Grüne Anlagestrategien sind gerade bei institutionellen Investoren wie Pensionskassen, Versicherungen und Stiftungen gefragt. Nun gibt es immer mehr Online-Portale und Lernplattformen, die Großanleger aufklären und informieren wollen. Denn eine allgemein gültige Definition für nachhaltiges Investment fehlt bisher.
"Ohne einheitlichen Standard kann jedes Unternehmen und jeder Fonds nachhaltige Anlage ein Stück für sich selbst definieren. Damit fehlt die Objektivität, und die Firmenpolitik ist von außen schwer überprüfbar", sagt Fred Wagner, Vorstand am Institut für Versicherungswissenschaft an der Universität Leipzig. Etikettenschwindel werde somit begünstigt. Web-portale können Transparenz schaffen, sofern sie unabhängig und objektiv sind.
Erste Orientierungshilfe für Anleger, besonders im Bereich der Publikumsfonds und Umweltaktien, bieten heimische Plattformen wie www.nachhaltiges-investment.org vom privaten Sustainable Business Institute und das Onlinemedium www.ecoreporter.de. Neben gängigen Nachhaltigkeitsindices stellen sie führende Öko-Ratingagenturen vor und informieren über Marktberichte und relevante Produkte. Wer Aufklärung zu den verschiedenen Anlageklassen, Strategien der grünen Geldanlage sowie ihrer Wirkung sucht, wird beim jüngst vom Forum für nachhaltige Geldanlagen (FNG) veröffentlichten Leitfaden zur nachhaltigen Kapitalanlage für institutionelle Investoren, zugänglich unter www.forum-ng.org, fündig.
FNG ist ein Interessensverband von Banken, Kapitalanlagegesellschaften, Versicherungen, Ratingagenturen und Nichtregierungsorganisationen und engagiert sich für Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft. "Der Impuls für nachhaltige Kapitalanlage muss heute noch vom Investor kommen. Wer das Papier gelesen hat, kennt die Strategie und Produkte und weiß, wonach er den Bankberater fragen soll", sagt Rolf Häßler, Co-Autor des neuen Leitfadens und Geschäftsführer des Instituts für nachhaltige Kapitalanlagen.
Der 27-seitige Ratgeber inklusive Checkliste will Investoren die Vorteile nachhaltiger Kapitalanlage aufzeigen und gibt Entscheidungshilfen zur sauberen Titelauswahl. Dabei werden auch verschiedene Siegel und die hauseigene Auszeichnung vorgestellt. "Investmentgesellschaften, die vom FNG die maximale Auszeichnung haben wollen, dürfen nicht nur in keine Waffenhersteller und andere problematische Geschäfte investieren, sondern müssen weitere umfassende Kriterien erfüllen und eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen", erklärt Häßler. Dazu zählten die Art der Fondsauswahl und Einflussnahme auf Firmen im Fondsportfolio durch Stimmrechtsausübung oder Aktionärsanträge.
Felix Oldenburg, Generalsekretär des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen, kann den FNG-Leitfaden vor allem den vielen kleineren Mitgliedern empfehlen. Laut einer aktuellen Untersuchung des Verbands bezieht fast die Hälfte der 437 befragten Stiftungen mit mehr als einer Million Euro Kapital Nachhaltigkeitskriterien bei ihren Anlageentscheidungen ein. Transparenz über die Wirkung der Geldanlage sei für Stiftungen besonders wichtig. "Wir arbeiten daher mit unabhängigen Ratingagenturen wie Oekom Research oder CSSP zusammen, die Nachhaltigkeitsratings für die individuellen Stiftungsportfolios erstellen", sagt Oldenburg. Die Münchner Oekom zählt zu den führenden Nachhaltigkeitsagenturen.
Nachhaltigkeit als hartes Kriterium in einer Zahl messbar machen will das Frankfurter Fondshaus Arabesque mit dem neu entwickelten Programm S-Ray ( www.arabesque.com). "Alle Investoren bekommen kostenlos Informationen und Transparenz zur Nachhaltigkeit von Einzeltiteln über die Plattform S-Ray. Das Portal berechnet aus einer Vielzahl von Datenquellen Kennzahlen für einzelne Unternehmen und erstellt danach ein Rating", sagt Timo Busch, Professor für Management and Sustainability an der Uni Hamburg. Das recht ambitionierte Ziel der Analyse ist: Moral als Finanzkennzahl zu etablieren.
Mit einer Fehleinschätzung wollen alle Öko-Portale aufräumen. "Das Gerücht, dass nachhaltige Kapitalanlage mit Renditeverlust einhergeht, hält sich hartnäckig im Markt", sagt Busch. Aufgrund ihrer treuhänderischen Verantwortung investieren deutsche Kassen und Versicherungen daher relativ wenig in den Markt. Stark im Kommen sind auch Plattformen, die sich direkt an Finanzvermittler richten. Schließlich müssen sich Bankberater für den erwarteten Nachhaltigkeitsboom rüsten.
Viele Berater kennen sich bei den Themen noch nicht richtig aus
Mit dem Portal www.sustainable-investment.eu will die EU Weiterbildung für nachhaltige Geldanlagen fördern. "Diese Themen sind für Anlageberater häufig immer noch völlig neu, und somit fehlen ihnen die Kenntnisse. Lernplattformen und Infoportale können sie sensibilisieren und sind eine gute Basis", sagt Busch. Die Ausbildung beinhaltet Online- und Präsenzmodule und läuft etwa in Deutschland, Frankreich und Österreich. Für das Zertifikat "Financial Planning Standards Board" liegt die Gebühr bei 425 Euro exklusive Steuer. Das US-Fondshaus Candriam, das rund ein Viertel seines 111-Milliarden-Euro-Vermögens nachhaltig verwaltet, hat jüngst eine Online-Akademie gestartet. Die frei zugängliche Multimedia-Lernplattform www.academy.candriam.com ist bislang allerdings nur auf Englisch und Italienisch verfügbar, eine deutsche Version folgt bei entsprechender Nachfrage.
Das Fazit: Die Ausbildungsseiten machen auf die nachhaltige Geldanlage aufmerksam, können aber nur bedingt qualifizieren. Wer nachhaltige Fonds und Aktien sucht, bekommt auf den Plattformen einen guten Überblick zu den Produkten, der Marktlage sowie Ratingagenturen und Gütesiegeln. Für eine umfassende Qualifizierung brauchen Vermögensverwalter und Banker darüber hinaus weiterführende Lehrgänge, etwa an Universitäten. Voranstehen muss dabei der Prozess der Wertedefinition in der eigenen Einrichtung.
Seitens der Online-Portale bleibt auch noch viel Luft nach oben, das Thema interaktiver und nutzerfreundlicher aufzubereiten. Webangebote, die mit einem Produktvertrieb gekoppelt sind, sollten mit Vorsicht behandelt werden. Die Anzahl der Informationsdienste wird wohl weiterhin steigen. "Richtig Bewegung wird in den Markt erst kommen, wenn das Thema etwa durch gesetzliche Regelungen eine höhere politische Relevanz hat, und Kapitalanlagen, die nicht nachhaltig sind, geächtet werden", sagt Wagner. Anzeichen dafür gibt es. Die EU hat 2016 eine Richtlinie verabschiedet, die Betriebspensionskassen etwa dazu verpflichtet, Informationen wie Klimarisiken und normative Werte bei der Investmententscheidung zu berücksichtigen. Die Umsetzung in nationales Recht läuft.