Süddeutsche Zeitung

Öffentlich-private Partnerschaft im Straßenbau:Eher teurer als billiger

Schneller, effizienter, günstiger sollte es werden, wenn private Firmen Straßen bauen. Nichts davon trat ein, hält der Bundesrechnungshof nun Verkehrsminister Dobrindt vor. Und das ist nicht die einzige Sorge der obersten Kassenhüter.

Von Michael Bauchmüller und Daniela Kuhr, Berlin

Wenn Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt in die Ferne schaut, dann sieht er vor allem eins: beklemmende Enge. 39 Prozent mehr Lastwagen auf den Autobahnen, zehn Prozent mehr Autos. Das ist die Prognose für den Straßenverkehr, die Dobrindt am Mittwoch vorstellte. Es brauche besser ausgebaute Fernstraßen und Autobahnen, schloss der CSU-Politiker messerscharf, ergo mehr Geld. Aber woher nehmen, wenn nicht stehlen?

Eines der bevorzugten Instrumente deutscher Verkehrsminister ist seit einigen Jahren die "öffentlich-private Partnerschaft", kurz ÖPP. Auch Dobrindt schwärmt davon: Weil die Haushaltsmittel nicht ausreichten, "müssen wir uns alternativen Finanzierungsmodellen widmen", sagt er.

Bei ÖPPs schreibt der Bund den Bau eines Streckenabschnitts aus, und Baufirmen können sich bewerben. Allerdings sind die dann nicht nur für den Bau, sondern auch für den Betrieb der Strecke zuständig. Und anders als bei bisher üblichen Projekten werden die Firmen auch nicht direkt bezahlt, sondern nur scheibchenweise: Auf Jahre hin werden sie am Erlös der Autobahn beteiligt, etwa an deren Einnahmen aus der Lkw-Maut. Der Bund gibt lediglich eine Anschubfinanzierung.

Durch diese Art Zusammenarbeit zwischen Bund und Privaten könnten "Synergien entstehen, die zu einer deutlich schnelleren Projektabwicklung führen", wirbt das Ministerium. "Gleichzeitig erweist sich die Ausführungsqualität als überdurchschnittlich." Im Übrigen werde so wirtschaftlicher gebaut.

Ein Irrtum?

Womöglich ein Irrtum auf ganzer Linie. Vorige Woche flatterte im Bundesverkehrsministerium ein Bericht des Bundesrechnungshofs ein, und der lässt von den hohen Erwartungen wenig übrig. Fünf der sechs bisher schon vergebenen Projekte untersuchten die Rechnungsprüfer des Bundes, vor allem mit Blick auf deren Wirtschaftlichkeit. So sei die Annahme des Verkehrsministeriums, die Privatprojekte seien bis zu 40 Prozent günstiger zu haben, "nicht plausibel". Und dann: "Vielmehr haben Berechnungen des Bundesrechnungshofs zu fünf der sechs bereits vergebenen Projekte ergeben, dass allein diese um insgesamt über 1,9 Milliarden Euro teurer sind, als es eine konventionelle Realisierung gewesen wäre." Die bisherigen Projekte seien schlichtweg unwirtschaftlich.

Anschauungsmaterial gibt es schon reichlich, denn der Bund erprobt seit 2007 verschiedene Finanzierungsmodelle. Seit 2010 etwa ist ein Konsortium großer Baufirmen für den Betrieb und die Erhaltung von Teilen der A 8 zwischen Augsburg und München verantwortlich, inklusive 37 Kilometer Ausbau. Auch entlang der Autobahnen A 1, A 4 und A 5 wurden und werden Abschnitte auf diese Weise ausgebaut und unterhalten. Zwischen Berlin und München entsteht per ÖPP gerade ein dreispuriger Abschnitt der A 9, wo vorher eine Rumpelstrecke war.

Hauptgrund für die mangelnde Wirtschaftlichkeit sind nach Auffassung des Rechnungshofs die unterschiedlichen Finanzierungsbedingungen. So könne sich der Bund weitaus günstiger verschulden als eine private Baufirma, erst recht angesichts der niedrigen Zinsen bei Staatsanleihen im Gefolge der Finanzkrise.

Obendrein müssen die privaten Bauherren Risikoaufschläge hinnehmen, etwa dann, wenn ihre späteren Einnahmen vom Verkehrsaufkommen abhängen - und das wiederum lässt sich nur grob abschätzen. Um vier Prozent lägen die Zinsen der Privatfirmen derzeit über jenen, die der Bund zu zahlen hat.

Qualität?

Das Verkehrsministerium weist die Kritik zurück. Hochbelastete Autobahnstrecken könnten dank ÖPP früher ausgebaut werden, als wenn man warte, bis ausreichend Haushaltsmittel zur Verfügung stünden, sagte ein Sprecher. Da die Projekte zudem bisher stets früher als vereinbart fertig geworden seien, hätten sie dem Personen- und dem Güterverkehr auch "früher und leistungsfähiger" zur Verfügung gestanden. Dadurch seien sowohl die Stau- als auch die Unfallgefahr gemindert worden, sagte er. Zudem dürften die Baukosten eines ÖPP-Projekts nicht isoliert betrachtet werden. Nur wenn man den gesamten Lebenszyklus einer Strecke in den Blick nehme, also einerseits die Kosten für Bau, Betrieb und Erhaltung sowie andererseits den Nutzen des Projekts berücksichtige, entstehe "ein gesamtheitliches Bild".

Allerdings macht der Bundesrechnungshof bei der Wirtschaftlichkeit nicht halt. Auch die Qualität der ÖPP, laut Verkehrsministerium "überdurchschnittlich", sei nicht überall so wie ursprünglich vereinbart, bemängeln die Prüfer. An einzelnen Strecken hätten Baufirmen dem Bund deshalb Kompensationen zahlen müssen. Auch technische Innovationen hätten die Projekte kaum gezeitigt - schon wegen der engen Bauvorgaben. Einzig bei der Bau-Geschwindigkeit hätten die Firmen Wort gehalten - allerdings könne das auch eine öffentliche Verwaltung hinbekommen, "bei einer angemessenen Personal- und Finanzausstattung", heißt es in dem Bericht.

Offenbar treibt die obersten Kassenhüter aber auch noch eine ganz andere Sorge um: Der Umweg über die öffentlich-privaten Konstrukte könnte Bund und Länder dazu verführen, viel mehr zu bauen, als sie sich eigentlich leisten können. Ehe weitere Autobahnen so finanziert würden, müsse erst geklärt werden, "wie Fehlanreize in Bezug auf die Schuldenregel vermieden werden können", warnt der Rechnungshof. "Ziel muss es sein, dass die Schuldenbremse keinen Einfluss auf die Entscheidung hat, ob eine Maßnahme als ÖPP-Projekt oder konventionell realisiert wird." Und solange sich die Finanzierungskonditionen von Bund und Privaten nicht wieder annähern, solle das Ministerium auf derlei Projekte gleich ganz verzichten.

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SZ vom 13.06.2014/fie/rus
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