Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) unternimmt einen neuen Anlauf, um die Verbreitung von Tarifverträgen zu fördern und die Rechte von Gewerkschaften in Unternehmen zu stärken. Dies geht aus einem Gesetzentwurf seines Ministeriums hervor, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Demnach darf der Bund öffentliche Aufträge künftig grundsätzlich nur noch an Unternehmen vergeben, die mindestens Tariflöhne zahlen. Heil hatte bereits im Mai vergangenen Jahres einen Entwurf für ein „Bundestariftreuegesetz“ vorgelegt, dieser war jedoch durch Meinungsverschiedenheiten in der Ampel-Koalition ausgebremst worden, insbesondere von der FDP.
Im Juli hatte die Koalition einen Maßnahmenkatalog beschlossen, um die stagnierende Wirtschaft in Gang zu bringen. Als Teil dieser „Wachstumsinitiative“ hatten SPD, Grüne und FDP ihre Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag bekräftigt, die Tariftreue gesetzlich zu stärken. Dies soll der Gesetzentwurf von Heil nun umsetzen.
Der Bundesarbeitsminister hat im Vergleich zu seinem Entwurf vom Mai 2023 Regelungen hinzugefügt. Der ursprüngliche Gesetzentwurf umfasste Aufträge des Bundes ab einer Summe von mindestens 10 000 Euro, die neuen Pläne setzen die Schwelle nun bei 25 000 Euro an, es sind also weniger Aufträge betroffen. Die Vorgaben umfassen neben dem Tariflohn zum Beispiel auch einen bezahlten Mindestjahresurlaub und Höchstarbeitszeiten.
Ein möglicher Streitpunkt bei diesen Vorgaben ist, welcher Tarifvertrag als Maßstab dienen soll, wenn in einem Unternehmen mehrere Tarifverträge gelten. Hier sollen bei Meinungsverschiedenheiten Vertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften zu einer Einigung kommen. In Streitfall sollen beide Seiten eine Stellungnahme abgeben, auf deren Basis dann das Arbeits- und das Wirtschaftsministerium entscheiden. Auch dieses Verfahren hatte Heil neu in den Gesetzentwurf aufgenommen.
Hintergrund der Pläne ist die Entwicklung, dass immer weniger Beschäftigte in Deutschland im Rahmen eines Tarifvertrages arbeiten. Der DGB fordert seit Jahren ein Tariftreuegesetz. Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi forderte am Montag: „Jetzt muss die Bundesregierung ihr grundlegendes Versprechen zur Tariftreue schnell beschließen.“ Der FDP-Mittelstandspolitiker Carl-Julius Cronenberg erklärte, seine Partei werde „genau prüfen, dass kleine und mittlere Unternehmen nicht von Vergabeverfahren ausgeschlossen würden“.
Heil hat zudem weitere Anliegen seines Hauses in den Gesetzentwurf schreiben lassen. So sollen Gewerkschaften die Beschäftigten im Betrieb nicht nur persönlich, sondern auch digital ansprechen dürfen. Hierzu sollen sie mit ihnen „über die digitalen, im Betrieb verwendeten Kommunikationskanäle in den Austausch treten“, über ihre Arbeit informieren und Mitglieder werben können. Damit will Heil auf die Entwicklung reagieren, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zunehmend einzeln und abseits des Betriebes arbeiten, etwa im Home-Office – und deshalb zuvorderst über digitale Kanäle ansprechbar sind. Die großen Gewerkschaften verlieren seit Jahren Mitglieder.
Zudem will Heil sicherstellen, dass bei einer Ausgliederung von Betrieben innerhalb eines Konzerns für die Beschäftigten weiterhin der vereinbarte Tarifvertrag gilt. Einige Unternehmen hatten sich in der Vergangenheit auf diesem Weg aus dem Tarifvertrag verabschiedet. Der Gesetzentwurf soll nun garantieren, dass in solchen Fällen die Betriebe dauerhaft an die tariflichen Regeln gebunden sind.