Süddeutsche Zeitung

Obama in Berlin:Neben Obama auf dem Laufband

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Von Lea Hampel, Berlin

Ist er schon da? Kommt er durch den Hinterausgang? Im "Bestie" genannten Fahrzeug? Irgendwo muss er ja reinkommen ins Hotel Adlon. Ob Vorstandschef, Polizistin oder Hotelmitarbeiterin, hibbelig sind sie alle an diesem Donnerstag.

Er ist Thema, seit vor drei Wochen sein Besuch in Berlin angekündigt wurde. Seitdem lief die Planung bei Bundespolizei, Bundeskriminalamt, Secret Service. Gullydeckel wurden in der Sicherheitszone zwischen Pariser Platz und Reichstag versiegelt, Geschäfte geschlossen, Fahrräder abtransportiert, oder wie der Berliner Polizeisprecher sagt: "Alles, was latent gefährlich wird, wurde weggebracht."

Wegen des Besuchers sind Taxifahrern ihre Schleichwege versagt, wer zu Fuß von Unter den Linden zum Brandenburger Tor will, muss durch ein Zelt mit Gepäckscanner. Es ist eine Mischung aus Vorfreude und Aufregung, als stünde der hohe Besuch am Beginn seiner Amtszeit im optimistischen Jahr 2009, nicht kurz vor deren Ende im Katastrophenjahr 2016.

Zerknitterte Raumpläne der Präsidentensuite

"Sagt man 'this way' oder 'that way'?" fragt ein nervöser Polizist am Morgen seine Kollegen. Die Berliner sind nicht dafür bekannt, schnell aus der Fassung zu geraten. Hier, zumal im Adlon, ist man hohe Gäste gewohnt: Einst suchte Wilhelm der II. Zuflucht, weil es komfortabler als die königlichen Behausungen war, Marlene Dietrich, Wladimir Putin und Michael Jackson nächtigten schon hier. Doch dieser Gast ist besonders: Vor dem Hotel stehen Polizisten, Scharfschützen, Wasserwerferautos.

Sicher ist: Hier hat er mit der Kanzlerin gegessen. Aber übernachtet er hier, in der Präsidentensuite? Das bleibt so geheim, wie das eben geht, wenn Hotel und Polizei sich nicht äußern, aber über sechs Stockwerke fünf Buchstaben eines Namens durch die Gänge geistern. Auf die Frage im Aufzug im fünften Stock, ob hier der Präsident wohne, antwortet der Sicherheitsmann: "Der Präsident ist im Gebäude."Auf einer Herrentoilette liegen die zerknitterten Raumpläne der Präsidentensuite.

Erst aufs Laufband, dann an die Hanteln

Draußen wie drinnen ist der Anteil der Herren im Anzug noch höher als sonst: Die eine Hälfte hat Knöpfe im Ohr und Anstecker am Revers, die andere nicht. Erstere schauen betont unbeteiligt und folgen Adlon-Gästen auch mal eine Flurlänge. Von denen ohne Knopf wiederum stehen nicht wenige nun, Donnerstag zwischen 13.30 und 14 Uhr, vor den Holztüren, und kommen weder rein noch raus, seinetwegen. Alle warten, mancher döst in einem Lobbysessel, andere zücken das Handy für den Schnappschuss. Immer wieder zeigt jemand einen Ausweis, im Glauben, wichtig genug zu sein, um das Haus zu verlassen: "Gerade geht das nicht", sagt der Sicherheitsmann.

Dann, nach einer halben Stunde, ist alles vorbei. Kurz sei er draußen gewesen, einfach über den Pariser Platz spaziert, verbreitet sich das Gerücht. Und wird er zum Übernachten wieder herkommen? Ja, einige wenige wissen es, darunter Dirk Hörig und Simon Brewer, zwei Teilnehmer des Wirtschaftsgipfels. Morgens, gegen 8.30 Uhr, treffen sie ihn im Fitnessstudio im Keller des Adlon. Rund eine Stunde trainiert er, gemeinsam mit anderen Hotelgästen. Er trägt ein graues Shirt, blaue Trainingshosen, rote Kopfhörer. Erst eine halbe Stunde auf dem Laufband, bei elf Stundenkilometern, dabei schaut er die neuesten Nachrichten über Trump. Hörig läuft neben ihm. Danach steigt der berühmte Besucher aufs Trainingsrad und nutzt die Hanteln.

Draußen vor der Tür stehen Dutzende Sicherheitsleute, drinnen im kleinen Fitnessraum mit nur zwölf Geräten wacht derweil nur ein einziger Bodyguard und macht selbst Übungen mit dem Springseil. Ein Foto von sich wollte er lieber nicht, sagt der Präsident. Wie er aussieht, der Obama, weiß eh jeder.

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Quelle:
SZ vom 18.11.2016
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