Null-Emissions-Stadt Masdar City:Die Notbremse des Sultans

Keine Autos und Müllberge: Masdar City sollte zur Ökostadt der Zukunft werden. Nun legt Abu Dhabi die Vision auf Eis. Dabei kannten die Pläne kaum Grenzen.

Markus Balser

Vor der Zukunft steht die Baustelle. Container, Kräne, Solarmodule: 30 Kilometer vor Abu Dhabi lassen die Herrscher des Emirats seit vier Jahren eine Stadt in den Wüstensand bauen, wie es sie noch nie gab: Völlig emissionsfrei und umweltfreundlich, so der Auftrag der Scheichs an Stararchitekt Sir Norman Foster.

50.000 Einwohner sollten leben wie in einem modernen Märchen - ohne Autos, schädliche Treibhausgase und Müllberge. Die erste Null-Emissions-Stadt der Erde werde sich selbst mit Öko-Energie und Wasser versorgen, kündigten die Planer vollmundig an.

Benzinschleudern? Verboten. Wenn Masdar City in zehn Jahren schlüsselfertig stehe, werde ein futuristisches Nahverkehrssystem aus fahrerlosen Elektrotaxis Bewohner an ihren Arbeitsplatz bringen - so weit die Vision.

Vorerst gestoppt

Die Realität sieht offenbar ganz anders aus. Denn das Prestigeprojekt am Golf ist vorerst gestoppt. Der Chef des Staatskonzerns Masdar, Sultan Al Jaber, hat den Entwicklern von Masdar City eine Denkpause von sechs bis acht Wochen verordnet.

Dabei solle die Stadt der Visionen auch auf ihre finanzielle Machbarkeit hin geprüft werden. Man müsse die Realisierung des Unterfangens in Hinsicht auf die Finanzen überdenken, erklärte die Projektgesellschaft, die sich den Stadtbau bislang 22 Milliarden Dollar kosten lassen wollte.

Beobachter in arabischen Medien warnten bereits davor, das Milliardenprojekt könnte komplett auf dem Spiel stehen, seit im Nachbaremirat Dubai vor wenigen Monaten die Immobilienblase platzte.

Wolkenkratzer, die niemand braucht

In der Region fallen seither die Preise für Büro- und Wohngebäude rapide. Noch immer werden Wolkenkratzer mit Wohnungen und Büroräumen fertig, die niemand braucht. Eine neue Stadt gelte als Risikoprojekt, hieß es. Masdar räumte bislang lediglich ein, die Pläne zu überarbeiten. Es sei mit Anpassungen zu rechnen.

Dabei kannten die Pläne kaum Grenzen. In Masdar, arabisch für Quelle, wollte Scheich Chalifa die "Hauptstadt der Energierevolution" ausrufen. Die Stadt war von Anfang an als Großversuch und Vorzeigeprojekt geplant.

Millionenmetropolen auf der ganzen Welt schauten gebannt auf das Experiment im Nahen Osten. Dabei machten die Stadtplaner aus ihrem Vorhaben ein großes Geheimnis. Besucher sind nicht erwünscht: Das sechs Quadratkilometer große Areal in Flughafennähe ist umzäunt und wird bewacht wie eine geheime Militärbasis.

Muster für die ganze Welt

Vieles, was hier erprobt werden soll, so die Hoffnung der Erbauer, könnte zum Muster für die ganze Welt werden. Bei einer positiven Entwicklung von Masdar City sollten noch weitere emissionsfreie Städte dieser Art folgen.

Für Abu Dhabi wird die Verzögerung auch auf politischem Parkett zur Imagepanne. Erst Ende Juni hatte das Emirat den Zuschlag für die weltweit begehrte Ansiedlung der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) bekommen.

Die neue Organisation mit Anbindung an die Vereinten Nationen soll neue Energiekonzepte fördern und zur weltweiten Verbreitung von Wissen und Techniken beitragen. Die Vereinigten Arabischen Emirate hatten sich gegen die Konkurrenten Bonn und Wien durchgesetzt. Neue Heimat: Masdar City.

Vision mit Verspätung

Doch bereits Anfang Januar musste der Bauherr einräumen, dass seine Vision Verspätung hat. Nicht wie ursprünglich geplant 2015, sondern wohl erst 2020 würde die Stadt fertiggestellt sein, kündigte Masdar an. Die neue Überprüfung könnte den Bau nun weiter verzögern, fürchten Lieferanten des Projekts.

Erst vor wenigen Tagen nahmen der Chef von Masdar Energie, Ziad Tassabehji, und der Chef der Masdar Immobilienentwicklung, Khaled Awad, ihren Hut. Offiziell heißt es: "Die Stabübergabe von Awad und Tassabehji an die Nachfolger werde schrittweise vollzogen. In schnell wachsenden Unternehmen sei es normal, dass die Belegschaft wechselt. "Die Leute kommen und gehen; wir kommen sehr gut mit dem Wechsel klar", sagte ein Masdar-Sprecher.

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