OECD-Studie:Lange Arbeitslosigkeit ist gefährlich

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Kunden warten vor einem Arbeitsamt in Madrid. In vielen Ländern Europas ist die Beschäftigungslage zuletzt besser geworden. (Foto: Andrea Comas/Reuters)

Die Beschäftigung in Europa wächst, nur nicht in Griechenland. Dort ist die Lage der Jugendlichen dramatisch.

Von Alexander Hagelüken, München

Die Organisation OECD warnt vor den langfristigen Folgen von Arbeitslosigkeit. "Die Zeit läuft davon, um zu verhindern, dass Millionen Arbeitnehmer am unteren Ende der Wirtschaft gefangen bleiben", schreibt die Denkfabrik der Industriestaaten in einem neuen Report. In den 34 OECD-Staaten waren im Mai 42 Millionen Menschen arbeitslos, zehn Millionen mehr als vor Ausbruch der Finanz- und Euro-Krise 2007. In den meisten Staaten gehe die Arbeitslosigkeit zurück, aber die Erholung sei noch längst nicht geschafft.

Politisch brisant ist die Vorhersage, dass die wirtschaftliche Notlage in Griechenland unvermindert anhalten wird. Die Arbeitslosigkeit werde in dem Land auch Ende nächsten Jahres bei etwa 25 Prozent liegen, kaum niedriger als zur Zeit. Deutlich sind die Unterschiede zu anderen Industriestaaten, die sich langsam von der Finanz- und Eurokrise erholen. Während im OECD-Schnitt der Anteil der Beschäftigten an der Bevölkerung wieder fast so hoch ist wie vor Ausbruch der Finanzkrise 2007, ist er in Griechenland viel niedriger. Die Arbeitslosenrate bleibt mehr als dreimal so hoch wie vor Ausbruch der Krise.

Positiver ist das Bild in anderen Krisenländern: Laut Studie schrumpft die Arbeitslosenrate in Spanien bis Ende nächsten Jahres von knapp 25 auf gut 20 Prozent. Der Durchschnitt der Industriestaaten liegt bei nur etwa sieben Prozent.

In Griechenland hat die Jugendarbeitslosigkeit mit 50 Prozent "dramatische Ausmaße" erreicht. Die OECD hält aber nicht nur die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland, Spanien und Italien für gefährlich. Sie findet auch den starken Anstieg der Zahl junger Leute bedenklich, die ganz vom Radar verschwinden: Sie haben weder einen Job noch sind sie in einer Ausbildung oder Qualifizierungsmaßnahme. Eine solche Situation in den ersten Berufsjahren hat laut Studie gravierende Folgen. Demnach hängt der gesamte berufliche Lebensweg stark davon ab, wie die ersten zehn Jahre des Arbeitslebens verlaufen.

In den Industriestaaten gibt es inzwischen 16 Millionen Langzeitarbeitslose, drei Viertel mehr als vor der Krise. Die Hälfte von ihnen sind sogar mehr als zwei Jahre ohne Stelle. Die OECD betont das Risiko, dass diese Gruppe dem Arbeitsmarkt entfremdet wird: Vor allem durch die Entwertung der erworbenen Qualifikationen und den Frust, der die Motivation reduziert. Es gebe in den südeuropäischen Staaten Anzeichen dafür, dass sich der konjunkturbedingte Anstieg der Arbeitslosigkeit verfestige und viel schwerer zu korrigieren sei als in anderen Zeiten. Die Langzeitarbeitslosigkeit ist einer der wenigen Bereiche, in denen Deutschland nicht so gut dasteht: Fast jeder zweite Arbeitslose sucht schon länger als ein Jahr nach Arbeit, mehr als im OECD-Schnitt und doppelt so viel wie in den USA.

Insgesamt haben die Krisen das Leben vieler Menschen verändert. Viele, die ihren Job in der Fabrik oder am Bau verloren, müssen sich komplett umstellen: Sie brauchen neue Qualifikationen, um einen Dienstleistungsjob zu finden, sonst landen sie im Abseits. Die Krise verschärft laut OECD den Trend, dass es für Beschäftigte mit geringen Qualifikationen seit längerem schwer ist, etwas anderes als Niedriglohnjobs zu finden. Wenn sich die Situation nicht verbessere, werde die Krise zu einer dauerhaften Vergrößerung der Ungleichheit führen, die schon vor der Krise in vielen Industriestaaten einen Rekord erreicht habe.

Die Autoren fordern die Regierungen auf, nicht nur für eine bessere Qualifikation der Arbeitnehmer zu sorgen, sondern auch für höhere Einkommen von Niedrigverdienern. In diesem Zusammenhang sind die Aussagen zum Mindestlohn interessant, den Deutschland im Januar als 26tes von 34 OECD-Staaten eingeführt hat. Ein angemessener Mindestlohn habe kaum negative Folgen auf die Beschäftigungslage. Die deutsche Lohnuntergrenze von 8,50 Euro entspricht ungefähr dem Durchschnitt aller Industriestaaten, obwohl Deutschland deutlich mehr boomt und reicher ist als viele andere Länder.

Die Studie kritisiert, dass der Versuch, durch den Mindestlohn Armut zu vermeiden, durch hohe Steuern und Abgaben konterkariert werde. In der Bundesrepublik sei die Lohnungleichheit "relativ hoch", was teils daran liege, dass die beruflichen Kompetenzen der Arbeitnehmer sehr ungleich verteilt seien.

Die OECD fordert die Regierung auf, die negativen Folgen des Mindestlohns etwa auf die Anstellung junger Menschen zu beachten. Das neue Gesetz werde die Lohnkosten in einigen Branchen und Regionen um mehr als zehn Prozent erhöhen. In Ostdeutschland habe 2014 jeder fünfte weniger verdient als den jetzigen Mindestlohn, in Hotels und Restaurants sogar zwei von drei Beschäftigten. Für sehr junge, unerfahrene Arbeitnehmer sei ein niedrigerer Mindestlohn sinnvoll.

© SZ vom 10.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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