Einst lagen auf dem schwedischen Unternehmen Northvolt große Hoffnungen: Endlich ein Batteriehersteller, der wenigstens ansatzweise die Chance hätte, es mit der Konkurrenz aus China aufzunehmen. Speziell in Deutschland gab es große Erwartungen, wollte doch Northvolt eine riesige Batteriefabrik nahe Heide in Schleswig-Holstein bauen, einer strukturschwachen Region, die die damit verbundenen Arbeitsplätze gut hätte gebrauchen können.
Der Konjunktiv ist hier Absicht, denn inzwischen ist sehr fraglich, ob die Fabrik jemals gebaut wird, auch wenn auf der Baustelle weiter Betriebsamkeit herrscht und das Unternehmen betont, an den Fabrikplänen habe sich nichts geändert. Doch eins ist mittlerweile klar: Northvolt ist in großen finanziellen Schwierigkeiten. Problematisch ist das nicht nur für die Menschen in der Region, die große Erwartungen mit der Ansiedlung verbunden haben, sondern auch für die Staatskasse. Denn der Bau der Fabrik sollte mit Geld der Förderbank KfW unterstützt werden. Um rund 600 Millionen Euro geht es, für die der Bund und das Land Schleswig-Holstein jeweils zur Hälfte gebürgt haben.
Dieses Geld steht nun auf dem Spiel. Das liegt an der tiefen Krise, in der Northvolt seit geraumer Zeit steckt. Zuletzt kamen die schlechten Nachrichten in immer kürzeren Abständen: Die Produktion stockt, die Einnahmen entwickeln sich schleppend, die Schulden haben sich inzwischen auf fast sechs Milliarden Euro angehäuft und Mitte November trat Chef Peter Carlsson zurück. Jetzt hat das Unternehmen in den USA auch noch ein „Chapter-11-Verfahren“ beantragt. Dahinter verbirgt sich eine Regelung im US-Insolvenzrecht. Ziel ist es dabei, das betreffende Unternehmen zu sanieren, zu restrukturieren und dann geordnet weiterzuführen. Zuvor war der Versuch gescheitert, neues Geld von Investoren einzusammeln.
Schleswig-Holstein zahlt 300 Millionen Euro an den Bund
Zwar ist die deutsche Projektgesellschaft, die das Werk in Heide bauen lässt, gar nicht Teil des Verfahrens. Allerdings sind sämtliche Forderungen der Northvolt-Geldgeber erst einmal zurückgestellt. Das betrifft auch die 600 Millionen, die von der KfW geflossen sind.
Diese hat Northvolt in Form einer sogenannten Wandelanleihe erhalten. Die KfW zeichnete die Anleihe und das Geld ging an die deutsche Tochtergesellschaft. Die Verwendung der Summe ist aber strikt an den Bau der Fabrik gebunden, betonte das Bundeswirtschaftsministerium in einer Nachricht an den Vorsitzenden des Haushaltsausschusses im Bundestag, die der SZ vorliegt. Die Northvolt-Mutterfirma könne nicht frei über die 600 Millionen Euro verfügen.
Batteriefabrik in Schleswig-Holstein:Wenn Northvolt scheitert? „Dann kommt jemand anderes“
Der schwedische Batteriehersteller Northvolt kämpft in der Heimat mit Problemen. In Heide in Schleswig-Holstein übt man sich in Optimismus – der gestartete Fabrikbau hat große Hoffnungen geschürt.
Allerdings bewirkt das Chapter-11-Verfahren, dass Northvolt Wandelschuldscheine nicht zurückzahlen darf, sollten diese vom Kreditgeber fällig gestellt werden. Die KfW kann daher nicht damit rechnen, das Geld zeitnah zurückzubekommen. Das wäre erst nach einer erfolgreichen Sanierung denkbar. Daher erstattet der Bund der KfW den Wert der Anleihe plus 20 Millionen Euro Kreditnebenkosten, also insgesamt 620 Millionen Euro. Schleswig-Holstein wiederum zahlt dem Bund 300 Millionen Euro. In dem Schreiben des Wirtschaftsministeriums heißt es, die Mehrausgaben seien zeitlich und sachlich unabweisbar, weil sie sich aus Rechtsverpflichtungen ergäben.
Die Zahlungsaufforderung vom Bund liege bisher nicht vor, teilte die Kieler Staatskanzlei am Dienstag mit. Sollte die Aufforderung eintreffen, habe das Land 30 Tage Zeit, das Geld auszuzahlen. Die Landesregierung prüfe derzeit den Sachverhalt. Schleswig-Holsteins Staatskanzlei erklärte, dass das Land seinen Verpflichtungen gegenüber dem Bund nachkommen und die zugesicherten Leistungen entsprechend der Vereinbarung leisten werde. Allerdings werde die Auszahlung den Schuldenstand des Bundeslandes erhöhen und höhere Zinsausgaben nach sich ziehen. Am Donnerstag will die Finanzministerin im Finanzausschuss berichten.
Habeck sei „nicht ohne Hoffnung“
Größter Anteilseigner von Northvolt ist Volkswagen, der Autohersteller hält gut ein Fünftel an dem Batteriehersteller. Im Geschäftsbericht 2023 bezifferte VW den Wert der Beteiligung noch mit 693 Millionen Euro – 2022 waren es noch mehr als 900 Millionen Euro gewesen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters, die sich auf einen Insider bezieht, habe der Autobauer den Buchwert seiner Beteiligung allerdings bereits signifikant abgeschrieben. Ein Zeichen, dass das Unternehmen nicht mehr daran glaubt, dass Northvolt noch die Kurve kriegt. Laut einem Bericht der Financial Times will der zweitgrößte Northvolt-Investor Goldman Sachs seine Beteiligung bis Jahresende auf null abschreiben.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bemühte sich am Rande seines Besuchs in Nairobi, das Problem nicht allzu groß erscheinen zu lassen. Northvolt habe zwar technische Probleme in der Fertigung, bleibe aber ein interessantes Unternehmen. „Die Probleme sind lösbar“, sagte Habeck. Auch andere Unternehmen hätten schon erfolgreich ein Chapter-11-Verfahren durchlaufen. Im Übrigen sei er „nicht ohne Hoffnung“, dass nach einem erfolgreichen Restrukturierungsprozess auch die Kredite wieder zurückgezahlt würden. Das Werk im schleswig-holsteinischen Heide sei überdies gar nicht betroffen.
Einen Fehler jedenfalls kann Habeck nicht erkennen. So habe der Bund das Unternehmen vorher eingehend geprüft, keine Firma sei in der Batterietechnologie weiter. Aber auch an der Notwendigkeit habe sich nichts geändert. „Wir brauchen eine strategische Souveränität auch bei der Batterieproduktion“, sagte er. „Das ist europäische Linie und wäre auch meine.“