Ökonomie:Und jetzt alle zusammen

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Es kommt darauf an, den Klimawandel international besser zu verhandeln, sagt Axel Ockenfels. Foto: Robert Poorten/CC BY-SA 3.0 (Foto: CC BY-SA 3.0)

Warum kam es beim Klimagipfel in Madrid nicht zum Durchbruch? Antworten eines Verhandlungsforschers.

Von Bastian Brinkmann, München

In einer Wohngemeinschaft sind die Dinge einfacher. Der Boden ist dreckig, die Küche stinkt. Alle sehen das, aber keiner hat Lust, den Lappen in die Hand zu nehmen. Am Ende erbarmt sich dann doch einer und wischt feucht durch. Die anderen bekommen eine saubere Wohnung, ohne dafür arbeiten zu müssen. Wer macht den Dreck weg - manche erinnert diese Situation an die Klimakrise. Alle wissen, dass die Erde sich bedrohlich erhitzt, aber die Welt steuert nicht ausreichend gegen. Dieser Vergleich hat aber seine Grenzen, sagt Axel Ockenfels, der an der Universität zu Köln mit Experimenten und Spieltheorie erforscht, wie Verhandlungen funktionieren. "In kleinen Gruppen lohnt sich Kooperation, das ist unsere Intuition", sagt Ockenfels: Wer von seinen Freunden ab und an ein Bier ausgegeben bekomme, aber nie selbst eine Runde spendiere, stehe wohl bald ohne Freunde da. Ähnlich kooperativ sind viele WGs. Und wenn die Lage doch eskaliert, kann man sich im ärgsten Fall neue Mitbewohner suchen. Bei der Erde hat man keine Wahl, so Ockenfels: "Wir können nicht aus der Welt ausziehen."

Daher müssen globale Klimaverhandlungen wie am Wochenende in Madrid ganz anders betrachtet werden, fordert der Ökonom. Statt immer neuer Warnrufe brauche es verbindliche Regeln. Der beste Kandidat für eine gemeinsame Verpflichtung der Staaten sei ein internationaler CO₂-Mindestpreis. Die gesellschaftliche Debatte rund um die Klimakonferenz fokussiert sich aus Ockenfels' Sicht zu stark auf Appelle, die immer drängender werden. "Der Klimawandel ist kein Informationsproblem", sagt Ockenfels, auch wenn diese Einschätzung weit verbreitet sei. Die Entscheider wissen, dass die Erde gefährlich warm wird, und das ja auch schon seit Langem. Die Verhandlungen stocken trotzdem. Entscheidende mögliche Fortschritte wurden in Madrid nur erneut vertagt.

"Es gäbe kein Klimaproblem, wenn jedes Land sein eigenes Klima hätte."

Das hat Ockenfels nicht überrascht. "Es gäbe kein Klimaproblem, wenn jedes Land sein eigenes Klima hätte", sagt er. Der Klimawandel ist für ihn ein internationales Kooperationsproblem. Es sei vergleichsweise leicht, immer ambitioniertere Ziele auszurufen, wie viel CO₂ ein einzelnes Land bis zum Jahre soundso einsparen wolle. Das reiche aber nicht aus, denn es gebe nicht ausreichend Anreize für das einzelne Land, dieses Ziel wirklich zu verfolgen. Und es gibt andererseits quasi keine Strafen, wenn nicht genug reduziert wird.

Damit Kooperationen in der Spieltheorie klappen, braucht es etwas, was die Forscher Reziprozität nennen. Gemeint ist: Ich mache das, wenn du es auch machst. Der Klimawandel müsse mit verpflichtenden Regeln für alle Länder angegangen werden, fordert Ockenfels. Genau das fehle allerdings. "Eine gemeinsame internationale Verpflichtung hat es bisher nicht gegeben", beklagt er. "Die Kooperationsforschung spielt in den UN-Verhandlungen praktisch keine Rolle."

Sollte Deutschland in der Klimapolitik also lieber alleine vorpreschen? Davor warnt Ockenfels: Ein einzelner Mitbewohner könne zwar die WG putzen, aber ein einzelnes Land könne nicht den Klimawandel stoppen. Unilaterales Vorgehen könne stattdessen Klimaverhandlungen sogar erschweren. Kohle werde etwa billiger und damit attraktiver für andere, wenn Deutschland weniger davon verbrennt. Wer zudem schon vor Beginn der Verhandlungen alle Ziele festsetze, bringe nichts mehr mit an den Verhandlungstisch. Deutschland könne als reiches Land in der Klimapolitik ruhig den ersten Schritt machen, müsse dann aber die anderen Staaten mitziehen, was nur mit Verpflichtungen gehe.

© SZ vom 18.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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