Big Tech:Nvidia überholt Apple – zumindest kurzfristig

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Gefragter Mann: Jensen Huang bei einem Besuch in Taiwan. (Foto: STR/AFP)

Der Hype um Chips für künstliche Intelligenz geht weiter. Gut für Nvidia, der Hersteller schiebt sich beim Börsenwert kurzzeitig auf Platz zwei – ganz vorne liegt aber noch ein anderes Unternehmen.

Von Helmut Martin-Jung

Wo die Zukunft liegt? Vielleicht reicht es ja, einfach mal auf diese Zahl zu schauen: 3 000 000 000 000. Eine Drei mit zwölf Nullen, 3000 Milliarden Dollar – so viel und ein bisschen mehr sind drei amerikanische Technologie-Firmen an der Börse jeweils wert. Microsoft, größter Softwareanbieter der Welt, Apple, die das meiste Geld mit Geräten wie dem iPhone verdienen, und schließlich der Chipdesigner Nvidia. Der hat nun kurzfristig sogar Apple überholt – für Microsoft hat es noch nicht ganz gereicht.

Apple tummelt sich schon länger an der Spitze, Microsoft hat sich schön langsam und etwas unterm Radar dorthin vorgearbeitet, der Aufstieg von Nvidia kam hingegen eher überraschend. Wobei, ganz ohne Plan war es nicht, dass die Chips von Nvidia genau dort nahezu unverzichtbar werden, wo gerade die heißeste Ware der Tech-Welt entsteht: bei künstlicher Intelligenz.

Nvidia, heute eine Hype-Aktie, war einst nur Menschen bekannt, die von ihrem Computer mehr wollten als Tabellenkalkulation, Mails und Word-Dateien. Nämlich Spielen, mit hochauflösender Grafik, je fotorealistischer, desto besser. Nvidia, mitgegründet von einem Einwanderer aus Taiwan, Jen-hsun Huang, der sich heute Jensen nennt, lieferte die Chips dafür. Sie treiben die sogenannten Grafikkarten an, die man in die Erweiterungs-Slots von Computern steckt, um besonders realistische Spielwelten zu erleben.

Der Unterschied zu normalen Computer-Hauptchips: Die Grafikprozessoren (GPU) enthalten viele einzelne Rechenkerne, die parallel arbeiten können. Die Bilder der Spiele werden, vereinfacht dargestellt, in viele einzelne Abschnitte aufgeteilt, jeder Kern berechnet nur einen kleinen Teil, aber eben gleichzeitig mit den anderen Kernen. So konnten die Spielewelten immer mehr Details enthalten. Heute lassen sich mit den Chips sogar die Wege von Lichtstrahlen berechnen und damit etwa Spiegelungen äußerst realistisch darstellen. Noch vor 15 Jahren brauchte es für ein einziges solches Bild eine kleine Rechnerfarm – und einen Tag Zeit. Heute werden Dutzende davon pro Sekunde ausgespuckt.

Schon ziemlich früh erkannte man bei Nvidia, dass sich die Grafikkarten nicht bloß für virtuelle Autorennen oder Monsterjagden in dunklen Kellergewölben eigneten, sondern auch für andere Arten von Berechnungen. Das in Kalifornien ansässige Unternehmen stellte dafür Programmierwerkzeuge bereit. Diese Cuda genannte Software machte es erst richtig möglich, die besonderen Fähigkeit der Grafikprozessoren zu nutzen. Dazu gehörten auch die aufwendigen Berechnungen für Kryptowährungen. Auf dem Höhepunkt des Krypto-Hypes schnellten die Preise für Grafikkarten in die Höhe, es gab Lieferengpässe.

Der eigentliche Hype aber kam mit der künstlichen Intelligenz. KI-Forscher entdeckten vor einigen Jahren, dass die Grafikprozessoren sich gut dazu eigneten, die aus vielen eher kleinen Einzelschritten bestehenden Rechenvorgänge zu bewältigen, mit denen KI-Modelle wie Chat-GPT und andere einerseits trainiert werden und andererseits Nutzeranfragen interpretieren und beantworten können. Die vielen parallel arbeitenden Recheneinheiten und die dazugehörige Software machten Nvidia zum bevorzugten Werkzeug der KI-Firmen.

Wie lange geht das noch so weiter?

Natürlich ist die Frage, wie lange das noch so weitergehen kann. Google, ein sehr ernsthafter Bewerber um die KI-Vorherrschaft, entwickelt längst eigene Chips, Microsoft ebenfalls und Apple ja schon länger. Doch die Nachzügler, so potent sie auch sind, müssen einen Rückstand aufholen. Und noch bietet Nvidia mit seinen Chips und der Software dazu das eindeutig leistungsfähigste Paket. Weshalb Konzerne, die KI nutzen wollen, kaum anders können, als bei Huang einzukaufen. Der genießt das. Als Open AI, die Firma hinter Chat-GPT, jüngst ihr neuestes Produkt vorstellte, gab das Unternehmen stolz bekannt, dass Jensen Huang persönlich die neuesten seiner Chips vorbeigebracht habe.

Bei all dem KI-Hype war von Apple bisher wenig zu hören. Doch das dürfte sich bald ändern. Am nächsten Montagabend deutscher Zeit beginnt am Hauptsitz von Apple in Cupertino Apples Konferenz für Software-Entwickler, die Worldwide Developers Conference (WWDC). Es wird erwartet, dass Apple-Chef Tim Cook zumindest Andeutungen darüber macht, wie künstliche Intelligenz – und auch andere Technologien – die Produkte des Konzerns verändern können. Allen voran natürlich das iPhone, das immer noch wichtigste Produkt Apples. Es soll, glaubt man Vorabberichten, zu einem „IntelliPhone“ mutieren.

Der Schritt ist überfällig. Schon länger muss Apple viel Kritik dafür einstecken, dass die einst mit viel Hallo präsentierte virtuelle Assistentin Siri im vergangenen Jahrzehnt nicht viel dazugelernt hat. Mit dem „IntelliPhone“ soll sich das ändern, es könnte auch virtuelle und erweiterte Realität (VR, AR) einbinden. Dabei könnten womöglich auch die Milliarden-Investitionen für die Entwicklung von Apples Datenbrille nützlich werden – das Gerät selbst ist ja kein Massenprodukt. KI, VR, AR – was davon in der Version 18 von iOS, Apples Betriebssystem fürs iPhone, stecken wird, könnte entscheidend sein für die Zukunft des Konzerns. Schon öfter sprach man ihm die Kreativität ab. Bisher hat Apple das nicht geschadet. Zwölf Nullen sind eben ein gewichtiges Argument.

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