Neuer Personalausweis:Niederlande - Deutschland 1:0

Gerangel um einen Prestige-Auftrag: Der niederländische Halbleiterhersteller NXP bestückt den neuen deutschen Personalausweis mit Mikrochips. Der deutsche Mitbewerber Infineon hat aber noch Hoffnung.

Varinia Bernau

Nicht nur die Bundesbank vergibt Aufträge an ausländische Unternehmen: Der Chiphersteller NXP aus dem niederländischen Eindhoven soll die Sicherheitschips für den elektronischen Personalausweis liefern, der in Deutschland von November an ausgegeben wird. Das ist zweifelsohne ein wichtiger Auftrag, aber er wird den jährlichen Umsatz wohl um kaum mehr als einen einstelligen Millionenbetrag steigern.

Elektronischer Personalausweis

Ein Muster des zukünftigen elektronischen Personalausweises: Die Chips für das amtliche Dokument werden aus Holland geliefert.

(Foto: dpa)

Viel wichtiger als das Geld dürfte der einstigen Philipps-Tochter, die kürzlich einen eher enttäuschenden Börsengang hinlegte, das Ansehen sein, das dieser Auftrag bringt. "Die Sicherheitsanforderungen in Deutschland sind enorm, das hat Strahlkraft in die gesamte Welt", sagte NXP-Vorstand Rüdiger Stroh der Süddeutschen Zeitung. Einem Sportler gleich, hat er nach diesem Etappensieg bereits das nächste Ziel angepeilt: Die Entwicklung gehe von komplexen Karten hin zu komplexen Geräten, für die Sicherheitschips benötigt werden. Auf dem Chip für den elektronischen Personalausweis können biometrische Daten und eine elektronische Signatur gespeichert und kontaktlos ausgelesen werden. Das soll Bezahlungen im Internet und die komplett papierlose Steuererklärung ermöglichen.

In Zukunft, so Stroh, könne ein ähnlicher Chip im Telefon stecken. Die Folge: Die Taxifahrt könne mit dem Handy statt der Kreditkarte bezahlt werden. NXP sei mit verschiedenen Telefonherstellern im Gespräch, um mit einer solchen Technik im Jahr 2012 an den Markt zu gehen. "Je höher die Transaktionen bei solchen Zahlungen, desto höher die Sicherheitsanforderungen", sagte Stroh.

Dass sich NXP im Bereich der Sicherheitschips besonders ins Zeug legt, ist kein Zufall: Bei Halbleitern, die in der Herstellung weniger komplex sind, hat die Konkurrenz aus Fernost mit ihren billigen Arbeitskräften die Nase vorn. Entsprechend niedrig ist in diesem Bereich die Gewinnspanne. Im zweiten Quartal 2010 hat NXP insgesamt 1,16 Millionen Dollar mit Chips umgesetzt - fast doppelt so viel wie im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Der Bereich der Chips zur Identifizierung, wie sie in den behördlichen Dokumenten, aber auch in digitalen U-Bahn-Fahrkarten stecken, habe zu diesem Ergebnis "maßgeblich beigetragen", so Stroh. Etwa 2000 Mitarbeiter sind am Hamburger Standort von NXP damit beschäftigt, die speziellen Chips zu entwickeln und auch Angriffe zu simulieren, damit die Daten nicht ohne weiteres auszulesen sind.

Den Markt für diese Sicherheitschips schätzt NXP weltweit auf zwei Milliarden Dollar. So gebe es in 88 Ländern elektronische Dokumente, in 75 habe NXP die Chips dazu geliefert. In Deutschland wird innerhalb der kommenden zehn Jahre die Auslieferung von 60 Millionen neuer Personalausweise erwartet. Zu den elektronischen Dokumenten kommen digitale Fahrscheine für den öffentlichen Nahverkehr oder eben Mobiltelefone, mit denen künftig ebenfalls bezahlt werden könnte. All diese Technik funktioniert nur mit den komplexen Sicherheitschips. Eine steigende Nachfrage dafür macht NXP-Vorstand Stroh in der ganzen Welt aus. Die wichtigsten Regionen aber sind jene, deren Bevölkerung stark wächst - Länder wie China und Indien. Stroh: "Dort wird aggressiv gekämpft."

Infineon macht sich Hoffnungen

Der deutsche Rivale Infineon macht sich ebenfalls Hoffnungen, demnächst einen Teilauftrag vom Innenministerium zu erhalten. "Wir gehen fest davon aus, einer der beiden Chipzulieferer zum Personalausweis zu sein", sagte Spartenchef Helmut Gassel. Die Gespräche zur Auftragsvergabe seien weit fortgeschritten. Infineon hat sich mit seinem neuesten, mehrfach verschlüsselten Hochsicherheitschip für den Auftrag beworben.

In Indien hat sich NXPs größter Konkurrent bereits einen Auftrag gesichert. Der Münchner Chiphersteller verweist zudem darauf, dass heute bereits etwa 60 Länder Sicherheitschips im öffentlichen Sektor nutzen.

Die Regierung vergibt die Aufträge meist aus Gründen der Liefersicherheit an mindestens zwei Hersteller. Der Auftrag, den NXP am Donnerstag bekanntgab, ist nur ein Etappensieg. Wer das Rennen um die Aufträge für die immer wichtiger werdende Sicherheitstechnik gewinnen wird, ist offen.

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