Süddeutsche Zeitung

Brand in Notre-Dame:Warum keine Versicherung den ganzen Schaden zahlt

  • Bislang ist noch nicht bekannt, ob und in welchem Umfang die Kathedrale Notre-Dame versichert ist, doch der Schweizer Rückversicherer Swiss Re geht davon aus, dass der französische Staat für den Wiederaufbau verantwortlich ist.
  • Sollte das Bauunternehmen, das die Kathedrale renovierte, eine Mitschuld an dem Brand tragen, haftet die Firma.
  • Die Brandursache ist allerdings noch unklar. Und selbst wenn eine Versicherung greifen sollte, wird die abgedeckte Summe nicht ausreichen.

Von Anne-Christin Gröger

Das Feuer, das am Montagabend in der Pariser Kathedrale Notre-Dame ausgebrochen ist, hat schwere Schäden verursacht - es wird jedoch noch viele Jahre dauern, bis das Gesamtausmaß der Verluste festgestellt werden kann. Davon geht der kirchennahe Versicherungsmakler Ecclesia aus. "Der Gesamtaufwand solcher Großschäden kann oft erst beim Abschluss der Aufbauarbeiten erfasst werden, bis dahin können viele Jahre vergehen", sagt ein Sprecher.

Ob und in welchem Umfang das französische National-Symbol versichert ist, ist bislang nicht bekannt. Der Schweizer Rückversicherer Swiss Re geht davon aus, dass der französische Staat für den Wiederaufbau verantwortlich ist. "Im Allgemeinen sind Kirchen in Frankreich Eigentum des Staates, und dieser versichert sich selbst", so das Unternehmen. Dennoch muss zunächst geklärt werden, wer oder was das Feuer verursacht hat. Das ist im Moment ebenfalls noch unklar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt und geht wie die Feuerwehr derzeit von einem Unfall aus, der im Zusammenhang mit den Renovierungsarbeiten am Dach der Kathedrale passiert ist.

Kann dem zuständigen Bauunternehmen eine Schuld nachgewiesen werden, müssten dessen Haftpflichtversicherungen zahlen, unter anderem die Axa. Zwei der Firmen, die Renovierungsarbeiten an dem Gebäude vorgenommen hatten, Echafaudage und Le Bras Frères, haben eine entsprechende Police bei dem französischen Versicherungsunternehmen abgeschlossen. Das teilte der Konzern am Dienstagabend mit.

Die Versicherungssummen sind in solchen Verträgen jedoch immer begrenzt und würden in so einem Fall wohl auch nicht ausreichen. Darüber hinaus wäre der Bauunternehmer haftbar und könnte mit seiner Firma in Haftung genommen werden - bis hin zur Pleite.

"In Deutschland sind Kirchen, auch historische, in der Regel brandschutzversichert", sagt der Ecclesia-Sprecher. Das heißt, die jeweilige Kirchengemeinde schließt eine Feuerversicherung ab, hat Prämien bezahlt und je nach Brandursache auch Anspruch auf eine Entschädigung. So erhielt die Gemeinde der Nürnberger Kirche St. Martha vier Jahre nach einem Großbrand, der das Haus innen fast völlig zerstörte, neun Millionen Euro von ihrem Feuerversicherer für den Wiederaufbau. Den Rest finanzierte die Gemeinde aus Spenden.

Die Renovierung von Notre-Dame dürfte um ein Vielfaches teurer sein. Der mittelalterliche Dachstuhl, eine originale Eichenkonstruktion aus dem 13. Jahrhundert, ist zerstört. Teile der Gewölbekuppeln sind eingestürzt. Der 96 Meter hohe Vierungsturm aus dem 19. Jahrhundert ist ebenfalls zusammengebrochen. Dazu haben Rauch und Löschwasser schwere Schäden an den Gemäuern der Kirche verursacht.

Manchmal streiten Geschädigte und Versicherer über Jahre

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kündigte an, die Kathedrale wiederaufbauen zu lassen und rief "die besten Handwerker und Künstler aus aller Welt" auf, sich daran zu beteiligen. Nach Einschätzungen von Ecclesia wird es keine Schwierigkeit sein, für die Arbeiten Handwerker zu finden. Besonders wichtig sei es, geeignete Architekten zu finden.

Wie es um die in der Kirche aufbewahrten Kunstschätze bestellt ist, müssen Experten prüfen, sobald die Einsturzgefahr gebannt ist. Eine der wichtigsten Reliquien der katholischen Kirche, die Dornenkrone, die Jesus Christus bei seiner Kreuzigung getragen haben soll, konnte gerettet werden, auch die Hauptorgel, die als eine der größten der Welt gilt, ist noch intakt. Dennoch ist davon auszugehen, dass viele wertvolle Kunstgegenstände beim Brand beschädigt oder zerstört wurden.

Auch für diese Schäden wird die Axa zahlen, über ihre Kunstversicherungs-Tochter Axa Art. "Axa Art ist an der Versicherung bestimmter Artefakte und zeremonieller Objekte in der Notre Dame beteiligt", teilte der Konzern mit. Ein Sprecher wollte noch keine Schätzung abgeben, welche Kosten auf den Versicherer zukommen könnte.

Zu welchen unschönen Diskussionen eine solche Katastrophe mit dem Versicherer führen kann, davon kann die Stiftung Weimarer Klassik leidvoll berichten. Als im Jahr 2004 in der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar ein Brand ausbrach und das Feuer insgesamt rund 50.000 wertvolle historische Bücher aus dem 17. und 18. Jahrhundert zerstörte, folgte im Nachgang ein fast vier Jahre dauernder Streit mit dem Konsortium um die Höhe der Versicherungssumme.

Während die Versicherer 2,5 Millionen Euro zahlen wollten, forderte die Stiftung Klassik 20 Millionen Euro. Konkret ging es um eine unklar formulierte Passage im Vertrag und um die Frage, ob die dort versicherten Kunstobjekte auch Bücher umfassten. Letztendlich einigten sich die Beteiligten auf einen Vergleich in Höhe von fünf Millionen Euro.

Eines ist auch bei Notre-Dame sicher: Der Brand wird Schadenexperten noch viele Jahre lang beschäftigen.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, der eingestürzte Vierungsturm stamme aus dem 13. Jahrhundert. Tatsächlich wurde er erst im 19. Jahrhundert errichtet.

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