Als der große Shell-Konzern im Februar die kleine Sonnen GmbH aus dem beschaulichen Allgäu übernahm, fragten sich viele Beobachter: Was bitte will der Erdölriese aus Den Haag mit dem Stromspeicher-Zwerg aus Wildpoldsried? Sich ein bisschen grünwaschen, also das Image als umweltbewusstes Unternehmen aufpolieren? Oder etwa plattmachen? Keines von beidem, beteuert Sonnen-Geschäftsführer Christoph Ostermann. "Die Übernahme macht Sinn, sowohl für uns als auch für Shell."
Sein Unternehmen, das im Management und Außenauftritt unverändert bleibe, profitiere bei seinem angestrebten Expansionskurs "enorm" vom weltweiten Netzwerk der Shell. Ostermann bezeichnet Sonnen als Marktführer bei Stromspeichern für Privathaushalte in Deutschland - und er hat sich nicht weniger als die Vorherrschaft auf dem Weltmarkt vorgenommen. Hierzu will er nach Asien und Lateinamerika vorstoßen. "Da würden wir uns als Mittelständler mit 600 Mitarbeitern sehr schwertun", sagt Ostermann. Aber mit den Kontakten der seit Jahrzehnten weltweit aktiven Shell könne das viel besser gelingen.
Eine Solaranlage auf dem Dach mit einem Stromspeicher im Keller, das werde in Wohnhäusern bald ein "Mainstream-Produkt" werden, prophezeit Ostermann. Etwa wie eine Kühltruhe. "Die Leute müssen dann nicht teuer Kohlestrom kaufen, sondern können selbst grüne Energie erzeugen und sogar weiterverkaufen." Dieser Massenmarkt werde kommen. "Und mit dem starken Partner Shell können wir selbst skalieren und so verhindern, dass die Produktion dieser Schlüsseltechnologie nach Asien abwandert."
Derzeit produziert Sonnen in Wildpoldsried, Atlanta und Adelaide. Weitere Verwaltungs- und Vertriebs-Standorte gibt es in Berlin, Los Angeles, Sydney, Bristol und Bergamo. Demnächst sollen Niederlassungen in Japan, China, auf den Philippinen sowie in Mittel- und Südamerika dazukommen. Zuletzt machte Sonnen etwa 85 Millionen Euro Jahresumsatz. 2019 soll die 100-Millionen-Grenze erstmals übersprungen werden.
Ostermann bezeichnet das Ökostrom-Engagement von Shell als "ehrgeizig, solide, durchdacht und glaubwürdig". Die Kritik, dass Shell noch viel mehr Geld in die Exploration von Erdölfeldern investiere, weist er zurück: "Das mag ja sein, aber dennoch ist Shell einer der größten Greentech-Investoren der Welt." Die Energiewende sei ein langer Weg, "und man muss auch großen Unternehmen zugestehen, dass sie Schritt für Schritt voranschreiten."