Süddeutsche Zeitung

Nutzfahrzeug-Industrie:MAN-Chef Hakan Samuelsson wirft hin

Abrupter Wechsel in München: MAN-Chef Hakan Samuelsson tritt wegen des Schmiergeld-Skandals bei dem Bus- und Lkw-Konzern zurück. Das für MAN fällige Bußgeld könnte deutlich über 100 Millionen Euro betragen.

Michael Kuntz und Klaus Ott

Der schwedische Manager Hakan Samuelsson zählt nicht zu den über hundert Beschuldigten, gegen die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft München laufen. Gleichwohl sei Samuelsson als Konzernchef "erschrocken über das Thema gewesen, das ihn persönlich berührt hat", sagte ein Konzernsprecher. Der Rücktritt sei Samuelssons eigene Entscheidung gewesen. Nach Angaben aus Unternehmenskreisen übernimmt er die "Gesamtverantwortung" für die Affäre. Die IG Metall begrüßte den Rücktritt.

MAN hat nach bisherigen Ermittlungsergebnissen etliche Kunden im Ausland (Europa, Afrika, Asien) bestochen, um Großaufträge vor allem für Busse zu erhalten. Die fragwürdigen Zahlungen belaufen sich auf 50 bis 100 Millionen Euro. Im Inland soll rund eine Million Euro für Schmiergeldzahlungen ausgegeben worden sein, um Busse und LKW zu verkaufen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung könnte das Bußgeld für den Konzern deutlich über 100 Millionen Euro betragen. Vor einigen Wochen war noch von 50 Millionen Euro die Rede. MAN äußerte sich dazu nicht.

Die Staatsanwaltschaft und MAN verhandeln derzeit über die Höhe des Bußgeldes. MAN soll die Gewinne berechnen, die aus den mit Schmiergeldzahlungen erlangten Aufträgen resultieren. Der Konzern hatte ursprünglich gehofft, bis zur nächsten Aufsichtsratssitzung Mitte Dezember mit der Staatsanwaltschaft eine Einigung über das Bußgeld erzielen zu können. Dieser Zeitplan ist nun aber hinfällig. Mit einem Ergebnis ist frühestens im ersten Quartal 2010 zu rechnen.

Beschuldigte müssen sich auf Anklage einstellen

Mehrere Beschuldigte müssen damit rechnen, wegen der Korruptionsdelikte angeklagt zu rechnen. Darunter ist auch der Ex-Chef der MAN-Tochter Turbo, gegen den wegen Bestechung in Kasachstan in Millionenhöhe ermittelt wird. Gegen Samulsson wird nicht wegen Gesetzesverstößen ermittelt, gegen ihn läuft bislang auch kein Bußgeldverfahren, wie das im Korruptionsfall Siemens bei Ex-Konzernchef Heinrich von Pierer der Fall ist. Bei MAN ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Geldbuße gegen das Unternehmen, mit der illegal erzielte Gewinne abgeschöpft werden sollen, mit einer mangelnden Kontrolle durch den Vorstand begründet wird. Die Affäre hat vor Samuelsson bereits zwei andere Top-Manager aus der MAN Nutzfahrzeuge AG, den Vertriebschef und die Chefcontrollerin, sowie weitere Führungskräfte ihren Job gekostet. Bei den beiden Top-Leuten und weiteren Managern prüft der Konzern Schadenersatzforderungen.

Samuelsson wolle dazu beitragen, "dass sich die MAN-Gruppe wieder zügig voll und ganz ihren Kerngeschäften und ihrer weiteren Unternehmensentwicklung widmen kann" heißt es in einer MAN-Mitteilung. "Samuelsson ist zu der Überzeugung gekommen, dass es zum Wohle des Unternehmens einen personellen Neuanfang auf höchster Ebene geben sollte." Der frühere Scania-Manager Samuelsson war 2000 zu MAN gewechselt, 2005 wurde er Vorstandschef und baute MAN in mehreren Schritten zu einem Konzern aus, der sich heute auf Nutzfahrzeuge und Dieselmotoren sowie Turbomaschinen konzentriert.

Für Aufsehen sorgte Samuelsson mit seinem Plan, seinen früheren Arbeitgeber zu übernehmen, den schwedischen Nutzfahrzeug-Hersteller Scania. Er hatte damit VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch gegen sich aufgebracht, weil er den Scania-Mitaktionär VW nicht in seine Pläne eingeweiht hatte. Die Aktion scheiterte und Scania-Eigentümer Volkswagen sicherte sich als Großaktionär auch bei MAN das Sagen.

Für die Aufsichtsratssitzung am 11. Dezember war eigentlich der Abschlussbericht für die Affäre angekündigt worden. Nun werden Piëch und die anderen Mitglieder des Kontrollgremiums sich zunächst der Führungsfrage widmen müssen. Kommissarischer Nachfolger von Samuelsson ist zunächst Georg Pachta-Reyhofen, der jetzige Vorstandsvorsitzende der MAN Diesel SE.

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SZ vom 24.11.2009/mel
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