20, 25 Jahre", der auch für die betroffenen Regionen Planungssicherheit gewährleiste. Braunkohle wird hierzulande vor allem in der Lausitz und im Rheinland gefördert. Mit entsprechender Wirtschaftspolitik sollte dies aber selbst in der strukturschwachen Lausitz möglich sein, sagte Hendricks.

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Quelle:
SZ vom 26.11.2015
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