OECD kritisiert Agrarsubventionen:Landwirtschaft am Tropf des Staates

Verkehrte Welt: Etliche Landwirte beziehen einen großen Teil ihres Einkommens aus staatlichen Fördertöpfen, finanziert mit Steuermitteln.

S. Liebrich u. M. Kotynek

Die reichen Industrieländer haben in der Wirtschaftskrise ihre Subventionen für den Agrarsektor erhöht. 2009 flossen in den OECD-Staaten 206 Milliarden Euro an die Landwirte, ein Prozent mehr als im Vorjahr. Das ursprüngliche Ziel, die umstrittenen Ausgleichszahlungen zu senken, wurde damit verfehlt.

Kein Aufatmen bei den Milchbauern

Aus Protest gegen den zu geringen Milchpreis brachten Landwirte im vergangenen September (Archivbild) Milch als Dünger auf die Felder aus. Jetzt hat die OECD ermittelt, dass Subventionen und andere Unterstützungen im vergangenen Jahr rund 22 Prozent zum Einkommen der Höfe beigetragen haben.

(Foto: dpa)

Die jüngsten Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind alarmierend. Sie zeigen, dass die Bauern der 30 führenden Industrieländer einen großen Teil ihres Einkommens nach wie vor aus staatlichen Fördertöpfen beziehen. Im Schnitt haben Subventionen und andere Unterstützungen 2009 gut 22 Prozent zum Einkommen der Höfe beigetragen. Das teilte die OECD am Donnerstag in Paris mit. Dies entspricht einem Plus von einem Prozent. Der staatliche Anteil am Einkommen der Landwirte hat sich damit erstmals seit fünf Jahren wieder erhöht.

Heftige Kritik

Die Steigerung der Agrarsubventionen wird von der OECD heftig kritisiert - auch weil sich dadurch die Wettbewerbs- und Preisverzerrungen auf den internationalen Agrarmärkten weiter verschärfen. Eine Entwicklung, unter der vor allem die Bauern in ärmeren Ländern leiden, die nicht auf staatliche Hilfe hoffen können. Den stärksten Anstieg bei der staatlichen Unterstützung verzeichnete 2009 Kanada. Dort ging der Anteil der Subventionen am Gesamteinkommen von 13 auf 20 Prozent nach oben. In den USA erhöhten sich die Hilfen von acht auf zehn Prozent, in der EU von 22 auf 24 Prozent. Am meisten Unterstützung vom Staat bekamen im vergangenen Jahr die Landwirte in Norwegen und der Schweiz, deren Einkommen zu 60 Prozent mit Steuergeldern finanziert wurden.

Viele Länder begründen die höheren Zuwendungen mit stark gesunkenen Preisen für Agrarprodukte, die davor Rekordstände erreicht hatten. Dieser Absturz habe staatliche Hilfen ausgelöst, "die auf die Stützung heimischer Preise oder des Einkommens der Höfe zielten", erklärt die OECD, die mehr als 30 Länder vertritt, in ihrem jährlichen Bericht zur Agrarpolitik.

Angesichts der Haushaltszwänge durch die Wirtschaftskrise forderte die OECD ihre Mitgliedsregierungen auf, ihre Agrarpolitik zu überprüfen. Sie sollten ihre Unterstützung "anpassen, um bestimmte wirtschaftliche, soziale und Umweltziele zu erreichen", erklärte die Organisation. Marktverzerrende Subventionen sollten zurückgefahren und "die Verbindung zwischen Regierungszahlungen und Agrarproduktion gekappt" werden. Gerd Sonnleitner, der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, verteidigte unterdessen die höheren Subventionen für den Agrarsektor. Er warnte davor, die Ausgleichszahlungen anzutasten. Die 60 Milliarden Euro, die allein der EU-Agrarhaushalt bis jetzt pro Jahr vorsehe, müssten für alle Länder der Gemeinschaft erhalten bleiben, forderte er.

Und am Ende bleibt nichts übrig

Auch die deutschen Bauern erhielten in der Krise zusätzliche Finanzhilfen. Im vergangenen Jahr war Milch teilweise so billig, dass vor allem Kleinbauern nichts mehr verdienten. Nach massiven Protesten der Erzeuger zahlt der Staat nun für jede Milchkuh 21 Euro und für jeden Hektar Grünland 37 Euro - zusätzlich zu bestehenden Subventionen, wie etwa den EU-Agrarbeihilfen oder dem ermäßigten Steuersatz auf Agrardiesel.

Mehr als 750 Millionen Euro kostet das die Steuerzahler in diesem und im kommenden Jahr. Agrarexperten halten das für einen Rückfall in alte Zeiten, als solche Prämien dazu geführt haben, dass Bauern immer mehr produziert haben und so Milchseen und Butterberge entstanden sind.

Vielen Bauern hilft das Geld vom Staat aber über die Krise hinweg. Hinzu kommt, dass weltweit nun allmählich die Nachfrage nach Agrarprodukten wieder steigt, wie Sonnleitner beim Bauerntag in Berlin sagte. Nach dem "desaströsen Jahr 2009 mit extremen Preiseinbrüchen bei Milch, Getreide, aber auch bei Obst und Gemüse" habe der Agrarexport durch den schwächer gewordenen Euro zuletzt "erheblich an Fahrt aufgenommen", sagte er. Insgesamt sieht der Verband zwar noch keine Erholung, aber "es geht bergauf", so Sonnleitner. Zugleich bezeichnete er es als "lebensnotwendig", dass Agrarprodukte teurer würden. Er rechnet damit, dass sich die Verbraucherpreise in den kommenden Monaten "sehr moderat erhöhen" werden.

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