Der britische Smalltalk lebt seit einer Woche von der unausweichlichen Frage, ob man Tickets für eines der Oasis-Konzerte bekommen habe. Wenn die Antwort positiv ist, was selten genug vorkommt, folgt die Frage, wie viel die denn gekostet hätten. Und oft genug heißt es dann: 355 Pfund für eine Karte, die eigentlich 148 Pfund hätte kosten sollen.
Dieser Preissprung ist nicht nur immens, er kam auch plötzlich. Angeblich seien sogar die wiedervereinigten Künstler davon überrascht gewesen. In einem Statement schoben sie am Mittwoch die Schuld dem Kartenhändler zu – in diesem Fall ist das die US-Firma Ticketmaster. Ihnen sei „zu keiner Zeit bewusst gewesen, dass Dynamic Pricing eingesetzt“ würde, teilten die Musiker mit.
Dynamic Pricing ist ein auf dem internationalen Musikmarkt relativ neues, aber bereits höchst umstrittenes Instrument. Es bedeutet, dass die raren Tickets, automatisch teurer werden, sobald die Nachfrage steigt; ähnlich wie bei Hotel- und Flugpreisen. Und die Nachfrage war – wenig überraschend – gigantisch: mehr als zehn Millionen Fans wollten Karten für die 17 Oasis-Konzerte, die Online-Schlange war entsprechend lang.
Wer es dann nach erschöpfenden Stunden des Wartens doch noch bis zum Kaufprozess geschafft hat, entdeckte erst dort die Verdoppelung der Preise, hatte dann aber nur begrenzt Zeit, sich zu entschließen. Als würde man nach stundenlangem Anstehen an der Supermarktkasse zu einem unerwartet teuren Einkauf gedrängt werden, weil die anderen Kunden hinter einem schon ungeduldig drängeln.
Beruhigen konnte die Mitteilung der Band niemanden mehr, der Ärger auf der Insel war flächendeckend, und eine Art Dynamic Smalltalking hat das Thema von den Straßen bis ins Parlament getragen. Premierminister Keir Starmer sagte dort am Mittwoch: „Zunächst mal ist es großartig, dass Oasis wieder zusammen sind“. Aber es sei deprimierend, von den Preiserhöhungen zu hören. Er werde sich kümmern.
Am folgenden Tag leitete die britische Wettbewerbsbehörde eine Untersuchung gegen Ticketmaster ein. Die Competition and Markets Authority (CMA) will prüfen, ob Ticketmaster gegen Verbraucherschutzgesetze verstoßen hat. Dynamic Pricing sei zwar nicht illegal, schrieb CMA-Geschäftsführerin Sarah Cardell in einer Mitteilung, aber die Unternehmen dürften ihre Kunden nicht in die Irre führen. Bis zum 19. September will die Behörde Informationen zum Fall einholen.
Die Tour der lange zerstrittenen Brüder Liam und Noel Gallagher soll nicht nur durch Großbritannien, sondern auch nach Irland führen. Dort gibt es seit drei Jahren ein Verbot, Tickets zu höheren Preisen als dem ursprünglichen weiterzuverkaufen. Nun fordern irische Politiker, das entsprechende Gesetz zu erweitern – Dynamic Pricing müsse „im Keim erstickt werden, bevor es gängige Praxis wird“, sagte der Abgeordnete Timmy Dooley.
Die Gallagher-Brüder haben als Reaktion auf den Unmut zwei weitere Konzerte in London angekündigt. Das Prozedere: Die Band werde diesmal Fans, die sich bereits für den Vorverkauf vergangenen Samstag registriert hatten, aber leer ausgingen, von sich aus anschreiben und ihnen Tickets anbieten, zu festen Preisen.
Der Premierminister wird übrigens keine dieser Einladungen bekommen. Selbstverständlich wurde auch Starmer vergangene Woche die Frage gestellt, ob er Tickets ergattert habe. Nein, antwortete er dem Interviewer der BBC, er habe sich aber auch gar nicht darum bemüht.