Oatly-Börsengang:Pferdefutter, das Investoren träumen lässt

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Egal ob aus echter Kuhmilch oder Hafermilch: Die Haube auf dem Cappuccino zeichnet den Könner aus. (Foto: Pakorn Polachai/mauritius)

Oatly geht an die Börse. Der schwedische Pflanzendrink-Hersteller wird dort mit sagenhaften zehn Milliarden Dollar bewertet. Über einen Boom, der nicht nur die Fantasie von Anlegern beflügelt.

Von Silvia Liebrich

Um Milch herzustellen, braucht es längst keine Kühe mehr. Den Schaum auf dem Cappuccino, das Weiße im Café Latte oder die Flüssigkeit fürs Müsli liefern immer häufiger Hafer, Soja, Mandeln und andere Pflanzen. Zwar taucht der Begriff "Milch" nirgendwo auf den Verpackungen auf, auf Betreiben der Milchindustrie darf das Gebräu nicht so genannt werden. Doch Verbraucher scheren sich um derlei Haarspalterei wenig, Begriffe wie Hafer- oder Mandelmilch sind buchstäblich in aller Munde - und neuerdings kommen sie auch Investoren mit wachsender Begeisterung über die Lippen. Grund dafür ist der Börsengang des schwedischen Haferdrinkherstellers Oatly, dessen Wert in der ersten Woche an der US-Technologiebörse Nasdaq mit zehn Milliarden Dollar taxiert wird.

Traditionelle Molkereikonzerne können von so viel Enthusiasmus an der Börse nur träumen. Was also ist da passiert?

Tatsächlich hat der Hype um Pflanzendrinks wohl auch viel mit der Image-Frage zu tun. Sicher ist: Das Ansehen der Kuh hat in den vergangenen Jahren gelitten - deren intensive Haltung ist nicht nur schlecht für Umwelt und Klima, sondern oft auch schlecht für die Tiere selbst, wie auch für viele Landwirte, die unter enormem Kostendruck stehen. Da haben es Hafer und Co. schon leichter. Äffle & Pferdle, die schwäbischen Kultcomicfiguren des SWR, sangen schon vor Jahrzehnten ihr Loblied auf das Pferdefutter, Generationen von Kinder wuchsen mit dem legendären Hafer- und Bananenblues auf. Dessen Liedzeile "Hafer, das ischt, was man haben muss", scheint derzeit auch für Anleger zu gelten.

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Das Kalkül dahinter ist simpel. Anleger stecken ihr Geld gern in Märkte, die gutes Wachstum versprechen. Die Nachfrage nach Milchersatzprodukten wächst stetig, während die für das Original stagniert. Immer mehr Menschen wollen sich nicht nur gesünder, sondern auch umwelt- und klimaschonend ernähren. Weltweit wird die Zahl der Veganer und Vegetarier von deren Branchenverbänden auf eine Milliarden Menschen geschätzt, Tendenz steigend. Innerhalb Europas liegen Italien, Österreich, Deutschland und Großbritannien vorn, mit einem Anteil von etwa zehn Prozent der Bevölkerung. Global an der Spitze liegt Indien, mit einem Vegetarieranteil von knapp 40 Prozent. In den USA geht man von fünf Prozent Vegetariern und zwei Prozent Veganern aus.

Auch das erklärt den Erfolg von Oatly an der Börse nur zum Teil. Das Unternehmen teilte seine US-Hinterlegungsscheine (ADS) in der Nacht zum Donnerstag zu je 17 Dollar zu, am oberen Ende der Zeichnungsspanne, die von 15 bis 17 Dollar reichte. Zur Eröffnung letzte Woche Donnerstag lag der Aktienkurs bei gut 22 Dollar. Oatly und einige seiner Anteilseigner nehmen mit der Emission bis zu 1,65 Milliarden Dollar ein, davon gehen 1,1 Milliarden an das Unternehmen selbst. Organisiert wird die Emission von den Investmentbanken Morgan Stanley, JP Morgan und Credit Suisse.

Zu den prominenten Investoren von Oatly gehört auch die US-Moderatorin Oprah Winfrey. (Foto: Jordan Strauss/AP)

Der Mann hinter der Erfolgsgeschichte heißt Toni Petersson, seit 2012 ist er Chef des Pflanzenmilchherstellers. Er versteht es, sich und das Unternehmen ins Rampenlicht zu rücken. Dabei hilft auch eine illustre Investorenschar, zu der etwa der frühere Starbucks-Chef Howard Schultz, die Talkshow-Moderatorin Oprah Winfrey, die Schauspielerin Natalie Portman und der Rapper Jay Z. gehören. Petersson mischt sich zudem gern in die Politik ein, in Deutschland etwa mit einer Petition für eine CO₂-Kennzeichnung von Lebensmitteln. Die wurde so gut unterzeichnet, dass sich der Bundestag damit befassen muss.

Die Erfindung der Hafermilch gelang eher zufällig

Dabei war der Weg des 1994 von den Brüdern Rickard und Björn Öste gegründeten Unternehmens so nicht absehbar, die Erfindung der Hafermilch eher ein Zufallsprodukt. Rickard Öste, ein Professor für Lebensmittelchemie, hatte jahrelang zum Thema Laktoseintoleranz geforscht, einen Milchersatz auf Haferbasis entwickelt er dabei eher nebenbei. Sein älterer Bruder Björn verkaufte schließlich seine Computersicherheitsfirma, gemeinsam stiegen sie in die Lebensmittelindustrie ein.

Es ist offenbar die Mixtur von positivem Image, Wachstumsfantasie und geschicktem Marketing, die die Oatly-Aktie für Investoren so unwiderstehlich macht. Die Wertsteigerung ist massiv: Noch vor knapp einem Jahr, bei der letzten, 200 Millionen Dollar schweren Finanzierungsrunde, wurde das Unternehmen mit etwa zwei Milliarden Dollar bewertet. Finanzinvestor Blackstone hatte daran maßgeblichen Anteil. Größter Aktionär bleibt auch nach dem Börsengang Verlinvest, die Beteiligungsfirma der Eigentümerfamilie des Brauereiriesen Anheuser-Busch InBev. Sie hatte über ein Gemeinschaftsunternehmen mit der staatlichen China Resources 2016 in Oatly investiert.

Eine gesunde Portion Skepsis ist aus Anlegersicht dennoch angebracht. Oatly ist auf dem US-Markt erst seit 2017 präsent und verkauft weltweit in mehr als 20 Ländern. Die Konkurrenz ist inzwischen groß, selbst große und kleine Molkereiunternehmen wie der schwedisch-dänische Arla-Konzern oder die Freiburger Schwarzwaldmilch-Gruppe springen auf den Zug auf und bieten ihrerseits Pflanzendrinks und andere Produkte wie Joghurtersatz an. Damit wächst auch das Angebot, der Druck auf die Preise und die Gewinnmargen.

Auch andere profitieren unterdessen vom Hafermilch-Boom. Innerhalb von zehn Jahren nahm die Haferanbaufläche in Deutschland um 15 Prozent zu. Die Vermarktungsmöglichkeiten in der Lebensmittelverarbeitung seien enorm, hieß es zuletzt beim Verband der Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft (VGMS).

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