Süddeutsche Zeitung

Ökonomie in der Schule:Gauck warnt vor gefährlichen Wissenslücken

In einer Rede vor der Elite der Finanzwelt nimmt der Bundespräsident die Bürger in die Pflicht. Sie müssten sich besser über Wirtschaft informieren. "Ökonomische Apathie und Unwissenheit sind gefährlich", sagt Gauck.

Wer ist verantwortlich für die Finanzkrise? Was haben Banken, Bürger und die Politik daraus gelernt? Und was muss noch passieren, damit alle in Zukunft mehr Verantwortung übernehmen? Diese Fragen hat Bundespräsident Gauck in einer Rede auf dem Deutschen Bankentag gestellt.

"Weil die Wirkungsmacht der Finanzwirtschaft so groß ist und so weit in die Lebenswirklichkeit der Menschen hineinreicht, gerade deshalb ist unser Wirtschaftssystem zwingend darauf angewiesen, dass alle Akteure informiert und verantwortungsbewusst handeln", sagt Gauck. Als Akteure verstehe er sowohl die Banken, aber auch die Bürger und die Politik. Sie müsse kluge Regeln formulieren, um Missbrauch zu verhindern.

  • Die Banken: "Zur Verantwortung gehört es, Verluste selbst zu tragen. Wer besonders hohe Risiken eingeht, weil er weiß, dass im Notfall ein anderer die Kosten schultern wird, der handelt diesem Prinzip zuwider", sagte Gauck. Reformen gebe es zwar, sie seien aber noch lange nicht abgeschlossen. Er kritisierte falsche Anreize im Bonussystem, übersteigerte Gewinnansprüche und "verantwortungsloses Verhalten zulasten Dritter". Angesichts einer Bilanzsumme von 30 Billionen Euro in der Euro-Zone hätten Finanzinstitute eine besondere Verantwortung, weil über Geld Abhängigkeiten entstünden und Macht ausgeübt werde. Banken müssten Chancen und Risiken in ihrem Handeln offenlegen - "Hier sehe ich eine Bringschuld", sagte Gauck.
  • Die Bürger: "Die Abkehr von Tugenden der sozialen Marktwirtschaft hat das Vertrauen der Bürger in die Banken erschüttert. Und, ehrlich gesagt: Angesichts mancher Exzesse verstehe ich das", sagte Gauck. Es sei allerdings fatal, wenn die Bürger Wettbewerb und Freiheit für das Problem hielten und nicht deren Missbrauch. Soziale Marktwirtschaft brauche informierte Bürger. Sie müssten in Finanzfragen kompetenter werden, fordert Gauck. Nur wer ökonomisch gebildet sei, könne Wirtschaftsdebatten nachvollziehen und sich ein eigenes Urteil bilden und die richtigen Fragen stellen: Welche Regeln brauchen Banken? Welche Grenzen die Märkte? Der "mündige Bürger" sei gefragt, wenn es um die Gestaltung unserer Wirtschaftsordnung geht. "Nicht nur politische, auch ökonomische Apathie und Unwissenheit sind gefährlich", so Gauck. In den Schulen werde das Wissen über ökonomische Zusammenhänge nicht ausreichend gelehrt.
  • Die Politik: Unverantwortliche Banker, risikofreudige Bürger - nicht nur ihre Verantwortung müsse man beachten: "Es war auch die staatliche Rahmenordnung, die Fehlverhalten ermöglicht und oft auch begünstigt hat." Zwar habe die EU mit ihrer Bankenunion schon eine einheitliche Aufsicht geschaffen, trotzdem frage sich, ob schon genug unternommen worden ist. Allerdings sei dies nicht nur Sache der Politik: "Es würde uns guttun, wenn solche wichtigen Fragen nicht allein von Fachpolitikern und Experten diskutiert würden, sondern stärker als bisher auch von Bürgern und Medien", sagte Gauck.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1933015
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/Reuters/sana
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.