Süddeutsche Zeitung

Medien:Mit Obama aus der Krise

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Bertelsmann leidet schwer unter der Pandemie. Ausgerechnet das Buchgeschäft kann den größten deutschen Medienkonzern jetzt retten, allen voran die Memoiren des ehemaligen US-Präsidenten.

Von Caspar Busse, München

Viele hatten gehofft, dass es schneller geht, aber er hat dann doch vier Jahre lang geschrieben: An diesem Dienstag ist weltweit der erste Teil der Memoiren von Barack Obama erschienen - "A promised Land", in 25 Sprachen, mit einheitlichem Cover und begleitet von einer beispiellosen Marketingkampagne. Die deutsche Version heißt "Ein verheißenes Land", die mehr als tausend Seiten kosten 42 Euro. Das Buch des 44. Präsidenten der USA soll ein globaler Bestseller werden. Allein in den USA und Kanada wurden innerhalb der ersten 24 Stunden fast 890 000 Exemplare verkauft, inklusive Vorbestellungen, E-Books und Hörbüchern (das Obama selbst gesprochen hat). Damit liegt Barack Obama auch in einem internen Wettlauf vorn: Seine Frau Michelle hatte von ihren Erinnerungen am ersten Verkaufstag 2016 rund 725 000 Bücher verkauft. Inzwischen ist "Becoming" mit weltweit verkauften 13 Millionen Exemplaren eines der erfolgreichsten Bücher überhaupt.

Profitieren wird Penguin Random House, der mit Abstand größte Buchverlag der Welt - und damit auch dessen Mutterkonzern Bertelsmann. Das größte Medienunternehmen Deutschlands leidet derzeit unter der Corona-Krise. Ausgerechnet das Buchgeschäft, das in Zeiten der Digitalisierung schon so oft totgesagt wurde, kann die Bilanz jetzt retten. Im ersten Halbjahr 2020 konnte Penguin Random House Umsatz und Gewinn nahezu konstant halten, auch wegen der guten Entwicklung in den USA. Der große Vorteil: Das Unternehmen war in der Pandemie lieferfähig und bediente die steigende Nachfrage nach Bücher, E- und Audio-Books. Jetzt kommt das für die Buchbranche so wichtige Weihnachtsgeschäft, das Obama-Buch soll da zu einem Renner werden. "Die Menschen wollen lesen, lernen, unterhalten werden - und sie wollen flüchten in die Welt der Geschichten, gerade in Krisenzeiten", sagt Penguin-Random-House-Chef Markus Dohle.

Ein großer Teil der anderen Bertelsmann-Geschäfte hat dagegen zu kämpfen. Die RTL-Gruppe und das Zeitschriftenhaus Gruner + Jahr leiden unter der Zurückhaltung der Werbetreibenden. Die Musiktochter BMG ist zwar erfolgreich, aber vergleichsweise klein. Von den Obama-Memoiren profitieren jetzt auch die anderen Bereiche: RTL sendet ein Interview mit dem Präsidenten, der Stern hat ihn auf dem Titel, der Spiegel, an dem Gruner + Jahr beteiligt ist, bringt einen Vorabdruck. Auch das nicht gerade florierende Druckereigeschäft von Bertelsmann ist dabei: Die Hälfte der amerikanischen Erstauflage von drei Millionen Exemplaren wurde bei Mohn-Media in Gütersloh gedruckt, die Bücher gingen dann in mehr als 100 Containern per Schiff in die USA.

Ausgerechnet das Buch, der Bereich also, mit dem der Drucker und Buchbinder Carl Bertelsmann vor 185 Jahren angefangen hatte, die ersten Jahrzehnte vor allem mit christlich-protestantischer Literatur. Viel später expandierte Bertelsmann dann immer weiter, ging ins Fernsehgeschäft und in die TV-Produktionen, ins glitzernde Musikbusiness, in die Internetbranche, bezog eine Zentrale in New York - das Ziel: einen der weltweit größten Medienkonzerne zu schaffen. Doch es gab viele Fehlschläge und Wirrungen, die Chefs wechselten - Mark Wössner, Thomas Middelhoff, Gunter Thielen, Hartmut Ostrowski - der Durchbruch blieb aus.

Das Comeback begann 2008, mitten in der Finanzkrise

Das Buch galt lange als Auslaufmodell. Das Comeback begann 2008, mitten in der Finanzkrise, als Dohle von Bertelsmann nach New York zu Random House geschickt wurde. Der Verlag steckte damals in der Krise, hatte dann aber 2012 mit dem Erotikroman "Fifty Shades of Grey" einen unerwarteten Welterfolg. 1998 hatte Bertelsmann Random House in New York gekauft. 2013 dann fusionierte der Verlag mit Penguin, Bertelsmann hielt zunächst 53 Prozent, stockte dann aber schrittweise auf, Anfang dieses Jahres wurden die letzten 25 Prozent für 675 Millionen Dollar erworben. "Historisch", sagte Bertelsmann-Chef Thomas Rabe. Penguin Random House macht mehr als 3,6 Milliarden Euro Umsatz, etwa ein Fünftel des gesamten Konzerns. Das operative Ergebnis lag zuletzt bei 561 Millionen Euro im Jahr.

Rund 320 eigenständige Buchverlage auf sechs Kontinenten mit mehr als 15 000 Neuerscheinungen und mehr als 600 Millionen verkauften Büchern im Jahr gehören dazu. Dohle schuf im Hintergrund der viele Einzelfirmen eine Verlagsfabrik, die auch auf E-Books und Hörbücher setzte. Und das Buchgeschäft soll weiter wachsen. Interesse hat Bertelsmann nun am traditionsreichen Buchverlag Simon & Schuster, der unter anderem den Enthüllungsjournalisten Bob Woodward unter Vertrag hat, der zuletzt mit "Rage" einen Bestseller über Donald Trump verfasst hat. Die Mediengruppe Viacom CBS will Simon & Schuster verkaufen. "Wir denken, dass wir gute Chancen haben", sagte Dohle im vergangenen Monat.

Angeblich rund 65 Millionen Euro haben die Obamas von Random House für die Weltrechte bekommen, eines der höchsten Honorare überhaupt. Viel Geld, Dohle selbst betreut deshalb die Obamas. Barack Obama will nun an einem zweiten Teil der Memoiren arbeiten, der erste Teil endet mit dem Tod von Osama bin Laden. Wann die Fortsetzung erscheinen soll, ist offen. Obama zur Eile zu drängen, dürfte wie beim ersten Band ziemlich aussichtslos sein.

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