Sieh an, Italiens berühmter Brotaufstrich wird grün. Genauer gesagt: Das bauchige Glas mit der süßen Kultcreme bekommt einen grünen Schraubdeckel. Am unverwechselbaren Nutella-Erlebnis ändere sich nichts, versichert aber der Naschkonzern Ferrero aus Alba im Piemont. Die Nuss-Nugat-Creme bleibe genauso geschmeidig, genauso fett und genauso süß, wie sie 1964, vor genau 60 Jahren, ihren Siegeszug rund um die Welt angetreten hat. Als ultimative Verführung der Gaumen.
Aber: Die neue Nutella verzichtet auf tierische Inhaltsstoffe und wird vegan. In der rein pflanzlichen Version des Brotaufstrichs haben die Tüftler im Forschungslabor am Stammsitz des Schokoladenkonzerns in Alba das Magermilchpulver aus der Rezeptur gestrichen. An dessen Stelle treten nun nach anderthalb Jahren Entwicklungsarbeit Kichererbsenmehl und Reissirup. Auf dem Etikett wird die Haselnusscreme mit einem grünen Aufdruck als plant based gekennzeichnet. Bei Ferrero zieht man pflanzenbasiert der Bezeichnung vegan vor. Nutella solle einem breiteren Publikum zugänglich gemacht werden, das aus gesundheitlichen Gründen oder aus ökologischen Erwägungen Tierprodukte meidet. „Das neue Produkt will inklusiv sein und zielt darauf ab, ein neues Marktsegment zu erschließen“, sagt Stefano Lelli Mami, Nutella-Marketingchef in Italien. Die klassische Version wird es aber weiterhin geben.
Hergestellt wird die vegane Nutella im Ferrero-Werk bei Neapel. Sie kommt dieser Tage in Italien, Frankreich und Belgien in den Handel. Für kommenden Januar ist die Markteinführung in Deutschland geplant. In die Entwicklung des neuen Produkts soll Ferrero zehn Millionen Euro investiert haben. Das zeigt: Auch der weltweit drittgrößte Schokoladenkonzern kann es sich nicht mehr leisten, neue Ernährungstrends zu ignorieren. Die Nachfrage von gesundheits- und umweltbewussten Verbrauchern wächst konstant.
Dabei setzt die Schokodynastie traditionell auf die Unvergänglichkeit ihrer Erfolgsrezepte. Michele Ferrero hatte 1964 mit der Nutella eines der international bekanntesten und beliebtesten Nahrungsmittel auf den Markt gebracht. Eine globale Markenikone, die mittlerweile in mehr als 160 Ländern konsumiert wird. Ferrero verkauft jährlich 400 Millionen Gläser. Aneinandergereiht würden sie die Erde 1,7-mal umrunden. Gesund ist sie nicht. In 100 Gramm Nutella stecken 56 Gramm Zucker, die Hauptzutat. Gefolgt von einem Drittel Palmöl, das dem Brotaufstrich den Glanz und die Cremigkeit verleiht. Weit dahinter kommen Haselnüsse mit 13 Prozent, Milchpulver mit 8,7 Prozent und Kakao mit 7,4 Prozent.
Das umstrittene Palmöl bleibt im Glas
Die Marke ist so stark, dass sie es sich erlauben konnte, am Einsatz des umstrittenen Palmöls festzuhalten. Vor acht Jahren war in Italien ein Glaubenskampf um das tropische Fett entbrannt. Während die meisten italienischen Hersteller schlagartig Palmöl aus ihren Keksen, Snacks, aus Schokolade, Pizzen und Brot verbannten und durch weniger verdächtige Fette ersetzten, warb Ferrero offensiv für sein „nachhaltig zertifiziertes Palmöl“, für das nach eigenen Angaben kein Regenwald abgeholzt wird. Dem Nutella-Absatz hat der Alleingang nicht geschadet.
Nun also ließ der Konzernerbe Giovanni Ferrero den von seinem Vater erfundenen Bestseller abwandeln. Aus der Zutatenliste wurde das Milchpulver gestrichen – ausgerechnet. Jahrzehntelang hatte Ferrero seine Kinderschokolade damit beworben, dass die kleinen Riegel mehr Milch und weniger Kakao enthielten. Eine „Extra-Portion Milch“ hieß es auf Deutsch. Da aber hatte Kuhmilch noch ein positives Image. Jetzt passt sich der reichste Mann Italiens den neuen Konsumgewohnheiten an. Mit der alternativen Nutella will Ferrero nicht nur Menschen mit Laktoseallergie ansprechen, sondern auch die wachsende Zahl von umweltbewussten Kunden. Naschkatzen sollten sich jedoch nichts vormachen. Auch ein Teelöffel pflanzenbasierter Nutella hat 80 Kalorien.