Notenbank-Entscheidung:EZB senkt Leitzins auf Rekordtief

Die Europäische Zentralbank hat ihren Leitzins erneut gesenkt - auf einen Rekordwert von 0,25 Prozent. Der Grund dürfte die Angst vor einer drohenden Deflation sein. Euro und Dax reagieren prompt. EZB-Präsident Draghi kündigte an, dass die Zinsen auch noch eine Weile auf diesem Niveau bleiben werden.

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins im Euro-Raum überraschend auf das Rekordtief von 0,25 Prozent gesenkt. Das beschloss der EZB-Rat nach Angaben der Notenbank am Donnerstag in Frankfurt.

Den sogenannten Einlagesatz, zu dem Banken ihr Geld bei der EZB parken können, beließen die Währungshüter bei null Prozent. Der Satz, zu dem sich die Institute kurzfristig Geld bei der Zentralbank leihen, kappten die Notenbanker um einen Viertelpunkt auf 0,75 Prozent.

Die EZB verspricht mit diesen Maßnahmen billiges Geld für die Märkte - und nicht nur jetzt: Der EZB-Rat gehe davon aus, dass die Zinsen im Euroraum für einen längeren Zeitraum auf dem aktuellen Niveau oder darunter liegen werden, sagte EZB-Präsident Mario Draghi. Die Notenbank erwarte eine "längere Phase niedriger Inflation", erklärte der Italiener.

Der Dax reagierte prompt. Der deutsche Leitindex sprang um mehr als 100 Punkte nach oben und überschritt erstmals die 9100-Punkte-Marke. Zeitweise stieg er bis auf 9162,08 Punkte. Der Euro stürzte dagegen um mehr als ein Prozent auf 1,3359 Dollar ab. Der niedrigere Zins sorgt für billigere Liquidität im Finanzsystem der Euro-Zone, dass von den Investoren unter anderem an den Aktienbörsen untergebracht werden dürfte.

Nach dem überraschend kräftigen Rückgang der Inflation in den 17 Euro-Ländern im Oktober hatten sich zuletzt Rufe nach einer weiteren Zinssenkung der Notenbank gemehrt. Die Teuerungsrate war auf 0,7 Prozent gefallen und lag damit deutlich unter dem Niveau von zwei Prozent, das aus Sicht der Notenbanker stabile Preise signalisiert.

The euro sculpture is seen outside the head quarters of the European Central Bank in Frankfurt

Die Euro-Skulptur vor dem Hauptquartier der EZB in Frankfurt

(Foto: REUTERS)

Ökonomen hatten mit Zinspause gerechnet

Trotz der zuletzt niedrigen Inflation droht der Euro-Zone laut EZB-Chef Mario Draghi kein Preisverfall auf breiter Front. "Wir sehen insgesamt keine Deflation auf uns zukommen", sagte Draghi weiter. Details zu der erwarteten Preisentwicklung werde die EZB in den Konjunkturprognosen im Dezember vorlegen.

In Spanien ist die Teuerungsrate nahe null, es gibt eindeutige deflationäre Tendenzen. In Deutschland sind es 1,2 Prozent. Manche Beobachter fürchten eine deflationäre Falle aus sinkenden Verbraucherpreisen und lahmem Wachstum, wie sie Japans Wirtschaft für Jahre behinderte.

Das belgische Ratsmitglied Luc Coene hatte kürzlich betont, dass "ein weiterer Fall der Inflation ein geldpolitisches Handeln rechtfertigen" könne. Die meisten Ökonomen hatten allerdings dennoch mit einer Zinspause gerechnet.

Positive Auswirkungen sind umstritten

Üblicherweise orientiert sich die EZB nicht an einzelnen monatlichen Inflationsdaten, sondern am mittelfristigen Ausblick. Und: Zum Teil ist der geringe Preisdruck eine Folge der politisch gewollten Sparmaßnahmen in einigen Krisenländern. Für Deutschland mit seiner relativ robusten Konjunktur gilt schon das bisherige Zinsniveau als zu niedrig. Und da Banken bereits extrem günstig an Geld kommen, es aber nicht an Unternehmen weiterreichen, ist umstritten, ob die erneute Zinssenkung in den Krisenländern positive Auswirkungen haben wird.

Der historische Zinsschritt kommt auch deshalb überraschend, weil die Wirtschaft im Euroraum die Rezession verlassen hat und 2014 - auch nach EZB-Prognosen - wieder wachsen wird. Allerdings sei die wirtschaftliche Erholung "schwach, fragil und ungleichmäßig", wie das deutsche EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen kürzlich betonte.

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