Notenbank:Ratlos in Tokio

Notenbankchef Kuroda hat kein Glück mit seiner Geldpolitik - nun will er die Aktienkäufe verdoppeln. Die Börse sieht darin nur die Ratlosigkeit Kurodas beim Versuch, die japanische Wirtschaft endlich anzukurbeln.

Von Christoph Neidhart, Tokio

Japans Notenbank-Chef Haruhiko Kuroda hat bislang viel Kritik an seiner Lockerung der Geldpolitik einstecken müssen - auch aus den eigenen Reihen. Nun versucht er, die Börse so zu manipulieren, dass er seinen Kritikern damit keine neuen Gegenargumente verschafft. So kündigte er am Freitag an, die Aktienkäufe der Bank of Japan (BOJ) von jährlich 300 Milliarden Yen auf 600 Milliarden Yen zu verdoppeln, etwa 4,5 Milliarden Euro. Das sei keine Erweiterung der lockeren Geldpolitik, sagte er vorsorglich, sondern bloß eine "zusätzliche Maßnahme". Mit dem neuen Geld sollen Anteile japanischer Firmen gekauft werden, die im Inland investieren, mehr Menschen einstellen oder die Löhne erhöhen. Kurodo will so Firmen, die der Regierung von Premier Shinzo Abe entgegenkommen, mit Kurspflege belohnen.

Die BOJ betreibt bereits seit 15 Jahren eine Nullzins-Politik. Dennoch stagniert Japans Wirtschaft weiter, es herrscht eine milde Deflation. Seit bald drei Jahren kauft sie deshalb zusätzlich für 80 Billionen Yen Staatsanleihen. Da Tokio jährlich aber lediglich 40 Billionen Yen an neuem Geld aufnimmt, trocknet die Notenbank mit ihren Käufen den Markt aus. Und schirmt den Staat so gegen höhere Schuldzinsen ab. Außerdem finanziert sie das Staatsdefizit direkt, zumal die Durchschnittslaufzeit der Staatspapiere, die sie hält, nun verlängert wird. Kuroda reduziert damit den Druck auf Abe, die Staatskasse zu sanieren, deren Verschuldung 250 Prozent der japanischen Jahreswirtschaftsleistung entspricht.

Kuroda hat seine harte Linie stets mit einer Deflationserwartung begründet. Sobald die Leute mit Inflation rechneten, so behauptet er, würden sie mehr kaufen und investieren, sodass die Wirtschaft anziehe. Das hat sich bisher nicht bestätigt. Die Japaner kaufen weniger als vor einem Jahr, die Preise stagnieren auch im dritten Jahr der Rosskur, zuletzt haben sie sogar nachgegeben. Der Yen verlor ein Drittel seines Werts, das Exportvolumen ist kaum gestiegen. Lediglich die Börse legte zu, doch inzwischen hat auch sie kein Vertrauen mehr zu Kuroda. "Die BOJ hat den Kontakt zur Realität verloren", kritisierte Unicredit-Chefstratege Vasileos Gkionakis im Fernsehen. Andere Kommentatoren meinen, Kuroda habe mit seiner Ankündigung nur auf die Schlagzeilen spekuliert, also auf die psychologische Komponente. In der Tat zog die Börse am Freitag erst an, schloss aber im Minus, weil Händler erkannten, dass Kurodas jüngster Streich eher Ratlosigkeit verrate.

Die BOJ kauft Aktien nicht direkt an der Börse, sondern über ETFs, Exchange Traded Funds, also passiv verwaltete Indexfonds, deren Kurse einen Index oder eine Aktienkategorie widerspiegeln. Mit Derivaten versprechen einige ETF-Anbieter wie Nomura, die Gewinne im Vergleich zum entsprechenden Aktienpaket zu verdoppeln. Das hat diese Instrumente, die scheinbar sicherer sind als Einzelaktien, so populär gemacht, dass sie die meistgehandelten Titel in Tokio sind. Allerdings könnten die ETFs die Börse destabilisieren, sie werden für die jüngsten Ausschläge des Nikkei verantwortlich gemacht. In solche Instrumente will die BOJ vermehrt investieren.

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