Süddeutsche Zeitung

Ökonomie im Alltag:Drogen — das ist Wirtschaft, Mann!

Lesezeit: 12 min

Das Wort Wirtschaft lässt einen vor allem an Börse und Unternehmen denken. Doch fast alles funktioniert nach ökonomischen Prinzipien, nur ist das nicht immer so offenkundig. Ein Beispiel dafür ist der Drogenhandel.

Von Diane Coyle

Im Folgenden geben wir ein Kapitel aus dem Buch "Sex, Drugs & Economics — Eine nicht alltägliche Einführung in die Wirtschaft" wieder. Die Autorin leitet eine Beratungsfirma und ist Dozentin am Institute for Political and Economic Governance, University of Manchester

Sie erinnern sich sicher noch an Bill Clintons Geständnis während seines ersten Präsidentschaftswahlkampfs, dass er als Student zwar Cannabis geraucht, aber nicht inhaliert habe.

Nun, bei mir ist es genau umgekehrt: Ich habe nie selbst Hasch geraucht, aber bei Studentenpartys den Rauch anderer eingeatmet. Überhaupt habe ich keine Drogen probiert, hauptsächlich aus finanziellen Gründen.

Nicht nur eine Frage der Moral

Als Studentin konnte ich mir entweder eine Flasche billigen Wein leisten oder viel mehr Geld für ein illegales Rauschmittel ausgeben, das denen, die es nahmen, auch nicht viel mehr zu bringen schien als mir der Alkohol. Und später habe ich mich einfach, meinem steigenden Einkommen angemessen, zu den teureren Weinen hochgearbeitet.

Viele Menschen sind der Ansicht, dass die Drogenpolitik des Staates ausschließlich mit Moral zu tun haben sollte, denn Drogen sind in ihren Augen schlecht.

Auf diesem Grundsatz basiert der "Kampf den Drogen", wie er nicht nur in den Vereinigten Staaten, sondern auch in Großbritannien und den anderen europäischen Staaten geführt wird. Doch nicht erst Steven Soderberghs Film Traffic dürfte den Menschen klargemacht haben, dass eine Null-Toleranz-Politik vermutlich nicht funktioniert, wenn so viele Leute illegale Drogen nehmen.

Mehr als einer von fünf Menschen verstößt irgendwann im Leben gegen das Betäubungsmittelgesetz (in Amerika ist es fast einer von dreien über zwölf Jahren) und wird nicht von seinen Freunden verpfiffen - da muss man sich doch fragen, wie sinnvoll ein solches Gesetz ist.

Im Umgang mit Drogen gibt es drei Ansätze: Erstens das Ideal einer drogenfreien Gesellschaft, aus dem sich die Rhetorik im Kampf gegen die Drogen speist.

Zweitens die Ansicht, dass Drogenabhängigkeit eine Krankheit ist und ein Verbot der Drogen nicht ausreicht, sondern zusätzlich medizinische Behandlung und Präventionsprogramme nötig sind.

Drittens die liberale Einstellung, dass jeder die Freiheit haben sollte, zu nehmen, was er möchte, solange er anderen damit nicht schadet. Vor der im Alltagsleben praktizierten Toleranz gegenüber Drogen konsumierenden Angehörigen, Freunden oder Bekannten können Politiker trotz innerer Widerstände langfristig nicht die Augen verschließen.

Vielleicht gelingt es der Ökonomie, Klarheit in die philosophische und politische Debatte zu bringen. Immerhin handelt es sich hier um einen Markt, auf den sich staatliche Beschränkungen auswirken.

Das heißt, dass sowohl der Preis als auch nichtwirtschaftliche Erwägungen bei der Drogenpolitik eine Rolle spielen. Bei einem illegalen Gewerbe wie diesem gibt es natürlich nur wenige fundierte Fakten, aber wenden wir uns dem zu, was wir wissen: Drogenkonsum scheint so alt wie die Menschheit zu sein.

Die alten Griechen nahmen Opium, die Azteken Peyote (Mescalin) und Marihuana. Versuche des Staates, Drogen zu verbieten, sind ein Phänomen des 20. Jahrhunderts, eine direkte Folge viktorianischer Moral.

Zu den bekanntesten Beispielen gehört der 18. Verfassungszusatz in den Vereinigten Staaten, der in den zwanziger Jahren den Genuss von Alkohol illegal machte. Die Prohibition erwuchs aus den Kampagnen viktorianischer Temperenzler, die Getränke aus Sarsaparille oder Löwenzahn oder Klette propagierten.

Die jungen Leute unserer Zeit, die an Wodka-Cocktails und Alkopops gewöhnt sind, könnten damit vermutlich wenig anfangen. Viele haben schon einmal illegale Drogen genommen - in manchen westlichen Ländern bis zur Hälfte der Bevölkerung. Von Alkohol, Tabak und Kaffee ganz zu schweigen.

Oft ist der Konsum illegaler Substanzen eine ausschließlich jugendliche Erfahrung. Umfragen zufolge erhielten drei Viertel bis vier Fünftel der Leute, die irgendwann illegale Drogen probiert haben, sie das erste Mal gratis bei einer Party oder einem Rave.

Dealer versuchen sich durch Gratisproben einen Kundenstamm aufzubauen, genau wie ein Suppen- oder Shampoohersteller. Umfragen haben des Weiteren ergeben, dass etwa ein Drittel aller erwachsenen Amerikaner - bei College-Studenten 50 Prozent - schon einmal weiche Drogen wie Cannabis versucht hat.

400-Milliarden-Dollar-Markt

In Deutschland und der Schweiz scheint der Anteil bei etwa 20 Prozent zu liegen. Können so viele Menschen Verbrecher sein? Viele von uns sind der Ansicht, dass der eine oder andere Joint während des Studiums, gleich, ob inhaliert oder nicht, den Betreffenden nicht zum Kriminellen oder auch nur zum bösen Menschen macht.

Nur sehr wenige Leute nehmen ihr ganzes Leben lang regelmäßig Drogen oder werden süchtig. Die bereits erwähnten Umfragen ergaben, dass zwar 17 Prozent der Schweizer Drogen probiert, aber nur 2 Prozent im letzten Jahr welche genommen hatten.

Der Drogenkonsum sinkt überall deutlich, sobald die Menschen über dreißig sind. Weiche Drogen haben im Gegensatz zu harten nur ein geringes Suchtpotenzial, und so fällt es den meisten nicht schwer, sie irgendwann ganz aufzugeben.

Studien über Vietnamveteranen beispielsweise zeigen, dass viele von ihnen in Südostasien Heroin nahmen, die überwältigende Mehrheit den Konsum jedoch nach der Rückkehr in die Heimat freiwillig einstellte.

Laut U.S. National Household Survey on Drug Abuse ist ein Heroinbenutzer von dreien süchtig - auf den ersten Blick erscheint das viel, aber es ist weniger als die vier Fünftel Abhängigen bei den Rauchern.

Trotz des geringen Suchtpotenzials vieler illegaler Drogen scheint die Nachfrage zu steigen. Gleichzeitig sinken die Preise, was ein erhöhtes Angebot signalisieren könnte.

Alle Drogen sind gesundheitsschädlich (das gilt übrigens auch für die gesetzlich erlaubten), was heißt, dass ihr Konsum nicht nur das Gesundheitssystem belastet, sondern auch die Arbeitsproduktivität mindert.

Forschungen ergaben, dass eine Erhöhung des Preises für Heroin - eine der gefährlichsten Drogen überhaupt - zu einer deutlichen Verringerung der Todesfälle führt. Die Illegalität des Gewerbes bedingt oft eine schlechte Qualität der Drogen, was möglicherweise tödlicher ist als diese selbst.

Der Weltdrogenmarkt ist bekanntermaßen riesig; wie groß, lässt sich nur erahnen, weil man weder die Verkaufszahlen noch die Preise wirklich kennt.

Die Vereinten Nationen gehen von 400 Milliarden Dollar (mehr als die globale Ölindustrie), 20 Millionen Beschäftigten und 70-100 Millionen Kunden aus.

Etwa die Hälfte der Abnehmer befindet sich in den Vereinigten Staaten, dem größten Einzelmarkt für Drogen wie auch für alles andere. Die meisten der etwa 50 Länder, die Drogen produzieren und exportieren, sind sehr arm, was bedeutet, dass sie ihre Haupteinnahmequelle darstellen.

Das große Umsatzpotenzial dieser Industrie hat zusammen mit sinkenden Rohstoffpreisen und hohen Schuldenlasten zu einer deutlichen Erhöhung der Drogenproduktion in den Entwicklungsländern geführt.

Viele Erzeugerstaaten sind überdies Schauplatz gewalttätiger Konflikte, wie zum Beispiel Kolumbien, Birma oder Afghanistan. Ob das Ursache oder Folge des Drogenhandels ist, lässt sich allerdings nicht beurteilen.

Nun zur ökonomischen Seite des Phänomens: Auf jedem Markt gibt es Angebot und Nachfrage. Die Politik kann sowohl auf die Angebots- als auch auf die Nachfrageseite des Marktes Einfluss nehmen.

Sogar in augenscheinlich liberalen Ländern wie den Niederlanden werden seit Anfang der siebziger Jahre beide Varianten praktiziert.

Im Allgemeinen sind die Strafen für den Verkauf von Drogen sehr viel höher als die für den Konsum; je nach Staat gibt es unterschiedliche Ansätze für die Bestrafung von Konsumenten.

Die Preise auf den Märkten variieren, abhängig vom Wettbewerb zwischen den Anbietern, beträchtlich. Zahlen aus dem Jahr 1993 belegen zum Beispiel, dass der Preis für ein Gramm Heroin in den Niederlanden bei 43 US-Dollar lag, in der Schweiz bei 196 US Dollar.

Das Verbot bestimmter Drogen in fast allen Industrieländern beschränkt den Wettbewerb. In den meisten Fällen gibt es, wenn schon nicht ein Monopol, so doch etwas sehr Ähnliches, das mit Gewalt geschützt wird.

Die Illegalität wirft so hohe Profite ab, dass es sich lohnt, um den Markt zu kämpfen - denken Sie an die pharmazeutische Industrie und ihre Umsätze, und multiplizieren Sie diese, dann können Sie sich vorstellen, wie sehr.

Je strikter das Verbot, desto gewinnträchtiger das Geschäft, weil die Konkurrenz verdrängt wird. Am Ende helfen Polizei und Zoll den entschlossensten und brutalsten Anbietern, indem sie ihre Konkurrenten beseitigen.

Die Politik des absoluten Verbots in den meisten Ländern, die illegale Drogen importieren, hat eine Schattenwirtschaft des organisierten Verbrechens entstehen lassen.

Die Gelder aus dem Drogenhandel müssen gewaschen werden, sodass sich der Einfluss der Drogenbarone irgendwann auch auf legale Aktivitäten erstreckt, und zwar global.

Nach Ansicht vieler Experten, unter ihnen Vertreter der Vereinten Nationen sowie der angesehene Soziologe Manuel Castells, droht die wachsende Reichweite multinational tätiger Krimineller die demokratischen Institutionen zu unterwandern.

Sie hindert außerdem die Entwicklungsländer daran, ihren Wohlstand durch wirtschaftlichen und politischen Fortschritt im herkömmlichen Sinn zu erhöhen. Warum auch, wenn sich so leichter Geld verdienen lässt, nicht nur für die Bauern, sondern auch für die korrupten Beamten und Politiker, die den Handel tolerieren?

Wenn sie die Ernten zerstören, müssen sie sich Gedanken darüber machen, wie die Ärmsten der Armen sich ihren Lebensunterhalt verdienen können.

Kein Wunder, dass eine der schwierigsten Aufgaben beim Wiederaufbau der afghanischen Wirtschaft daran besteht, die Bauern vom Mohnanbau abzubringen.

Verbote führen zu Illegalität bei Käufern wie Verkäufern. Hohe Preise treiben viele Drogenkonsumenten in die Beschaffungskriminalität; der regelmäßige Kontakt mit den Anbietern lässt ihnen das Verbrechen schon bald als ganz normal, vielleicht sogar gesellschaftlich akzeptabel erscheinen.

Deutsche und amerikanische Studien ergaben, dass Süchtige etwa ein Fünftel ihres Einkommens legal erwerben, mehr als ein Drittel stammt aus dem Drogenhandel, der Rest aus Einbrüchen, Überfällen oder Prostitution.

Ein sehr hoher Prozentsatz von Eigentumsdelikten steht offenbar im Zusammenhang mit Drogen. Drogen sind ein komplexes gesellschaftliches Problem, das innerstädtische Ghettos zu Armut und Gewalt verdammt. Hohe Preise dämmen die Nachfrage ein.

Wären illegale Drogen deutlich billiger beziehungsweise die gesetzlichen Sanktionen weniger streng, gäbe es viel mehr Konsumenten. Wie lassen sich Kosten und Nutzen unterschiedlicher Strategien gegeneinander abwägen?

Lizensierte Händler — fallende Preise

Angenommen, eine Regierung würde beschließen, ihre Politik hinsichtlich weicher Drogen wie Cannabis zu liberalisieren und kleine Mengen für den persönlichen Gebrauch sowie lizenzierte Händler zu erlauben: Das würde die Zahl der Anbieter erhöhen und die Macht organisierter Banden verringern.

Die Preise würden fallen. Die Polizei müsste sich mit weniger Verbrechen sowohl auf Anbieter- als auch auf Nutzerseite beschäftigen, was eine Senkung des Polizeibudgets zur Folge hätte.

Auch der Schaden, der der Gesellschaft durch Eigentumsdelikte und Gewalt entsteht, würde sich reduzieren. Die Qualität wäre leichter zu kontrollieren, und die Gesundheit der Konsumenten würde sich verbessern.

Außerdem ergäben sich für die Regierung Einnahmen durch die Besteuerung oder Lizenzierung eines legalen Gewerbes. Diesen Vorteilen stünden natürlich Kosten gegenüber: Niedrigere Preise würden zu einer Erhöhung der Nachfrage und somit zu mehr Konsumenten führen.

Das hätte negative Auswirkungen auf die Gesundheit aller und würde möglicherweise die Produktivität der Konsumenten mindern. (Es gibt nicht viele Belege dafür, dass Drogen tatsächlich die Arbeitsleistung reduzieren; so mancher behauptet sogar, es sei genau umgekehrt. Nicht wenige Künstler sind bekennende Alkoholiker, und die Film- und Fernsehindustrie würde ohne Kokain vermutlich überhaupt nicht existieren.)

Außerdem führt die Tolerierung weicher Drogen unter Umständen mehr Leute an die harten heran, was die Kosten ebenfalls erhöht. Es gibt durchaus Versuche ohne totalen Krieg gegen die Drogen.

Eine Studie des Centre for Economic Policy Research vergleicht beispielsweise den Heroinkonsum in Großbritannien und den Niederlanden. In den Niederlanden sind Drogen, auch Cannabis, grundsätzlich verboten, aber der Besitz wie auch der Verkauf kleiner Mengen von Haschisch in lizenzierten Cafés ist erlaubt.

Deshalb gehören Amsterdams Cafés zusammen mit dem Rotlichtbezirk und den Kanälen zu den Haupttouristenattraktionen der Stadt. Dieser liberale Ansatz verbindet sich mit strengem Vorgehen - hohe Geld- beziehungsweise Gefängnisstrafen - gegen alle, die bei der Ein- oder Ausfuhr von Drogen erwischt werden.

Die Studie ergab, dass Heroin in den Niederlanden zwischen 1983 und 1993 durchschnittlich 28 Pfund Sterling pro Gramm kostete, in Großbritannien 74 Pfund.

Trotzdem war die Kriminalitätsrate in Holland niedriger, und viel weniger junge Leute hatten Drogen genommen als auf den Britischen Inseln. Drogenkonsumenten erhielten auch bessere medizinische Hilfe. 1995 hatten die Niederlande die niedrigste Zahl von Drogentoten in ganz Europa: 2,4 pro einer Million Einwohner.

Den zweiten Platz der Positivstatistik belegte Frankreich mit 9,5 pro einer Million Einwohner. In den Niederlanden gibt es sogar ein Altersheim für Junkies. Das holländische Experiment zeigt, dass eine liberale Handhabung des Drogenproblems eine Reduzierung der Gesundheits- und Polizeikosten zur Folge haben kann.

Erfolgreich in Zürich

Da wundert es nicht, dass die britische Regierung Ende 2001 in puncto Cannabis die Einführung eines am niederländischen Vorbild orientierten Systems ankündigte.

Ein anderes Experiment im nicht gerade für seine Liberalität bekannten Zürich ist ähnlich erhellend. 1987 wurde trotz strikter Antidrogenpolitik im berüchtigten "Nadelpark" hinter dem Hauptbahnhof Heroin nicht nur verkauft, sondern auch offen konsumiert.

Die hygienischen Zustände waren erschütternd, die Zahl der gesundheitlich schwer angeschlagenen Süchtigen stieg, und das Angebot wurde von Banden kontrolliert, die Schulkindern Drogen zu besonders niedrigen Preisen verkauften.

Angesichts der hohen Gewinnspannen wollten sich neue Gangs auch ein Stück vom Kuchen sichern, und so kam es zu Bandenkriegen zwischen Libanesen, Albanern und Afrikanern. Außerdem stieg die Beschaffungskriminalität exponentiell an.

Die Polizei sperrte den Park, doch die Szene verlagerte sich einfach in einen stillgelegten Bahnhof. 1994 beschlossen die Behörden, einen neuen Ansatz zu wagen: Jetzt werden kleine, vom Staat mitfinanzierte Mengen Heroin an registrierte Süchtige ausgegeben, die diese in eigens dafür eingerichteten Räumen nehmen und sich im Gegenzug sowohl medizinischer als auch psychologischer Behandlung unterziehen müssen.

Gleichzeitig geht die Polizei streng gegen andere Anbieter vor, während der Drogenkonsum in Privathaushalten und auf Partys liberal gehandhabt wird.

Diese neue Politik ist in vielerlei Hinsicht erfolgreich: Die Gesundheit schwer Drogenabhängiger hat sich deutlich verbessert, mehr als die Hälfte der registrierten Süchtigen fand einen Arbeitsplatz, und die Mehrzahl derjenigen, die früher stahlen, um ihren Drogenkonsum zu finanzieren, tut dies nicht mehr.

In einem Volksentscheid vom Dezember 1996 sprachen sich die Züricher Bürger mehrheitlich für die Fortsetzung dieser Politik aus. Auch in Großbritannien, wo der Drogenmissbrauch europaweit am stärksten ausgeprägt ist, setzt sich der Liberalisierungsansatz allmählich durch.

Der gesellschaftliche Schaden ist höher als der persönliche Nutzen

2002 legalisierte die Regierung faktisch den Besitz von Cannabis zum persönlichen Gebrauch, ließ versuchsweise die medizinische Verwendung von Haschisch zu und stieß eine Diskussion darüber an, ob Ecstasy den Status einer weichen Droge erhalten sollte.

Das ökonomische Argument für staatliche Intervention beim Drogenkonsum sieht folgendermaßen aus: Die Belastung des Gesundheitssystems sowie die gesellschaftlichen Probleme, die sich aus dem Konsum von Drogen aus dem illegalen Markt ergeben, verursachen der Gesellschaft einen Schaden, der höher liegt als der private Nutzen aus dem Genuss dieser Drogen (für den Konsumenten) sowie dem Gewinn (für den Händler).

Der Wirtschaftler nennt so etwas externen Effekt, was bedeutet, dass das Verhalten eines Einzelnen oder einer Gruppe das Leben anderer Menschen beeinflusst.

Externe Effekte sind der klassische Grund für staatliche Eingriffe in das Marktgeschehen: Das Verhalten Privater führt zu einem nicht idealen (im Ökonomenjargon: suboptimalen) Ergebnis.

Beispiele wären der Konsum legaler Drogen wie Alkohol oder Nikotin, laute Partys oder das Autofahren während der Rushhour. Im Augenblick gilt in denmeisten westlichen Ländern ein striktes Verbot zumindest harter Drogen.

Ähnlich geht der Staat auch bei anderen externen Effekten vor. So wird beispielsweise der Ausstoß bestimmter Schadstoffe ganz untersagt oder reglementiert. Es lässt sich relativ leicht feststellen, dass eine Fabrik die Umwelt mit Toxinen belastet, aber schwieriger wird es, die Lieferung von Produkten aus vielen unterschiedlichen Quellen zu kontrollieren.

Logistisch gesehen, ist das Verbot von Drogen nichts anderes als ein Einfuhrverbot für kleine, leicht zu transportierende Produkte wie zum Beispiel Käse.

Ein Käseverbot könnte Liebhaber verleiten, einen hohen Preis dafür zu bezahlen, und so den Schmuggel zu einem einträglichen Geschäft machen.

Einfuhrzölle auf Käse, die den Preis nur wenig erhöhen, würden hingegen mit ziemlicher Sicherheit nicht zur Aktivierung krimineller Energie führen.

Außerdem wäre ein Verbot kostspielig für den Staat. Der Kampf gegen die Drogen kostet die Vereinigten Staaten jährlich schätzungsweise 35-40 Milliarden US-Dollar, und landesweit steht mindestens eine von zehn Verhaftungen in Zusammenhang mit Drogendelikten.

Möglicherweise ließe sich das Problem durch eine hohe Steuer auf Drogen in den Griff bekommen. Das ist genau der Ansatz, den die britische Regierung im Hinblick auf Tabak und Alkohol gewählt hat.

Beides ist hoch besteuert und spült jährlich 14 Milliarden Pfund in die öffentlichen Kassen. Mehr als die Hälfte des Verkaufspreises für eine Flasche Wein geht an den Staat. Die Steuer ist hoch, weil Tabak- und Alkoholkonsum eine große Belastung für die Gesundheit aller darstellen.

Natürlich wäre der Regierung eine nüchterne, gesunde und somit uneingeschränkt arbeitsfähige Bevölkerung lieber, aber die Steuern lassen sich nun einmal nicht unbegrenzt erhöhen. Außerdem ist die menschliche Neigung zur Steuerhinterziehung fast so alt wie die Liebe zu den Drogen.

Die Nachfrage nach Alkohol und Zigaretten reagiert auf den Preis; die Steuern auf Schnaps und Tabak - allerdings nicht auf Bier und Wein - sind bereits so hoch, dass eine weitere Erhöhung laut Aussagen des Institute for Fiscal Studies in London den legalen Erwerb und damit die staatlichen Einnahmen reduzieren würde.

Manche Käufer besorgen sich ihren Alkohol bereits von Schwarzbrennern, was zu erhöhten Kosten für die Kriminalitätsbekämpfung und verringerten Steuereinnahmen führt. Da der Preis auf dem Schwarzmarkt deutlich günstiger liegt, ist der Verbrauch gestiegen.

Es gibt ein Niveau der Preise einschließlich Steuern, das die Steuereinnahmen maximiert und die Nachfrage begrenzt. Diese Aussage würde auch für Drogen wie zum Beispiel Cannabis gelten, käme man zu dem Entschluss, sie zu legalisieren.

Wie hoch die Steuern sein können, ist eine empirische Frage, die von der Größe des potenziellen Marktes, den Kosten für die Vermarktung der Drogen und der Preiselastizität der Nachfrage abhängt, das heißt davon, wie stark die Nachfrage auf kleine Preisveränderungen reagiert.

Die Menge des konsumierten Haschisch könnte also genau wie die Kriminalitätsrate und das daraus resultierende Polizeibudget niedriger sein, und die Steuereinnahmen könnten höher liegen, wenn die Droge wie Alkohol legal, aber hoch besteuert wäre.

Eine Menge Wenn und Aber, werden Sie sagen. Stimmt. Nicht zuletzt deshalb, weil es so schwierig ist, Daten zu beschaffen, können Ökonomen die Vor- und Nachteile der verschiedenen Ansätze nicht allzu gut beurteilen, und die holländischen und Schweizer Experimente werden heiß diskutiert.

Allerdings berücksichtigt die politische Debatte die wirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse nicht in ausreichendem Maß.

Sogar eingefleischte Drogengegner wie ich beginnen zu erkennen, dass die unnachgiebige Haltung des Staates Drogen gegenüber vermutlich dem öffentlichen Interesse widerspricht.

Moralisieren verhindert möglicherweise die Diskussion von sinnvollen Ansätzen. Ein bisschen mehr ökonomischer Pragmatismus könnte Licht in das Dunkel der eingefahrenen Drogenpolitik bringen.

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