Versicherungen:Nürnberger baut 600 Stellen ab

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Schild der Nürnberger Versicherungsgruppe vor der Zentrale. (Foto: Peter Roggenthin/dpa)

Die Nürnberger Versicherung reduziert die Belegschaft um mehr als 20 Prozent. Dadurch will das Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben. Auch beim Sponsoring will der Versicherer sparen.

Von Christian Bellmann, Herbert Fromme, Köln

Die Nürnberger Versicherung baut 600 der insgesamt 2900 Vollzeitarbeitsplätze ab, mehr als 20 Prozent der Belegschaft. Da bei der Gesellschaft viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Teilzeit arbeiten, ist die Zahl der Betroffenen noch höher.

„Fit für die Zukunft“ nennt der Vorstand unter dem Konzernchef Harald Rosenberger das Programm. Er will Aktivitäten reduzieren: Tarife mit nur wenigen Kunden werden geschlossen. Die Beschäftigten erhalten mehr Verantwortung. „Mitarbeiter sollen einen Fall mit einem Kunden abschließen können, bei dem sie früher noch mit drei Kollegen Rücksprache halten mussten“, sagte eine Sprecherin des Versicherers.

Frei werdende Stellen werden nur wiederbesetzt, wenn es nötig ist, erläuterte die Sprecherin. „Dann gibt es eine interne Ausschreibung, die vielleicht auch eine Umschulung voraussetzt.“

Ziel sei es, „die Kostenlücke zum Wettbewerb zu schließen“. So will die Nürnberger bis 2026 insgesamt 75 Millionen Euro einsparen. „Unsere Verwaltungs- und Abschlusskosten sind höher als bei anderen Versicherern“, sagte sie.

In der Pandemie haben die meisten Versicherer gut verdient, auch weil es weniger Schäden in der Autoversicherung und der Hausratversicherung gab. Aber aktuell werden sie von einer kräftigen Inflation bei den Schäden gebeutelt: Handwerker und Autowerkstätten sind teurer geworden, die langfristige Versorgung von Unfallopfern kostet sehr viel mehr.

Die Nürnberger ist die erste Gesellschaft, die offensiv ein Kostensenkungsprogramm ankündigt, andere machen das eher still. Sie haben die Sorge, dass bei Personalabbauwellen die Falschen gehen, nämlich die dringend benötigten Fachkräfte.

Auch die Nürnberger will die gesuchten Experten möglichst behalten, aber trotzdem die Zahl der Stellen abbauen. Gelingen soll das über die Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und die gezielte Reduzierung in bestimmten Segmenten.

Auch wenn insgesamt 600 Vollzeitstellen wegfallen sollen, laute das Motto beim Thema Personal „Umbau vor Abbau“, betont das Unternehmen und verweist auf den Fachkräftemangel. „Durch die Verschlankung von Prozessen und den Wegfall von Aufgaben ergeben sich Veränderungen im Anforderungsprofil.“

Die Nürnberger will mit dem Angebot interner Qualifizierungsmöglichkeiten die Zahl der Mitarbeiter mit Blick auf anstehende Renteneintritte bis 2030 „ausbalancieren“, außerdem fördert das Unternehmen zur Überbrückung unter anderem Teilzeitmodelle.

Die Verhandlungen mit dem Betriebsrat seien „intensiv und produktiv“ gewesen, berichtet Rosenberger, der seit April 2023 an der Spitze des Unternehmens steht. Bis Ende 2026 soll es keine betriebsbedingten Kündigungen geben.

Rosenberger will den Versicherer dauerhaft kosteneffizienter machen. „Wir haben wirkungsvolle Lösungen vereinbart und starten jetzt damit, diese umzusetzen.“ Das beschlossene Maßnahmenpaket sieht demnach unter anderem eine „Reduzierung und Optimierung von Aufgaben und Prozessen“ vor, die zudem schneller, schlanker und digitaler werden sollen.

Zahlreiche Sturm- und Flutereignisse und die durch die Inflation getriebenen hohen Schäden in der Autoversicherung hatten 2023 in der Schadenversicherung zu einem deutlichen Verlust von 24 Millionen Euro geführt. In der Kfz-Versicherung nahm die Nürnberger im vergangenen Jahr 138 Millionen Euro ein und gab 178 Millionen Euro für Schäden und Kosten aus, das hält kein Unternehmen langfristig aus.

Über alle Sparten verdiente der börsennotierte Konzern nur noch 43 Millionen Euro, im Jahr 2022 waren es noch 70 Millionen Euro gewesen. Für das laufende Jahr peilt Rosenberger einen Gewinn von 40 Millionen bis 50 Millionen Euro an. 2026 oder 2027 soll der Gewinn nach dem Willen des Vorstandschefs auf 100 Millionen Euro steigen.

Rosenberger, der seit sieben Jahren für die Nürnberger in leitender Funktion tätig ist und zuvor 13 Jahre für den Rückversicherer Munich Re gearbeitet hatte, hat sich vorgenommen, die Nürnberger zu einem „Präventionsversicherer“ zu machen. Mit den jetzt ergriffenen Maßnahmen will er den zunehmenden Risiken durch Klimawandel und den steigenden Gesundheitskosten begegnen und dafür sorgen, dass Versicherungsschutz für die Kunden bezahlbar bleibt. „Zuerst fangen wir im eigenen Unternehmen an, machen uns effizienter und lassen Dinge weg, die wenig Wert schaffen“, so Rosenberger.

„Natürlich stellen wir auch unsere Sponsoring-Aktivitäten auf den Prüfstand“, sagte die Sprecherin. „Hier prüfen wir, ob die Vereinbarungen zu unserem neuen Geschäftsmodell, dem Präventionsversicherer, passen.“ Bislang gehört auch der 1. FC Nürnberg zu den Empfängern der Versicherer-Millionen, damit könnte 2025 Schluss sein.

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