Wirtschaftskrise:In NRW wird das Geld knapp

Wirtschaftskrise: Weniger Geld für die Länder kann auch heißen: weniger Geld für Bildung.

Weniger Geld für die Länder kann auch heißen: weniger Geld für Bildung.

(Foto: Julian Strate/picture alliance)

Die Regierung um Ministerpräsident Wüst warnt vor einem Einbruch der Steuereinnahmen und bangt um ihre Reformen. Das geplante Hilfspaket der Ampel verschärfe die Krise sogar noch.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Explodierende Energiepreise und eine drohende Rezession alarmieren die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen. Man blicke "mit großer Sorge" auf die Entwicklung der Steuereinnahmen in Herbst und Winter, hieß es am Montag aus dem Finanzministerium des bevölkerungsreichsten Bundeslandes. Zudem befürchtet das Finanzministerium in Düsseldorf Belastungen "von mehr als drei Milliarden Euro" durch das von der Bundesregierung vorige Woche angekündigte Entlastungspaket. Unterm Strich gefährde die ungewisse Haushaltslage zentrale Reformvorhaben der schwarz-grünen Koalition, etwa ein zusätzliches beitragsfreies Kita-Jahr oder eine höhere Besoldung für Grundschullehrerinnen. "Der Spielraum, neue Dinge umzusetzen, die die Koalition für wichtig hält, ist gering bis Null", sagte Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU).

Noch, so räumt die Finanzverwaltung von NRW zwar ein, sprudeln die Steuerzuflüsse an Rhein und Ruhr. So seien etwa die Einnahmen aus der Mehrwertsteuer im Frühjahr gegenüber dem Vorjahr um fast zwanzig Prozent gestiegen. Neben den gestiegenen Preisen (die automatisch die Steuereinnahmen steigern) erkläre sich diese rasante Zunahme dadurch, dass die Wirtschaft - anders als noch 2021 - ohne einen Corona-Lockdown durch das Frühjahr gekommen sei.

Spätestens im vierten Quartal jedoch drohe nun "eine Eintrübung." Im Düsseldorfer Finanzministerium zog man am Montag sogar einen Vergleich zur Bankenkrise 2008, die eine globale Finanzkrise zur Folge hatte. Möglich seien "Kaskadeneffekte und "ein sehr heftiger Einbruch" der Steuereinnahmen. Bisher hatten die Düsseldorfer Finanzexperten gehofft, dass die hohe Inflation die fiskalischen Folgen eines Konjunktureinbruchs in etwa ausgleichen könne. "Aber da sind wir nicht mehr sicher."

Massive Kritik äußert man im Düsseldorfer Finanzministerium an den bisherigen Plänen der Berliner Ampel-Koalition für ein neues, drittes Entlastungspaket in Höhe von insgesamt 65 Milliarden Euro. Die Vorschläge des Bundes würden allein in NRW im Jahr 2023 ein Haushaltsloch von mehr als drei Milliarden Euro aufreißen, heißt es in Düsseldorf. Die NRW-Finanzexperten haben heftige Zweifel an den bisherigen Berechnungen des Bundesfinanzministeriums (BMF). Das Haus von Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte vergangene Woche kalkuliert, dass der Bund in 2022 und 2023 ungefähr 36,5 der 65 Milliarden Euro tragen werde. Die Erträge unter anderem aus der geplanten Strompreisbremse schätzte das BMF auf mindestens 10 Milliarden Euro - was für die Länder eine finanzielle Rest-Last durch Mehrausgaben oder steuerliche Mindereinnahmen von circa 18 bis 19 Milliarden Euro bedeuten würde.

Finanzpolitiker in NRW jedoch rechnen anders. Nach Düsseldorfer Schätzungen müssten Bund und Länder die Belastungen "beinahe fifty-fifty" schultern. Das sei "unfair" und den Ländern nicht zuzumuten, schließlich sei vorrangig der Bund für eine Belebung der Konjunktur im Falle einer Krise zuständig. Angemessen sei daher als Aufteilung eher "75 zu 25".

Regierungschef Wüst will das Ampelpaket neu schnüren

Konkret bemängeln Vertreter der schwarz-grünen NRW-Regierung zwei Vorschläge der Ampel. Erstens weist Düsseldorf den Berliner Vorschlag zurück, für eine Nachfolge des 9-Euro-Tickets in Bussen und Bahnen sollten Bund und Länder jeweils 1,5 Milliarden Euro in 2023 aufwenden. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) wie auch sein Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) verlangen zusätzliche Milliarden, um den ÖPNV auszubauen und um die Defizite abzudecken, die bei den Verkehrsbetrieben durch die Corona-Krise sowie durch höhere Kosten für Treibstoff und Strom anfallen. Wüst, derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidenten-Konferenz (MPK), forderte vorigen Freitag in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) für die Länder "über drei Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich" vom Bund, um den ÖPNV auszubauen. Die Zuschüsse für ein neues Billigticket kämen noch obendrauf. Wüst will das Ampelpaket neu schnüren - und darüber bei einer MPK mit Bundeskanzler Olaf Scholz am 28. September verhandeln.

Dabei dürfte Wüst auch die Bedenken seiner Finanzexperten über einen zweiten Posten des Entlastungspakets vortragen: Die Ampel will einmalige Sonderzahlungen der Arbeitgeber an Mitarbeiter in 2023 nicht besteuern. Die steuerlichen Mindereinnahmen einer solchen "Inflationsprämie" von bis zu 3000 Euro je Arbeitnehmer beziffert das BMF auf 1,2 Milliarden, einen Großteil dieser Kosten entfiele auf die Länder. "Falsch" nennt man in Düsseldorf diese Rechnung, denn: Das BMF habe unterstellt, dass bundesweit nur fünf Millionen Beschäftigte eine solche Prämie bekämen. "Das werden deutlich mehr", glaubt man im Düsseldorfer Finanzministerium, "unsere Ausfälle werden viel höher." Für den Landeshaushalt wiederum würde das die Spielräume zusätzlich verengen - "auf null".

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