Ökostrom-Reform:Gabriel bekommt Gegenwind aus den Bundesländern

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Eine Windkraftanlage bei Husum an der Nordseeküste (Foto: dpa)

Die Energiewende geht in die entscheidende Phase - und der Widerstand gegen die Ökostromreform wächst. Mehrere Bundesländer drohen der Regierung mit Blockade. Dabei kommt jedes Einknicken und jede Verzögerung die Verbraucher teuer.

Von Markus Balser, Berlin

Für Sigmar Gabriel (SPD) beginnt das Endspiel an diesem Dienstag um 18 Uhr, wenn die Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer zum Energiegipfel im Bundeskanzleramt vorfahren. Mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) soll die Runde am Abend über eine Einigung im verfahrenen Ökostromstreit verhandeln. Vor allem für Gabriel steht viel auf dem Spiel: Die Energiewende aus der Blockade von Länder- und Lobbyinteressen herauszuführen, das sieht der Energieminister als eine der wichtigsten Aufgaben für das schwarz-rote Bündnis - und für sich selbst.

Doch in der entscheidenden Phase der Energiewende wird die Regierung von der Realität eingeholt. Aus Angst vor den finanziellen Folgen der Reform wenden sich immer mehr Bundesländer von den Plänen der großen Koalition ab. Nach der Kritik von Bayerns Regierungschef Horst Seehofer (CSU) und der Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein, Torsten Albig (SPD), Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), meldet nun auch noch Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) grundsätzliche Bedenken an: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) könne "keinesfalls" so bleiben, warnt Lieberknecht vor dem Berliner Gipfel.

Die Hälfte der Bundesländer pocht auf weitreichende Nachbesserungen der Ökostrom-Reform. Mit Folgen: Der Bundesregierung droht die Zeit davonzulaufen. Gabriel und Merkel wollen eine rasche Einigung über eine Kürzung der Hilfen für Wind-, Biomasse- oder Solaranlagen sowie Rabatte der Industrie auf die Förderkosten. Dies sei die einzige Chance, eine monatelange Hängepartie um die Reform des EEG zu verhindern, heißt es aus Regierungskreisen. Schon am Dienstag nächster Woche soll die Reform im Kabinett verabschiedet werden. Gerade noch rechtzeitig, um Brüssel im Streit um Ökostromrabatte entgegenzukommen. Denn bereits am Tag darauf soll in Brüssel eine EU-weite Ökostromrichtlinie beschlossen werden.

Ökostromförderung könnte für die Verbraucher noch teurer werden

Jedes Einknicken, jede Verzögerung, kommt die Verbraucher teuer. Schon jetzt liegen die Kosten der Ökostromförderung bei insgesamt 19 Milliarden Euro pro Jahr. Sie werden über die Stromrechnung auf alle Verbraucher umgelegt. Verbraucherschützer befürchten längst weiter steigende Stromkosten für die Kunden - trotz der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Die Ökostromumlage von derzeit 6,24 Cent könnte in den kommenden fünf Jahren auf 7,5 bis acht Cent steigen, warnt etwa Holger Krawinkel, Energieexperte des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv).

Doch eine Einigung ist nicht in Sicht. Denn erneuerbare Energien sind für viele Länder längst wichtige Einnahmequellen geworden. Besonders in Bayern etwa haben Bauern viel Geld in Solaranlagen und Biogasanlagen investiert. Im vergangenen Jahr bekam Bayern 770 Millionen Euro mehr, als Bürger und Firmen per EEG-Umlage zahlten.

Auch bei der Windkraft gibt es Streit. Gabriel plant, die Anlagen nur noch dort zu fördern, wo der Wind stark weht, also vor allem in Küstennähe. Zudem soll der Ausbau der Windparks auf 2,5 Gigawatt beschränkt werden. Gegen die Förderkürzung regt sich vor allem Widerstand in Baden-Württemberg und in den Mittelländern wie Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen. Dort stehen noch längst nicht so viele Windräder, wie es die Ziele der Länder vorsehen.

"Energieimporte deutlich reduzieren"

Heftiger Protest gegen die Höchstgrenzen beim Ausbau kommt aus Schleswig-Holstein. "Ich bin gegen einen Deckel bei 2,5 Gigawatt pro Jahr für den Ausbau von Windkraft an Land, weil Wind an Land den Strom günstig macht", klagt Ministerpräsident Albig. "Wind an Land ist schon heute eine sehr günstige Energieform."

Wirkung zeigt nach Informationen der Süddeutschen Zeitung vor allem der Druck der Industrie auf die Bundesregierung. Gabriel will den Streit um Ökostromrabatte mit neuen Kompromissvorschlägen entschärfen - auch auf Kosten der Verbraucher. Im neuen Gesetzentwurf ist verankert, dass Unternehmen, die sich selbst mit Strom versorgen, doch keine Mindestumlage für bereits bestehende Stromanlagen bezahlen müssen. Mit diesen Einnahmen sollte eigentlich der Strompreis gedämpft werden. Bei neuen Anlagen großer Stromverbraucher sollen zunächst nur 20 Prozent der Umlage fällig werden.

Deutschlands Ökostromfirmen und Verbände bringt das auf die Palme. "Die Befreiungen von der Umlage müssen deutlich eingeschränkt werden", forderte Fritz Brickwedde, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien. Es dürften nicht länger allein die Verbraucher sein, die für den Umbau der Energiewirtschaft zahlten. Die Krim-Krise mache deutlich, welche Chancen die Energiewende Deutschland biete. "Wir können unabhängiger vom Import fossiler Ressourcen aus Krisenregionen werden. "Mit dem Ausbau grünen Stroms können wir die deutschen Energieimporte von 90 Milliarden Euro pro Jahr deutlich reduzieren." Die geplanten Förderkürzungen aber drohten die Energiewende auszubremsen.

© SZ vom 01.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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