Grafikkarten:Die Gamer atmen auf

Nvidia-Grafikkarte Geforce RTX

Nvidia-Grafikkarten in einem System zum "Schürfen" einer Kryptowährung.

(Foto: Andre Malerba/IMAGO/ZUMA Wire)

Spieler, Scalper, Krypto-Freaks: Alle waren verrückt nach Grafikkarten, die Preise stiegen in astronomische Höhen. Aber mittlerweile stellt sich die Frage, ob sich der größte Hersteller Nvidia verkalkuliert hat.

Von Jannis Brühl

Satelliten sausen über den Globus, Lagerregale fahren von selbst, hundeartige Roboter stellen sich auf die Hinterbeine. In dem Video, mit dem der Technik-Hersteller Nvidia seine firmeneigene Konferenz bewirbt, ist die technische Welt um uns herum mit Leben erfüllt. Firmenchef Jensen Huang, wie immer in Lederjacke, unterhält sich entspannt mit seinem animierten Mini-Ebenbild. Fachleute vermuten, dass der Grafikkartenhersteller in diesen Tagen die neue Serie RTX 4000 vorstellen wird, mit der die technische Entwicklung den nächsten Sprung macht. Allerdings kommt Nvidias große Show zu einem unpassenden Zeitpunkt, zumindest aus Sicht des Unternehmens. Denn der Irrsinn ist vorbei.

In den vergangenen Monaten ging ein beispielloser Boom zu Ende, der Computerspieler in den Wahnsinn trieb und es Nvidia ermöglichte, dank gigantischer Umsätze zur obersten Tech-Liga aufzuschließen. Eine Zeit lang waren Grafikkarten des Unternehmens aus dem kalifornischen Santa Clara und seiner Konkurrenten praktisch gar nicht mehr zu bekommen. Die Nachfrage war einfach nicht zu befriedigen.

Das lag zum einen daran, dass die Menschen in der Pandemie in ungeahntem Maße zockten, und an der Halbleiterkrise - die Chipproduktion in Asien kam nicht hinterher. So weit, so Weltkrise. Was die Grafikkarten zusätzlich verknappte, war eine besondere Zweckentfremdung. Denn sogenannte Miner, die auf ihren Computern Kryptowährungen "schürfen", kauften den Markt leer. Grafikkarten in Computern dienen eigentlich dazu, optisch anspruchsvolle Computerspiele darzustellen und flüssig am Laufen zu halten. Doch die rein digitalen Kryptowährungen waren auf einen Zusatznutzen der Karten angewiesen, für den die nie gedacht waren. Das virtuelle "Prägen" von Kryptowährungen geschah meist, indem Computer komplexe mathematische Rätsel lösten. Diese Rätsel lassen sich besonders gut mit Grafikkarten lösen, weil diese viele parallel arbeitende Rechenkerne haben.

Die Spieler fühlten sich abgezockt

2021 eskalierte die Lage: Was es noch auf Ebay und anderen Plattformen gab, kostete zeitweise das Dreifache des Listenpreises. Ein zusätzliches Ärgernis für Gamer waren "Scalper", die "Skalpierer": jene Schwarzmarkthändler, die mit Bots - kleinen Software-Programmen - bei der Markteinführung einer neuen Karte automatisiert so viele Exemplare wie möglich kaufen. Dann stellen sie sie auf Ebay mit hohen Aufschlägen ein. Bei den Spielern stellte sich das Gefühl ein, Opfer von Wucher zu werden. Die Miner waren bereit, die hohen Preise zu zahlen - schließlich spekulierten sie auf jene astronomischen Gewinne, die Kryptowährungen bis zum Zusammenbruch des Marktes im Frühjahr versprachen.

Einige Gamer wurden wütend auf Nvidia: Das Unternehmen habe mit seinem Schwenk hin zum Kryptomarkt die Situation verschärft. Denn Nvidia bietet auch auf Kryptomining ausgerichtete Modelle an - die für Spieler mangels entsprechender Bildschirm-Anschlüsse nutzlos sind.

Das lief lange gut. Die Bruttomarge stieg auf fantastische 65 Prozent. Die Aktie wurde zu einer großen Gewinnerin des Booms während der Pandemie. Der Börsenwert bewegte sich auf eine Billion Dollar zu, dort beginnt die Sphäre von Microsoft, Amazon, Apple, Alphabet und Meta.

Nun sieht das anders aus. Der Aktienkurs hat sich in wenigen Monaten mehr als halbiert. Die Quartalszahlen im August zeigen, wie sich der Markt abgekühlt hat: Die Gaming-Sparte brach zum Vorquartal um 44 Prozent ein. Dass das Unternehmen als Grund "makroökonomischen Gegenwind" nannte, brachte manche Beobachter zum Schmunzeln. Sie unterstellen Nvidia, nicht zuzugeben, dass ihnen das Ende des Kryptobooms zusetzte und sie auf den falschen Markt gewettet hatten.

Genaue Zahlen zum Anteil des Minings am Einbruch fehlen, doch das Wegbrechen der Umsätze fällt zeitlich mit der Implosion vieler Krpytowährungen zusammen. Vergangene Woche führte das nach Bitcoin zweitwichtigste Krypto-System Ethereum zudem eine grundlegende Neuausrichtung durch: Es verzichtet nun darauf, Transaktionen mit aufwendiger Rechnerei zu verifizieren, setzt stattdessen auf ein weniger stromfressendes Verfahren. Die Betreiber wollen ihren Ruf als Klimakiller loswerden. Die vermutlich Millionen von Grafikkarten der Ethereum-Miner sind damit schlagartig für sie nutzlos geworden. Nun fluten Angebote das Internet, die Preise sind um mehrere Hundert Dollar gefallen. Der Tenor in Gamer-Foren: Endlich kann ich mir wieder eine Grafikkarte leisten.

Am Wochenende kam auch noch eine öffentliche Bloßstellung hinzu. Der kalifornische Hersteller EVGA, seit zwei Jahrzehnten ein Partner, kündigte an, keine Nvidia-Grafikchips mehr in seinen Karten zu verbauen. Man fühle sich arrogant behandelt vom Platzhirsch, der einem zudem mit seiner billigen Hausmarke Konkurrenz mache. Nvidia lobte in einem knappen Statement lediglich die gute Zusammenarbeit und wünschte EVGA viel Glück.

Die Gamer haben nun nur noch ein Problem, das schon den Kryptominern ihre Bilanz versaut hat: teuren Strom. Um die Grafikkarten mit den neuesten Spielen flüssig zu nutzen, verbrauchen sie viel Energie. Auf Twitter winkte eine Nutzerin bei Nvidias kommender Premium-Karte ab: "Die 4090 kannst du nur benutzen, wenn dein Vater ein Atomkraftwerk hat."

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