Wer sich am Neuheitenstand der Biofach 2018 umsieht, der sieht vor allem: Plastik. Aufläufe, Suppen, Salate und Kuchen. Fertiggerichte sind ein großer Trend in der Biobranche. Sie bestehen zwar aus hochwertigen Biozutaten, doch verpackt sind sie zum Großteil genau wie konventionelle Fertiggerichte.
"Uns war es wichtiger, dass das Essen gesund ist, als dass die Verpackung nachhaltig ist", sagt auch Govinda Thaler, Gründer von Lunch Vegaz. Dabei hatte der Anbieter von Fertiggerichten aus Biozutaten anfangs sogar damit geworben, dass Ofenkartoffeln und Thai-Curry ohne Plastik geliefert würden. Verwendet werden sollte Zuckerrohrfaser, doch das Material gab es noch nicht mit Sauerstoffbarriere. Die luftdichte Hülle braucht es, damit die Gerichte auch ohne Pasteurisieren 25 Tage haltbar sind. Also fiel die Wahl auf Plastik. "Einen Rückschlag", nennt es Thaler. "Gäbe es Alternativen, würden wir sie sofort probieren."
"Wir sind noch nicht so weit"
Die Alternativen stecken in der Entwicklung fest. "Wir sind noch nicht so weit", sagt Luca Altenwerth von bio-verpackungspezialist.de. Der Online-Anbieter von biologisch abbaubaren Verpackungen gehört zur Schröder Folienfabrik in Nordrhein-Westfalen. Verkauft werden zum Beispiel Frischhaltebeutel aus Kraftpapier mit Sichtfenster aus Zellulose - für teure 15 bis 20 Cent pro Stück. Doch Altenwerth prophezeit: "Der Markt dreht sich. Irgendwann wird alles auf bio umgestellt."
Solange es noch nicht möglich ist, nachhaltige Verpackungen herzustellen, bleibt der Ansatz, ganz auf Verpackungen zu verzichten. Doch Ute von Buch, Verpackungsspezialistin und Herausgeberin der Zeitschrift creativ verpacken, glaubt nicht, dass die Unverpackt-Bewegung ihre Nische verlassen werde. Die meisten Deutschen fänden das Einkaufen mit selbstmitgebrachten Behältnissen zu unbequem und unpraktisch.
So bleiben die Plastikalternativen, die alle ihre Tücken haben. "Sie werden hier auf der Biofach nicht die superökologische Verpackung finden - die gibt es nicht." Carolina Schweig ist Verpackungsingenieurin und befasst sich seit über 15 Jahren mit nachhaltigen Verpackungen. Sie beklagt, dass Hersteller dieser zu wenig Aufmerksamkeit schenken.
Biokunststoffe, etwa aus Stärke oder Zellulose, sind auf der Biofach kaum vertreten. Den Grund dafür sieht Schweig in deren Nachteilen: Bioplastik ist oft schwerer und verbraucht dadurch mehr Energie in der Herstellung und beim Transport. Werden Kartoffeln und Mais angebaut, um aus ihrer Stärke Biokunststoff herzustellen, bleibt weniger Platz für Pflanzen, die der Ernährung dienen. Und vorgesehen sind solche Stoffe im deutschen Recyclingsystem ebenfalls nicht.
"Diskurs in Hinterhöfen"
Ähnlich problematisch verhält es sich mit beschichtetem Papier und bestimmten Lacken, die es vor der Wiederverwertung zu entfernen gilt. Schweig fordert, dass das bestehende Recyclingsystem mit seinen fünf Kategorien dringend reformiert werden müsste. Ein Patentrezept hat sie nicht, sie wünscht sich, dass der derzeitige "Diskurs in Hinterhöfen" bald zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte wird über die Frage, welche Art von Verpackung eigentlich notwendig ist. Ein erster Ansatz ist das Verpackungsgesetz, das zum 1. Januar 2019 in Kraft tritt und den Herstellern die Teilnahme am dualen Abfallsystem vorschreibt. Doch Vorstöße seitens der Politik, neben den Inhaltsstoffen ökologischer Produkte auch deren Verpackungsmaterialien zu regulieren, gibt es nicht. Bio in unnötig großen Plastikhüllen - das wird wohl noch lange Realität bleiben.
Derweil tüfteln manche Hersteller selbst am besseren Kunststoff. Denn viele treibt das Thema um, auch wenn man es kaum einem Produkt ansieht. Da gibt es zum Beispiel den Joghurtbecher aus dünnem Plastik mit Karton drumherum. Den sollte der Verbraucher abziehen und in den Papiermüll werfen, ehe der Becher in den gelben Sack darf. Doch entweder verstehen das viele Leute nicht oder sie sind zu bequem.
Anbauflächen für Verpackungsmaterial
Zukunftsweisender scheint da der Joghurtbecher der kleinen Biomolkerei Lobetaler aus Brandenburg zu sein. Erst 2010 gebaut, bietet die Molkerei nicht nur Menschen mit Behinderung einen Arbeitsplatz, sondern ist auch dabei, einen "Superbecher" zu entwickeln. Der ist etwas stabiler als die konventionelle Konkurrenz und hat einen entscheidenden Vorteil, den man ihm nicht ansieht und der auch nicht groß beworben wird: Er besteht aus einem Gemisch aus Kunststoff und Talkum, so dass der Plastikanteil um 50 Prozent reduziert werden konnte. Reinhard Manger, Leiter der Molkerei, ist damit aber noch nicht zufrieden. Er würde den konventionellen Kunststoff gern durch Bioplastik ersetzen, so dass der Becher komplett kompostierbar ist. Die Rohstoffe sollten möglichst auf einem Feld in der Nähe der Molkerei wachsen.
"Ich bin ein Verfechter von regionalen Stoffkreisläufen", sagt Manger und führt seine Vision noch weiter: Jeder Bioproduzent sollte eines Tages auch Anbauflächen für seine Verpackungsmaterialien zur Verfügung stellen müssen. Nicht nur der Inhalt, auch die Verpackung wäre dann echt bio.