Nahaufnahme:OECD-Chef mit starkem deutschen Akzent

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Hat sich bei der Wahl zum OECD-Generalsekretär unter anderem gegen die ehemalige EU-Kommissarin Cecilia Malmström durchgesetzt: Mathias Cormann. (Foto: Bloomberg)

Der Australier Mathias Cormann tritt am Dienstag sein neues Amt an. Seine überraschende Wahl wirft auch Fragen auf - gerade in Bezug auf die Klimakrise.

Von Jan Bielicki

Der Schreibtisch, an dem Mathias Cormann an diesem Dienstag Platz nehmen wird, steht in einem Schloss. Vor hundert Jahren hat sich ein Baron Rothschild den neobarocken Palast La Muette in die ehemals königliche Domäne am Rande des Pariser Bois de Boulogne gestellt, heute ist dieser die noble Adresse der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Aus seinem Büro kann der neue Generalsekretär auf einen Park mit 139 Bäumen blicken, darunter 71 Linden.

Deren Grün ist deutlich satter als das der gräulichen Eukalyptusbäume in Applecross, einem feinen Viertel der westaustralischen Metropole Perth mit spektakulären Blicken auf den Mündungssee des Swan River, wo Cormann bisher wohnte. Doch unvertraut ist dem Mann aus Australien der Anblick westeuropäischer Flora nicht. Denn hier kommt er her.

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Der 50-Jährige hat den begehrten Top-Job des OECD-Generalsekretärs - Jahresbrutto zuletzt 232 636 Euro - wohl auch seinem ungewöhnlichen Lebenslauf zu verdanken. Im Bewerbungsrennen setzte sich Australiens Budgetminister am Ende gegen die ehemalige EU-Kommissarin Cecilia Malmström aus Schweden durch, und das, obwohl eine große Mehrheit der 37 Mitgliedstaaten der Europäischen Union angehört.

Künftig wird im Chefzimmer der OECD, die als wichtigste wirtschaftspolitische Beratungsorganisation der reichen, westlich orientierten Industriestaaten und ausgewählter Schwellenländer gilt, Englisch mit starkem deutschen Akzent gesprochen - oder Französisch mit nicht ganz so hörbar deutschem Einschlag. Denn Cormanns Muttersprache ist Deutsch.

Machtausübung im Hinterzimmer

Aufgewachsen ist er in Raeren, einer Kleinstadt im deutschsprachigen Teil Belgiens. Aus einfachen Verhältnissen kommend hat er - auf Französisch und Flämisch - Jura studiert und stand als Mittzwanziger als Gemeinderat und Mitarbeiter eines Europaabgeordneten am Beginn einer vielversprechenden Karriere in der örtlichen Christlich Sozialen Partei.

Dann lernte er eine Australierin kennen, besuchte Perth und beschloss, dorthin zu ziehen, mit noch keineswegs perfekten Englischkenntnissen und einem belgischen Juraexamen, das in der neuen Heimat nicht galt. Und doch erarbeitete sich der junge Belgier schon nach wenigen Monaten einen Job als Büroleiter eines örtlichen Senators der Liberalen. Elf Jahre später, 2007, zog er selbst - inzwischen längst Australier - in den Senat ein. Seit die liberal-konservative Koalition 2013 die Regierung übernahm, saß er als Budgetminister am Kabinettstisch, zuletzt als der längst dienende in der Geschichte des Landes.

Einerseits gilt der Katholik als knochenkonservativ. Vor allem Umweltverbände warnten vor seiner Wahl an die OECD-Spitze, wo der scheidende Chef, der Mexikaner Ángel Gurría, die Klimakrise als Hauptherausforderung für die Mitgliedstaaten ausgemacht hatte. Cormann dagegen hat als Minister die Kohleexporte seines Landes stets verteidigt und dazu beigetragen, dass Australien eine bereits eingeführte Bepreisung von Kohlendioxid-Emissionen wieder kippte. Sein Versprechen, als OECD-Chef eine "ehrgeizige und wirksame" Politik gegen den Klimawandel voranzutreiben, stößt daher auf viel Skepsis.

Andererseits war Cormann nie ein Leugner der Klimakrise wie einige führende Politiker seiner Partei, sondern einer, als dessen Stärke es stets galt, als harter aber fairer Verhandler Kompromisse zu schmieden. Drei sehr unterschiedlichen Premierministern hat er so gedient - und einen von ihnen gestürzt. Mathias Cormann hat seine Macht immer am wirksamsten im Hinterzimmer ausgeübt. Solche Gemächer gibt es im Schloss La Muette genug.

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