Der Brand von Notre-Dame hat einen Spenden-Wettkampf unter Frankreichs Milliardären ausgelöst und eine alte Rivalität zwischen zwei der reichsten französischen Familien neu belebt. Es geht um die Nummer eins gegen die Nummer drei: Arnault gegen Pinault.
Noch während die Kathedrale auf der Ile de la Cité in Flammen stand, ließ François-Henri Pinault, der Sohn des Unternehmers François Pinault, mitteilen, dass die Familie für den Wiederaufbau von Notre-Dame 100 Millionen Euro spenden würde. Er habe seine 17-jährige Tochter beim Anblick der Fernsehbilder weinen sehen, erklärte François-Henri Pinault seinen Altruismus. Der 56-Jährige übernahm vor mehr als zehn Jahren die Geschäfte des Vaters. Er ist Herr über die Familien-Holding Artemis und den Luxuskonzern Kering, zu dem unter anderem die Modemarken Saint Laurent, Gucci und Brioni gehören. Pinault junior ist verheiratet mit der bekannten Schauspielerin Salma Hayek. Die Pinaults sind die drittreichste Familie Frankreichs. Die US-amerikanische Finanzmarktagentur Bloomberg schätzt ihr Vermögen auf 37,3 Milliarden Dollar.
Brand in Notre-Dame:Warum keine Versicherung den ganzen Schaden zahlt
Noch ist unklar, wie das Feuer in der Kathedrale ausbrach und wer dafür haftet. Klar ist aber: Die Versicherungssumme wird angesichts der Dimensionen in keinem Fall ausreichen.
Kurze Zeit, nachdem die Pinaults ihre Spende angekündigt hatten, meldete sich eine nicht weniger einflussreiche Partei zu Wort: die Arnaults. Und anscheinend will die Familie des gelernten Ingenieurs Bernard Arnault den langjährigen Widersacher übertrumpfen: Arnault versprach nicht 100, nein, 200 Millionen Euro für den Wiederaufbau. Das Vermögen des Unternehmers wird auf knapp 70 Milliarden Euro geschätzt. Glaubt man dem Magazin Forbes, ist Arnault der viertreichste Mann der Welt. Zu seiner Luxusgüter-Holding LVMH zählen Louis Vuitton und der Champagner-Hersteller Moët & Chandon.
Die beiden Familien, vor allem Pinault Senior und Bernard Arnault, wetteifern seit Jahren um die öffentliche Aufmerksamkeit. Alles fing in den 90er-Jahren an, als sowohl Arnault als auch Pinault Schlösser in der Region Bordelais im Südwesten Frankreichs kauften. Von da an versuchte einer den anderen auszustechen. Von Erzfeinden ist die Rede. Ein Duell mit dem Florett zwischen dem Bretonen Pinault und dem Chti Arnault, so beschreiben es die französischen Zeitungen.
Pinault war Ende der 90er-Jahre der Schnellere, als es um die Übernahmen von Gucci und Yves Saint Laurent ging. Dafür sicherte sich Arnault die Edelmarken Dior und Bulgari.
Außerdem haben die Familien ein Hobby, das sie teilen: ihre Kunstsammlungen. Das Vermögen des 82 Jahre alten François Pinault ist zwar nicht so groß wie das von Bernard Arnault, in der Kunstszene gilt er jedoch als der Einflussreichere von beiden. Er fing mit seiner Leidenschaft schon in den 70er-Jahren an. Damals legte er sich ein postimpressionistisches Gemälde zu. Mittlerweile gilt seine Sammlung als eine der größten Privatsammlungen zeitgenössischer und moderner Kunst auf der Welt. Bis zu 4000 Werke soll sie umfassen, von Klassikern der Moderne bis hin zu heutigen Aushängeschildern wie Jeff Koons oder Maurizio Cattelan. Bernard Arnault dagegen begann erst in den 80er-Jahren mit seiner Sammlung. Dafür war sein erstes Kunstwerk gleich ein Claude Monet - ein Original selbstverständlich.
Pinault stellt seine Sammlung gerne aus, Arnault zeigt, wenn überhaupt, nur Ausschnitte davon. Beide spielen bei der Jagd nach neuen Kunstschätzen in einer Liga. Dieses Buhlen ist sehr typisch für den französischen Kunstmarkt. In Frankreich hängt noch viel mehr von der Gunst der Mäzene ab, die typischerweise in großen Unternehmerfamilien anzutreffen sind, als beispielsweise in Deutschland.
Der eine kauft einen Weinberg, der andere auch
Sowohl Arnault als auch Pinault besitzen zudem Museen. Arnault eröffnete noch 2014 am Pariser Stadtwald Bois de Boulogne die Fondation Louis Vuitton. Immer wieder werden bedeutende Schätze wie Teile der permanenten Ausstellung des New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) hier gezeigt.
François Pinault plante eigentlich schon Anfang des Jahrtausends einen Neubau im Pariser Zentrum, auf der Seine-Insel Île Seguin. Doch Bürgerinitiativen und die zuständige Gemeinde verhinderten den Traum des Milliardärs. Weil er sich die Schmach nicht bieten lassen wollte, zog Pinault mitsamt seiner Werke nach Venedig und stellte diese eben dort aus. Nun soll Pinaults langjähriger Plan aber doch aufgehen: Bis 2020 soll in unmittelbarer Nähe des Centre Pompidou und des Louvre ein riesiger Kuppelbau entstehen. Es soll Pinaults Vermächtnis sein - vor allem aber würde er Arnault übertrumpfen.
Die Spenden für Notre-Dame sind zu großen Teilen steuerlich absetzbar. Nach heftiger Kritik in Frankreich hat die Familie Pinault am Mittwoch jedoch betont, dass sie auf den Steuervorteil verzichten will.
Mit den angekündigten Spenden haben beide Familien, ob aus ethisch einwandfreien Gründen oder Effekthascherei, jedenfalls wieder einmal bewiesen: Der eine kann nicht ohne den anderen. Und man gönnt sich gegenseitig nichts.
Am besten illustriert dies das 700 Einwohner kleine Dorf Morey-Saint-Denis im Burgund. Bernard Arnault hat sich dort vor einigen Jahren ein Weinbaugebiet gesichert. Wenig später, im Oktober 2017, kaufte der Widersacher François Pinault das direkt daran angrenzende Gebiet für 250 Millionen Euro. Es ist die größte Summe, die je für einen Weinberg ausgegeben wurde, der kleiner als acht Hektar groß ist. Feindschaft muss einem eben etwas wert sein.