Ungleichheit nimmt zu
Die Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland wächst - und das schlägt sich aufs Wirtschaftswachstum nieder. Zu diesem Schluss kommt eine Untersuchung der Industriestaaten-Organisation OECD ( PDF). Demnach ist die Ungleichheit hierzulande heute größer als vor 30 Jahren: Verdienten die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung Mitte der 1980er-Jahre fünf Mal so viel wie die ärmsten zehn Prozent, liege das Verhältnis heute bei sieben zu eins, heißt es in dem Papier.
Ungleichheit kostet Deutschland Wachstum
Und diese Entwicklung kostet die Gesellschaft viel Geld, weil die höhere Einkommensungleichheit auch die die wirtschaftliche Entwicklung hemme. So sei das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Deutschland sei zwischen 1990 und 2010 inflationsbereinigt um etwa 26 Prozent gewachsen. Wäre die Ungleichheit auf dem Niveau von Mitte der achtziger Jahre verharrt, hätte das Plus dagegen um fast sechs Prozentpunkte höher ausfallen können, schätzt die OECD. Hauptgrund dafür sei, dass Ärmere in der Regel weniger in Bildung investieren. Kinder aus sozial schwächeren Familien hätten daher weniger Bildungschancen. "Wachsen und gedeihen werden vor allem jene Länder, die alles daran setzen, dass ihre Bürger von klein auf gleiche Chancen haben", heißt es in der Untersuchung.
Lebenseinkommen im Generationenvergleich:Ungleichheit hat sich verdoppelt
Erstmals untersucht eine Studie, wie sich Gehälter deutscher Arbeitnehmer über eine ganze Karriere lang entwickeln. Sie zeigt: Die zunehmende "Spreizung" der Löhne trifft die Generation nach den Babyboomern hart - vor allem Geringverdiener.
Politik sollte gegensteuern
Die OECD fordert die Politik daher zum Gegensteuern auf. "Unsere Analyse zeigt, dass wir nur auf starkes und dauerhaftes Wachstum zählen können, wenn wir der hohen und weiter wachsenden Ungleichheit etwas entgegensetzen", sagte Generalsekretär José Ángel Gurría. "Der Kampf gegen Ungleichheit muss in das Zentrum der politischen Debatte rücken."
Steuern sind nicht per se schlecht fürs Wachstum
Dabei sei eine Umverteilung von oben nach unten mittels Steuern und Transfers nicht zwangsläufig wachstumsschädlich - solange entsprechende Maßnahmen zielgenau angewandt werden. Eine solche Verteilungspolitik müsse sich vor allem auf Familien mit Kindern sowie auf junge Menschen konzentrieren und deren Lernchancen verbessern, hieß es.
Im Frühjahr war der Internationale Währungsfonds in einer Studie zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen ( PDF). Die Ökonomen hatten gewarnt, dass zu hohe Ungleichheit das Wachstum behindern könnte.
Gewerkschaftsnahe Studie:Reiche sind viel vermögender als gedacht
Wie gerecht ist Deutschland? Die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen könnte deutlich stärker zugenommen haben, als Forscher bisher ausgerechnet haben.
Unterstützung für die Kritiker
Mit ihren Befunden stützt die OECD jene, die schon seit längerem die wachsende Ungleichheit in Deutschland geißeln. So kritisierte das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung im Juni, dass der deutsche Niedriglohnsektor einer der größten in der EU sei. "Deutschland hat in den letzten beiden Jahrzehnten ein Maß an Ungleichheit erreicht, das sowohl sozial als auch wirtschaftlich hochproblematisch ist", sagte der Direktor des IMK, Gustav Horn, damals.