Mobilität:"Das wäre das Ende der Straßenbahn"

Fahrerassistenzsysteme werden getestet

Ein Känguru springt in einer Computersimulation vor ein fahrendes Auto: Wissenschaftler der Hochschule Kempten testen Fahrerassistenzsysteme mittels Computersimulationen.

(Foto: dpa)

Wenn in einigen Jahren autonome Autos durch die Städte rollen, soll dies das Leben entspannter machen. Doch der Verkehr dürfte deutlich zunehmen - und der öffentliche Nahverkehr ein Problem haben.

Von Thomas Fromm

Elon Musk denkt oft schon mal ein paar Schritte im Voraus. Vor Kurzem zum Beispiel referierte der Chef des Elektroautobauers Tesla über das Leben in autonomen Autos. Dabei stellt er nicht nur in Aussicht, dass man da demnächst Youtube und Netflix streamen könne, wenn, so Musk, "das Auto nicht mehr fährt". Viel spannender war, was er danach sagte: "Wenn die Aufsichtsbehörden die vollständige Selbststeuerung genehmigen, aktivieren wir das Video während der Fahrt."

Entspannt zurücklehnen, netflixen, während sich das Auto autonom durch den Großstadtdschungel kämpft - das klingt nach einem guten Plan! Wobei Netflix hier natürlich nur eine Art Metapher sein soll für einen neuen Lebensstil beim Fahren. Der ganz große Traum: Wenn eines Tages das so genannte Level 5, die fünfte und höchste Ebene des assistierten Fahrens erreicht sein wird, spielt der Fahrer keine Rolle mehr.

Es gibt kein Lenkrad - warum auch, der Fahrer ist ja kein Fahrer mehr, sondern einfach nur noch ein Passagier. Er kann lesen, Mails beantworten, Spiele spielen, oder eben Serien schauen. Anders als bei den vorherigen Stufen, dem Level 4, dem sogenannten vollautomatisierten Fahren, das gerade von Herstellern und Technologieunternehmen getestet wird: Hier kann der Fahrer jederzeit eingreifen und übernehmen. Oder beim Level 3, bei dem der Fahrer noch jederzeit intervenieren können muss, aber zwischendurch andere Dinge machen kann. Mit der fünften Stufe soll also alles anders werden auf den Straßen, sicherer und entspannter.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Mobilitätsforscher der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Deloitte haben in einer Studie untersucht, wie es im Jahre 2035 in unseren Städten aussehen könnte, und die Ergebnisse sind überraschend. Erstens: Jede dritte Strecke wird dann mithilfe autonomer Fahrdienste zurückgelegt. Zweitens: Diese selbstfahrenden Dienste werden nur noch halb so viel kosten wie der öffentliche Personennahverkehr. Aus Punkt eins und zwei ergibt sich dann Punkt drei: Das Verkehrsaufkommen dürfte wegen der vielen Robotaxis um bis zu 40 Prozent steigen.

"Es werden viel mehr Fahrzeuge auf der Straße sein, die genutzt und nicht geparkt werden"

Dabei hatte man doch eigentlich gedacht, dass es weniger Autos geben wird. Gibt es wohl auch, aber die, die es gibt, werden ständig im Umlauf sein, der Verkehr wird also zunehmen. "Es werden viel mehr Fahrzeuge auf der Straße sein, die genutzt und nicht geparkt werden", glaubt Deloitte-Partner und Studienautor Thomas Schiller. "Damit haben Sie ein noch höheres Verkehrsaufkommen auf den Straßen als heute. Dazu kommt eine stärkere Vermischung der Verkehrsteilnehmer - autonom und nicht autonom." 20 Prozent weniger Fahrzeuge in der Stadt, gleichzeitig bis zu 40 Prozent mehr Verkehr. Schöne neue Autowelt.

Mehr Staus dürften dann der Preis dafür sein, wenn Fahrdienstleister mit autonom fahrenden Taxi-Flotten zuerst den Privat-Pkw, später dann wohl auch Straßenbahnen und Busse von den Straßen fegen. "Weil die Auslastung beim Robotertaxi höher und die Nutzung effizienter ist, sind Fahrten 25 Prozent günstiger als mit dem eigenen Auto", heißt es in der Deloitte-Studie. Und: "Nutzer autonomer Shuttles zahlen die Hälfte des Preises eines ÖPNV-Tickets - bei deutlich mehr Komfort."

Autonome Taxis kämen der Studie zufolge auf einen Preis von 34 Cent pro Kilometer, autonome Shuttles auf 15 Cent. Das wären wahrscheinlich unschlagbare Preise. Eine Lösung, so die Studienautoren: Klassische Straßenbahntrassen könnten dann nur noch für autonome Fahrzeuge zugelassen werden. "Das wäre das Ende der Straßenbahn", sagt Schiller. "Aber Sie hätten über Sammeltaxis die gleiche Funktionalität. Mit dem Vorteil, dass sie keinen festen Fahrplan haben, nach dem Sie sich richten müssen."

"Wie mache ich das dann, als einzelner Autofahrer unter all den autonomen Autos?"

Weil dieses große Versprechen auf die bequeme und günstige Zukunft des Fahrens so süß ist, arbeiten gerade alle daran. Die Google-Schwester Waymo, von der viele sagen, dass sie technologisch vorne liege, zeigt bei der Frankfurter IAA in diesen Tagen, wie man mit auf dem Auto installierten Modulen autonome Autos durch den Verkehr schleust. Die US-Fahrdienstvermittler Uber und Lyft planen groß, VW kooperiert mit Ford, BMW mit Daimler, Toyota mit Suzuki. Auch die Autokonzerne wollen gerne vorne mitspielen, wenn es in einigen Jahren losgeht.

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(Foto: Arthur C. Bade)

Doch mit den Autos dürfte sich auch das Geschäftsmodell der Hersteller massiv verändern. Fahrzeuge, die bis zum Dach voller Kameras und Sensoren, mit Minicomputern voller Algorithmen und künstlicher Intelligenz gespickt sind, dürften nicht nur mehr, sondern viel mehr kosten als herkömmliche Autos. Roboterautos werden daher wohl lange Zeit erst mal nur als Flottenfahrzeuge eingesetzt, eben als Robotertaxis in Städten. Die Autohersteller wissen das. Sie werden kaum, wie es kritische Pessimisten behaupten, verschwinden. Aber sie müssen damit rechnen, dass es nicht mehr der Privat-Pkw ist, der in erster Linie ihr Geschäft ausmacht.

Auch deshalb haben Daimler und BMW - im Autohaus sind sie immer noch kalt kalkulierende Rivalen - ihre Mobilitätsdienstleister Car2go und Drive Now zu Share Now zusammengelegt. Carsharing, Mitfahrdienste und ähnliche Dienstleistungen künftig aus einer Hand - das ist schon mal ein gemeinsamer Anfang. Auch Volkswagen will nicht mehr nur Autohersteller, sondern auch Mobilitätsanbieter sein. Unter der Marke Moia bieten die Wolfsburger Dienstleistungen wie Carsharing oder Mitfahrdienste mit Kleinbussen an - ausgerechnet der größte Autobauer der Welt bereitet seine Kunden also schon mal auf das Leben ohne eigenes Auto vor. Irgendwann, so hoffen alle, werden diese Flotten nicht einmal mehr einen Fahrer brauchen.

Wer autonome Fahrdienstflotten betreibt, kann damit auf bis zu 16,7 Milliarden Euro Umsatz kommen. "Das ist ein Sechstel des Umsatzes, den Fahrzeughersteller heute mit dem Verkauf von Neuwagen in Deutschland erwirtschaften", sagt Schiller. Und was wird dann aus dem eigenen Auto? Es dürfte irgendwann zu einem sehr auserlesenen Hobby werden. "Es wird nicht ganz aussterben, aber es wird eher eine Nische sein", glaubt Schiller. "Die Frage ist nur: Wie mache ich das dann, als einzelner Autofahrer unter all den autonomen Autos?" Gute Frage. Es dürfte jedenfalls erst einmal unübersichtlich werden im Straßenverkehr. Was eher dafür spräche, sich Netflix-Serien zu Hause statt im Tesla anzuschauen.

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