Ökobranche: Bionade:Der David unter den Getränken

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Das Kultgetränk Bionade ist ein Paradebeispiel für den rasanten Aufstieg der Ökobranche. Nun muss sich die Firma auf dem Massenmarkt behaupten.

Uwe Ritzer

Für einen neuen Geschmack hatte Peter Kowalsky jahrelang keine Zeit. "Ich war so mit dem Wachstum unserer Firma beschäftigt, dass ich dafür absolut keinen Kopf frei hatte", sagt der Geschäftsführer und Inhaber der Firma Bionade. Dann aber hat er doch mit Mitarbeitern und Marktstrategen experimentiert und probiert.

2008 stagnierte der Umsatz - Kritiker sagen, das liege an der starken Preiserhöhung. (Foto: Foto: dpa)

An diesem Donnerstag, zum Start der weltgrößten Öko-Messe Biofach (19. bis 22. Februar) in Nürnberg, wird das Unternehmen aus der bayerischen Rhön die fünfte Geschmacksrichtung seiner Biolimo präsentieren. Sie soll nach Quitte schmecken und Kowalsky hofft, damit die Erfolgsgeschichte des Familienunternehmens aus dem kleinen fränkischen Dorf Ostheim fortsetzen zu können.

Rasanter Aufstieg

Kaum eine Firma aus der Biobranche hat sich in den vergangenen Jahren so rasant entwickelt wie Bionade. 20 Millionen Flaschen des fruchtigen Erfrischungsgetränkes verkaufte Kowalsky 2005. Zwei Jahre später war es bereits zehnmal so viel. Aus dem winzigen Betrieb in der Provinz wurde in kurzer Zeit ein international agierendes Unternehmen mit 200 Beschäftigten.

Bionade ist mehr als nur ein spektakulärer Aufsteiger. Das Unternehmen ist ein Symbol dafür, wie sich die Biobranche in den vergangenen Jahren entwickelt hat: weg vom angestaubten Image der Öko-Laden-Szene der grünen Bewegung in die Mitte der modernen Gesellschaft, in die Szene-Gastronomie und die Wohnviertel der Besserverdienenden. Wie inzwischen auch andere Öko-Produkte steht Bionade nicht nur für die Lehre vom gesunden Leben im Einklang mit der Natur, sondern mehr noch für einen bewussten Lebensstil.

Der rasante Aufstieg von Bionade zum Trendsetter war Mitte der neunziger Jahre so nicht absehbar. Trist und heruntergekommen lag die Brauerei "Peter-Bräu" an einem Ortsende von Ostheim vor der Rhön. Das Unternehmen von Peter Kowalskys Familie taumelte seinem Ende entgegen. Der Bierverkauf warf immer weniger ab, zu wenig jedenfalls, um die dringend notwendige Modernisierung der Brauerei finanzieren zu können.

Kein Alkohol, sondern Fruchtsäure

Doch Kowalskys Stiefvater, der Diplom-Braumeister Dieter Leipold, hatte eine fixe Idee. Er tüftelte an einer gesunden Limonade, die nicht wie üblich aus verschiedenen Zutaten gemischt, sondern mit Hilfe von Mikroorganismen wie Bier gebraut wird. Leipold entwickelte ein völlig neuartiges und inzwischen patentiertes Verfahren, das auf einem solchen Fermentationsprozess beruht. Aus Kombucha-Pilzen gewonnene Bakterienstämme wandeln dabei Zucker nicht in Alkohol, sondern in Fruchtsäure um.

"Wir setzten damals alles auf diese eine Karte", sagt Peter Kowalsky. "Wir wussten, dass wir nur diesen einen Schuss haben." Er traf, aber erst mit einiger Verzögerung. In den Anfangsjahren tourten Kowalsky und seine Mutter übers Land und boten ihre Bionade Getränkegroßhändlern, Gastronomen, Fitnessclubs und Kliniken wie sprichwörtliches Sauerbier an. Die Resonanz hielt sich in Grenzen.

Dann landete die Bionade durch allerhand Zufälle in der "Gloria-Bar", einem In-Treff von Designern, Werbeleuten und Journalisten in Hamburg. Die Szene entdeckte das Getränk für sich und die Begeisterung schwappte auch in andere Großstädte über. Die Medien stürzten sich plötzlich auf den David aus der Provinz, der sich anschickte, die Goliaths der Getränkeindustrie zumindest ein bisschen zu ärgern.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie sich Bionade noch besser auf dem Markt platzieren möchte.

"Bionade ist ein Paradebeispiel dafür, dass der Markt funktioniert", sagt Werner Witting, Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke. Soll heißen: "Es kann einer aus kleinsten Anfängen ganz groß werden." Kowalsky und seine Familie hätten mit ihrer Bionade "ein Erfolgsprodukt etabliert, das heute viele schlagen wollen."

Man könnte auch sagen: Bionade hat überhaupt erst einen Markt für Öko-Erfrischungsgetränke geschaffen. Wenn auch einen verhältnismäßig kleinen. Gemessen am Gesamtmarkt lag der Anteil alkoholfreier Bio-Getränke bei 1,1 Prozent vom Gesamtumsatz, und was die verkaufte Menge angeht gar nur bei 0,3 Prozent. Für 2008 gibt es noch keine verlässlichen Zahlen. Die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreier Getränke rechnet jedoch damit, dass dieses Marktsegment in den kommenden Jahren deutlich wachsen wird.

Stagnierender Umsatz 2008

Peter Kowalsky merkt es daran, dass die Zahl seiner Konkurrenten stetig wächst. In zahlreichen Prozessen ficht er inzwischen gegen andere Öko-Drinks an, die nicht selten so ähnlich heißen wie Bionade. Doch daran lag es nicht, dass der Bionade-Umsatz 2008 gemessen am Vorjahr stagnierte. Kritiker sagen, daran sei Kowalsky selbst schuld. Mitte vergangenen Jahres hob er den empfohlenen Ladenpreis pro 0,33-Liter-Flasche von 59 auf 79 Cent an.

Das ließ den Absatz zeitweilig deutlich absacken. "Es war unsere erste Preiserhöhung überhaupt", rechtfertigt sich der Unternehmer. "Und im übrigen brauchen wir das Geld, um weiterwachsen zu können." Im Inland sollen dabei großangelegte Werbeaktivitäten helfen, hinzu kommt die Erschließung ausländischer Märkte.

Seit kurzem gibt es Bionade auch in den drei amerikanischen Metropolen New York, Los Angeles und San Francisco zu kaufen. Auch in Europa will man wachsen. Die strategische Methode soll überall dieselbe sein. Bionade soll vom Szenegetränk und Geheimtipp zum Massengetränk werden. Diese Rechnung wird jedoch nur aufgehen, wenn möglichst viele Medien das Kultgetränk zu einem solchen erklären und darüber berichten. "So etwas dauert", sagt Kowalsky. "Man braucht einen langen Atem von drei bis vier Jahren, bis sich das in ersten Erfolgszahlen niederschlägt."

Auf dem Land noch weiße Flecken

Bionade zum Massengetränk zu machen, daran arbeitet Peter Kowalsky auch hierzulande ganz energisch. In den Großstädten ist es mittlerweile überall zu haben, aber auf dem flachen Land gibt es noch allerhand weiße Flecken auf der Vertriebskarte. Dafür gibt es die Öko-Limo inzwischen bei der Cafe-Kette Starbucks und bei McDonald's, in ICE-Bistros und beim Möbelhändler Ikea. Vor allem die Kooperation mit Fastfood-Ketten hat viele Verfechter der reinen Öko-Lehre vor den Kopf gestoßen und dementsprechend Kritik an Kowalsky hervorgerufen.

Doch auch hier spricht vieles dafür, dass er mit seiner Bionade ein Vorreiter für eine Entwicklung ist, welche die gesamte Biobranche erfassen wird. Immer mehr Marken mit dem sechseckigen EU-Biosiegel finden sich inzwischen in Supermärkten und bei Discountern der einschlägigen Handelsketten.

Der Erfolg von Bionade reißt nicht ab

Der Bio-Boom wird nicht mit der Finanzkrise enden, sagen viele Experten. Momentan gibt es dafür zumindest nicht das geringste Anzeichen, auch wenn sich das Wachstum der Biolebensmittelbranche im vergangenen Jahr etwas verlangsamt hat. Es spricht auch nichts dafür, dass die Erfolgsgeschichte der Bionade aus Ostheim so schnell zu Ende gehen wird.

"In diesem Jahr wollen wir 220 bis 230 Millionen Flaschen Bionade verkaufen", kündigte Peter Kowalsky an, den Großteil davon in Deutschland. Die neue Geschmacksrichtung Quitte soll dabei helfen. Außerdem gebe es auch in Zeiten von Finanzkrise und Rezession eine genügend große zahlungskräftige Klientel, die beim Einkauf nicht auf jeden Cent schauen müsse, sagt Peter Kowalsky.

"Vielleicht liegt in der Krise ja auch eine Chance", sinniert der 40-jährige gelernte Braumeister. Dahingehend, "dass die Menschen wieder bewusster auf Qualität achten und nicht mehr so sehr auf Masse und Billigpreise." Darauf setzt nicht nur die Firma Bionade, sondern die gesamte Biobranche.

© SZ vom 19.02.2009/iko/pak - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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