Vor zwei Jahren schien es eine richtig gute Idee zu sein, doch jetzt könnte eine der wichtigsten Umweltinitiativen der Versicherungswirtschaft vor dem Ende sein. Industriekonzerne und eine Reihe von republikanisch regierten US-Bundesstaaten machen Druck.
Große Versicherer aus vielen Ländern hatten 2021 auf Initiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen die Net-Zero Insurance Alliance (NZIA) gegründet, eine Vereinigung von Versicherern, die für null Treibhausemissionen eintreten. Die meisten Gesellschaften haben weitreichende Klimaziele, schließlich spüren sie den Klimawandel durch Naturkatastrophen mit Milliardenschäden sehr direkt. Sie werben auch gerne mit diesen Zielen und betonen die Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells.
Vorbild für die Versicherer-Initiative war die Net-Zero Asset Owner Alliance von großen Investoren. Ihre Mitglieder verpflichten sich, durch nachhaltige Kapitalanlagen das Ziel von null Emissionen bis 2050 voranzubringen. Auch Versicherer sind Mitglied, den Vorsitz hat zurzeit Allianz-Vorstand Günther Thallinger.
Die NZIA sollte dasselbe bei den Versicherungsverträgen erreichen. "Die Mitglieder der NZIA haben sich verpflichtet, ihre Versicherungs- und Rückversicherungsbestände bis 2050 auf Netto-Null-Treibhausgasemissionen umzustellen", beschreibt die NZIA die Ziele. Langfristig wollen die Gesellschaften also nur noch Unternehmen versichern, die der Umwelt nicht schaden.
Doch jetzt fällt die Initiative auseinander. Der weltweit größte Rückversicherer Munich Re, vor zwei Jahren ein Gründungsmitglied, ist Ende März ausgetreten. Er nennt Kartellbedenken als Grund. "Unser Klimaengagement ist ungebrochen", teilte Konzernchef Joachim Wenning mit. Auch die Hannover Rück, weltweit die Nummer drei der Rückversicherer, hat gerade das Bündnis verlassen. Unabhängig davon unterstütze die Gesellschaft weiter das Pariser Klimaabkommen, teilte sie mit. Die Schweizer Gesellschaft Zurich, die weltweit als Industrieversicherer aktiv ist, verlässt die Initiative ebenfalls. Für sie sei es in erster Linie um eine Entwicklung einer Messmethode gegangen, erklärte Deutschlandchef Carsten Schildknecht.
Der eigene CO₂-Fußabdruck und die CO₂-Intensität der Investitionen seien noch relativ einfach zu messen. "Die CO₂-Emissionen im Versicherungsgeschäft sind dagegen schwieriger zu messen, weil wir hier nicht Eigentümer sind", sagte er. Einen Rahmen für diese Messungen habe die NZIA vorgelegt und damit ihren Zweck erfüllt. Jetzt steht die Zukunft der Initiative auf der Kippe. Zwar hat sie immer noch 27 Mitglieder, und die Axa, die bei der NZIA momentan den Vorsitz hat, bekräftigt, dass sie weiterhin dabei bleiben wird, aber mit Munich Re, Zurich und Hannover Rück fehlen drei gewichtige Fürsprecher.
Klimaaktivitäten der Versicherungsbranche sind umstritten
Wenn so große Gesellschaften austreten, werden es kleinere Gesellschaften sehr viel schwerer haben, Klimapläne aufzustellen und umzusetzen, glaubt die Rating-Agentur Moody's. Das könnte für die ganze Branche schädlich sein. "Eine Schwächung des Bündnisses wirkt sich negativ auf die Kreditwürdigkeit des gesamten Sektors Schaden- und Unfallversicherung aus", erläutern die Moody's-Analysten.
Tatsächlich sind die Klimaaktivitäten der Branche umstritten. Viele Industriekonzerne glauben, dass sich die Versicherer inzwischen wie eine Umweltpolizei aufführen. Wenn ein Produktionsverfahren gesetzlich erlaubt ist, dürften die Versicherer nicht die Absicherung verweigern, heißt es bei Branchentreffen.
Ein von der Industrie gerne genanntes Beispiel: In der Energiekrise 2022 wollten und sollten Energiekonzerne eingemottete Kohlekraftwerke wieder hochfahren. Doch damals konnten die Stromhersteller keinen deutschen Versicherer finden, der ihre Anlagen abdecken wollte. Die Kraftwerke wurden schließlich im Ausland versichert.
Die Geschichte hat eine fast absurde Fortsetzung. Denn etwa zur selben Zeit versuchten Unternehmen, neue, saubere Methoden der Energieversorgung in Deutschland zu testen. Dazu gehört der grüne Wasserstoff. Auch dafür fand sich kein Versicherer. Der Grund: Man kenne das Risiko nicht.
Versicherern drohen in den USA juristische Probleme
Neben den Industriekonzernen sind auch US-Politiker skeptisch, wenn es um die Umweltaktivitäten der Finanzbranche geht. Die Justizminister von 19 US-Bundesstaaten haben 2022 eine Untersuchung gegen sechs Banken gestartet, die Mitglied der Parallel-Initiative Net-Zero Banking Alliance sind. Die Minister vermuten, dass Unternehmen, die im Bereich fossile Energien aktiv sind, von den teilnehmenden Banken am Zugang zu den Kreditmärkten gehindert werden könnten.
Am 3. April 2023 schrieben republikanische Justizminister an mehr als 50 große Vermögensverwalter des Landes einen Brief, in dem sie Kartellbedenken wegen der Umweltaktivitäten der Finanzbranche anmelden. Darin werden ausdrücklich die Versicherer und die NZIA erwähnt. Hannover Rück, Munich Re und Zurich sind sehr aktiv in den USA. Sie müssen befürchten, dass sie rechtliche Probleme bekommen könnten.
"Die NZIA hat sich in ihrer Bewegungsfreiheit von Beginn an von Kartellbedenken einschränken lassen", sagte Peter Bosshard, Koordinator bei der Initiative Insure Our Future. Nach dem Rückzug einzelner Gesellschaften werde die Verantwortung der Versicherer noch größer, ihr Geschäft mit glaubwürdigen Klimazielen in Einklang zu bringen.
Butch Bacani vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen ist sicher, dass die NZIA auch nach den Austritten wichtig bleibt. "Solange man daran glaubt, dass die Versicherer eine Rolle bei der Dekarbonisierung der Realwirtschaft zu spielen haben, hat die NZIA auf jeden Fall eine Zukunft", sagte er. Denn Versicherer verfügen bei der Bekämpfung des Klimawandels über eine große Wirkung. "Durch Versicherungsschutz ermöglichen sie überhaupt wirtschaftliche Aktivitäten, die nachhaltig oder eben nicht nachhaltig sein können."