Nürnberg:Niedergang eines Industriestandorts

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Es kriselt gewaltig im ehemals boomenden Großraum Nürnberg. Nach dem Aus bei Grundig droht nun auch bei AEG die Schließung. Experten sehen bislang kein Ende des mühsamen Strukturwandels.

Mit einer möglichen Schließung der AEG-Niederlassung mit mehr als 1700 Arbeitsplätzen setzt sich nach Ansicht der örtlichen IG Metall der Niedergang des Industriestandorts Nürnberg fort.

Nach Grundig droht nun auch AEG in Nürnberg das Aus. (Foto: Montage: suddeutsche.de)

Nach Einschätzung von Fachleuten ist das längst nicht das Ende der Fahnenstange; der schmerzliche Strukturwandel werde noch etliche Jahre andauern.

Allein in der Metall- und Elektroindustrie rechnet der Nürnberger IG Metall-Chef Gerd Lobodda in den nächsten Jahren mit dem Verlust von mehreren tausend Arbeitsplätzen - mit bitteren Folgen für die Betroffenen.

"Für Leute mit einer durchschnittlichen Qualifikation gibt es praktisch keine Beschäftigung mehr in der Region", kritisiert er. Die neu entstehenden Jobs in der Dienstleistungsbranche stellten nur in seltenen Fällen für Arbeiter aus den alt eingesessenen Betrieben eine Alternative dar.

Industriestandort schrumpft

Vieles deutet nach Loboddas Einschätzung darauf hin, dass die Industrie im Großraum Nürnberg langfristig zu einer Restgröße schrumpft. Allein in den vergangenen vier bis fünf Jahren verlor die Stadt mit den Werkschließungen des Bahn-Herstellers Adtranz, des Turbinenproduzenten ABB Alstom, des Spraydosen-Herstellers Cebal und von Grundig knapp 6000 Arbeitsplätze.

Dabei war nach Angaben der Industrie- und Handelskammer (IHK) bereits in den Jahrzehnten davor der Aderlass enorm: Zwischen 1974 und 1999 gingen nach Kammer-Angaben in Mittelfranken rund 104.000 Industrie-Arbeitsplätze verloren - die meisten in Nürnberg und Fürth.

Der Anteil der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe schrumpfte damit von einst 61 auf 40 Prozent. In der Stadt Nürnberg lag der Anteil dieser Beschäftigtengruppe 2003 sogar nur noch bei 27 Prozent.

Dennoch stellt die Industrie mit 70.000 Arbeitsplätzen in Nürnberg noch immer einen bedeutenden Wirtschaftszweig dar. Allein der Rüstungs- und Technologie-Konzern Diehl bietet im Großraum rund 3000 Menschen einen Arbeitsplatz an. Beim Motorenhersteller MAN sind es sogar 3500, bei Bosch 2000 und beim Kolbenhersteller Federal Mogul 1200. Hinzu kommen etliche tausend Stellen bei Siemens.

Dienstleistungssektor wächst

Auf diese industriellen Strukturen verweist seit Jahren auch die Wirtschaftsförderung der Stadt. Dabei wird sie nicht müde, vor allem auf das stark expandierende Dienstleistungsgewerbe hinzuweisen. Nach IHK-Zahlen sind hier allein in Nürnberg zwischen 1974 und 1999 rund 152.000 Arbeitsplätze entstanden.

Im Saldo gebe es heute 48.000 mehr Jobs als zu Beginn der Industriekrise, betonen die städtischen Wirtschaftsförderer. Allerdings hat sich das Wachstum im Dienstleistungsgewerbe in den vergangenen Jahren stark verlangsamt. So wuchs die Zahl der Dienstleistungsplätze in Nürnberg von 1998 bis 2003 nur noch um gut 8000.

Zulieferer in der Zwickmühle

Die Gründe für den zyklischen Abbau von Industriearbeitsplätzen, der häufig auch Zulieferer und so genannte industrielle Dienstleister in die Krise treibt, sind vielfältig.

Ein Hauptproblem stellt dabei nach Auffassung von Fachleuten die Abhängigkeit vieler Betriebe von internationalen Konzernen dar. Dadurch fehle den Managern oft die Identifikation mit dem Standort, wie er etwa bei Diehl stark ausgeprägt sei, wie selbst Lobodda lobt: "Die geben sich auch mit zwei bis drei Prozent Rendite zufrieden." Zudem hätten viele Unternehmen in der Region den Übergang von der Mechanik zur Elektronik verschlafen.

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