Ökostrom in der Energiewende:Billig für die Händler, teuer für die Verbraucher

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Wenn Wind und Sonne mitspielen, ist Ökostrom für die Stromhändler konkurrenzlos günstig, der Preis fällt teils sogar ins Minus. Das birgt ein großes Problem, denn damit die Erzeuger ihre staatlich garantierte Vergütung erhalten, müssen die Verbraucher mehr bezahlen.

Von Michael Bauchmüller

Die gute Nachricht des Tages kommt aus Rheinland-Pfalz. 65 Windräder seien dort im ersten Halbjahr aufgestellt worden, meldet das grüne Wirtschaftsministerium in Mainz. "Im Süden Deutschlands ist Rheinland-Pfalz in Sachen Windenergie mit weitem Abstand die Nummer 1." Solcher Jubel über die Energiewende ist selten geworden, denn die nächste Frage ist in diesen Tagen nicht fern: 65 Windräder - was das wohl wieder kostet?

Das Ökostromkonto geht Monat für Monat weiter in die Miesen. Mehr als 2,3 Milliarden Euro flossen allein im August an die Betreiber von Wind- und Solarparks, von Biomasse- und Geothermiekraftwerken. Ausgezahlt werden die Milliarden in Form von festen Vergütungssätzen für jede Kilowattstunde: neun Cent für Windkraftanlagen, 14 Cent für neue Solarzellen. Die Förderung sollte helfen, erneuerbare Energien an den Markt zu bringen.

Doch das System kippt zusehends, und schuld ist nicht mal die Förderung der Ökoenergien an sich. Schuld ist der Mechanismus. Wenn das Wetter mitspielt, ist Strom aus Sonne und Wind konkurrenzlos günstig. Entsprechend drückt der Ökostrom die Preise im Großhandel, mitunter sogar ins Minus. Es gibt Stunden, da bekommen Stromhändler sogar noch Geld dafür, dass sie Elektrizität abnehmen. Klingt aus Sicht der Stromkunden eigentlich ganz gut - nur lässt es die Kosten der Energiewende explodieren.

Denn damit die Ökostrom-Betreiber ihre garantierte Vergütung erhalten, muss die Differenz zwischen Großhandelspreis und Vergütung ausgeglichen werden. Je niedriger der Strompreis an den Börsen, desto mehr Aufschlag muss gezahlt werden - genau: von den Stromkunden. Ein "unüberwindbarer Systemkonflikt" drohe, warnte jüngst das Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme. Nicht nur das: Die Energiewende gerät auch zunehmend in Verruf. Der Kosten wegen.

Bislang zahlen die Kunden mit, sobald sie den Lichtschalter betätigen. Für jede Kilowattstunde Strom zahlen sie 5,3 Cent Ökostrom-Umlage, für einen Durchschnittshaushalt sind das gut 180 Euro im Jahr, noch im vorigen Jahr lag die Umlage bei 3,6 Cent. Doch selbst der höhere Satz reicht nicht, um die Kosten zu decken: Im August standen den 2,3 Milliarden Euro Ökostrom-Förderung nur 1,8 Milliarden Euro Einnahmen aus der Stromkunden-Umlage gegenüber. Mehr als 600 Millionen Euro fehlten in der Kasse.

Die Umlage steigt im kommenden Jahr

Zwar ist ein Minus in einem sonnenreichen Sommermonat nichts Ungewöhnliches. Nur hat es sich übers Jahr geläppert: Inzwischen steht das Konto mit knapp 2,3 Milliarden Euro im Soll. Mit anderen Worten: Die Umlage wird auch im nächsten Jahr steigen.

Bis zu 6,5 Cent könnten es werden, genauere Zahlen gibt es bislang nicht. Für einen Durchschnittshaushalt wären das noch einmal um die 40 Euro. Zwar soll die exakte Zahl erst im Oktober feststehen, doch Spekulationen gibt es derzeit zuhauf - und die hieven die Energiewende mitten in den Bundestagswahlkampf.

An Vorschlägen für eine Reform mangelt es nicht. Da wäre etwa die Light-Variante der Grünen. Danach würden vor allem Vergünstigungen beschnitten, die bislang die Industrie genießt - sie muss nämlich je weniger zum Ökostromausbau beitragen, je mehr Strom sie verbraucht, zum Schutz im internationalen Wettbewerb. Vier Milliarden Euro Ersparnis soll die Kürzung bringen, haben die Grünen errechnet. Und die Fördersätze für den Ökostrom ließen sich auch noch hier und da senken. Nur ändert das nichts am Problem des Mechanismus.

Denkbar wäre auch, die Förderung nicht mehr als Garantieerlös, sondern als Aufschlag auf den Börsenpreis zu gewähren. Dann bekäme ein Windmüller nicht mehr neun Cent je eingespeiste Kilowattstunde, sondern nur den Börsenpreis plus einen Aufschlag von x Cent. Selbst die Wirtschaft könnte sich damit anfreunden. "Ein sehr kluges Modell", lobt Eric Schweitzer, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. "Der Charme ist: Erzeuger haben automatisch ein Interesse, Strom dann zu verkaufen, wenn er besonders teuer gehandelt wird." Indirekt werde das neue System auch den Bau von Stromspeichern fördern - um Zeiten zu überbrücken, in denen Elektrizität nicht viel einbringt. Das Problem: Wieder müssten die Aufschläge politisch ausgehandelt werden. Es schlüge die Stunde der Lobbyisten.

Am Donnerstag zauberte deshalb die Monopolkommission, ein von der Bundesregierung eingesetztes Beratergremium, einen nicht ganz neuen Vorschlag aus dem Hut: ein "Quotenmodell". Danach müssten die Stromversorger künftig feste Quoten erneuerbaren Stroms verkaufen und dies über Zertifikate nachweisen, die an einer Börse gehandelt würden. Wären die Zertifikate knapp, stiege der Preis, und neue Ökostromanlagen würden errichtet. "Das Ausbauziel könnte so zielgenau erreicht werden", sagt Daniel Zimmer, Kopf der Kommission. "Und außerdem würde endlich Wettbewerb angefacht werden." Allerdings wären damit nur noch die billigsten Ökostrom-Projekte rentabel, vermutlich Windparks im Norden.

Selbst die FDP, solcherlei Gedanken grundsätzlich aufgeschlossen, warnte schon davor, der Ökostrom-Ausbau werde "zunächst einmal komplett zusammenbrechen". Billiger werde die Förderung so auch nicht, kritisieren Gegner der Quote. Das zeigten Erfahrungen etwa aus Großbritannien.

Hochflexible Gaskraftwerke stehen vor dem Aus

Dabei ist die Förderung des Ökostroms bei Weitem nicht das einzige Problem der Wende. Noch fehlen die Stromnetze, die dereinst den Windstrom von Nord nach Süd transportieren müssen. Ob sie rechtzeitig fertig werden, steht in den Sternen. Schwerer noch wiegen die Probleme der Kraftwerke. Genauso wie die Stromkunden haben sie mit den Folgen gesunkener Börsenpreise zu kämpfen: Viele Kraftwerke rechnen sich nicht mehr, vor allem hochflexible Gaskraftwerke stehen vor dem Aus. Dumm nur, dass eben diese Kraftwerke das Rückgrat der Energiewende werden sollen - als Reserve, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint.

Eines immerhin ist mittlerweile erreicht: Alle wollen Reformen. Nur will jeder eine andere, was nicht für eine rasche Besserung spricht. Zumal auch die Länder mitspielen müssen, und hier hat jedes seine eigene Agenda. Rheinland-Pfalz zum Beispiel: 100 Prozent Ökostrom - bis 2030.

© SZ vom 06.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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