Schweden:Batteriefirma Northvolt meldet Insolvenz an

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Eine Forschungseinrichtung des insolventen Batterieherstellers Northvolt im schwedischen Västertås. (Archivbild) (Foto: Britta Pedersen/dpa)

Nach monatelangen Querelen steht Northvolt in Schweden nun vor dem Aus. Der Betrieb in Deutschland soll erst einmal fortgesetzt werden. Robert Habeck verbreitet Zuversicht.

Von Alex Rühle

Aus der Traum. Ein Desaster. Die schwedische Batteriefirma Northvolt meldet Insolvenz an. Der Aufsichtsrat hatte bis zum Mittwochmorgen gehofft, neue Kapitalgeber zu finden, was aber anscheinend nicht gelungen ist: Der Antrag wurde am Vormittag des 12. März 2025 eingereicht.

Die Zwölf war im Lauf des vergangenen Jahres zur Schicksalszahl geworden: Am Zwölften jeden Monats musste Northvolt seine Steuern an die schwedische Steuerbehörde abführen. Diesmal wären das 219,4 Millionen Schwedische Kronen (20 Millionen Euro) gewesen.

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„Northvolt ist sich der erheblichen Auswirkungen dieses Ergebnisses auf seine Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden und andere Interessengruppen bewusst“, schrieb das Unternehmen in einer Pressemitteilung. „Northvolt arbeitet eng mit den zuständigen Behörden, Gewerkschaften und Partnern zusammen, um sicherzustellen, dass die Mitarbeiter während dieses Übergangs die Unterstützung und Informationen erhalten, die sie benötigen.“

Das Scheitern von Northvolt macht es noch unwahrscheinlicher, dass Europa sich in naher Zukunft selbst mit Batterien versorgen kann.

Northvolt Germany ließ in einer Presseerklärung verlauten, es gehe in Heide erst mal weiter wie bisher: „Die Northvolt Drei Project GmbH ist als eigenständige GmbH nicht Teil des Insolvenzantrags und steht in Kontakt mit dem eingesetzten Verwalter für Northvolt AB in Schweden. Der Betrieb in Deutschland wird fortgesetzt.“

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck gibt sich zuversichtlich. „Ich bin noch immer guter Hoffnung, dass über das Insolvenzverfahren ein neuer Investor gefunden wird sowohl für Heide wie auch vielleicht für das schwedische Mutterunternehmen“, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch. Es werde jemand gesucht, der das Unternehmen wieder auf solide Beine stellen könne. „Die Möglichkeit besteht durchaus.“

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hofft auf eine Neuaufstellung des Batterieherstellers Northvolt. „Der Betrieb in Heide wird fortgesetzt. Das ist ein ganz wichtiges Signal – wir brauchen in Deutschland eine eigene Batteriezellproduktion“, sagte Günther. Der Standort Heide sei weiterhin zukunftsfähig. Diese Branche sei für Deutschland und Europa strategisch wichtig. „Es ist in unser aller Interesse, sie in unserem Land zu halten beziehungsweise neu anzusiedeln.“ Es ist nun Aufgabe des Insolvenzverwalters, Northvolt neu aufzustellen.

Zwar wurde diese Insolvenz länger schon befürchtet, jetzt, wo sie kommt, ist sie dennoch für Schweden genauso ein Schock wie für die europäische Autoindustrie, die doch so dringend hofft, sich unabhängiger machen zu können von chinesischen Lithium-Ionen-Batterien.

Ebba Busch, Ministerin für Wirtschaft, Energie und Industrie, sprach von „einer unglaublich harten Nachricht und einem harten Tag für alle Subunternehmer und für alle, deren Arbeitsplätze jetzt möglicherweise betroffen sind.“ Der schwedische Ingenieurverband schrieb, die Ankündigung werde „enorme soziale Auswirkungen haben und auch benachbarte Industrien und viele andere Unternehmen betreffen.“ Allein in der nordschwedischen Stadt Skellefteå, in der das Hauptwerk steht, sind rund 3000 Menschen betroffen. Lorents Burman, Vorsitzender des Gemeinderats, nannte die Insolvenz „eine Albtraum-Ankündigung“.

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Northvolt, das war das Versprechen von der Autonomie und von der grünen Wende in einem: Peter Carlsson, der charismatische Gründer, der zuvor für Elon Musk dessen „Gigafactory 1“ in Nevada mitgebaut hatte und 2016 in einem Tesla aus der kalifornischen Zukunft in sein Heimatland Schweden gerollt kam, versprach die umweltfreundlichsten Batterien der Welt, hergestellt mit sauberem schwedischem Strom aus Wasser- und Windkraftwerken, in einer geschlossenen Produktionskette. Carlsson kündigte an, im Stammwerk in Skellefteå bald schon 3500 Lithium-Ionen-Batterien pro Minute zu produzieren. Die Leute glaubten ihm, Goldman Sachs und Volkswagen stiegen groß ein und bis Ende 2023 konnten sie in mehreren Finanzierungsrunden 15 Milliarden US-Dollar einsammeln.

Man plante Werke in Schweden, eine Riesenfabrik im schleswig-holsteinischen Heide sollte Batteriezellen für bis zu einer Million Elektroautos pro Jahr bauen, in Portugal sollte eine Lithium-Aufbereitungsanlage entstehen, eine Forschungsfirma für Flugzeugbatterien in den USA, eine Recyclinganlage in Norwegen. Während aber fast im Monatstakt derlei Expansionsnews zu lesen waren und noch Ende 2023 gemutmaßt wurde, Northvolt werde den größten Börsengang Europas seit Jahren hinlegen, ging im Stammwerk im nordschwedischen Skellefteå längst das Gewisper los: Dass sie die Batterieproduktion einfach nicht zum Laufen brachten, dass das Management inkompetent sei und immer neue Traumschlösser entwarfen, statt sich auf das Kerngeschäft zu konzentrieren.

Seit dem Frühsommer vergangenen Jahres wirkte es dann so, als habe Hiob die Presseabteilung des Unternehmens übernommen, eine Schreckensbotschaft folgte auf die andere. Erst kam es zu Produktionsausfällen, dann mussten mehrere geplante Neubauten auf Eis gelegt werden, „fürs Erste“, wie es beschwichtigend hieß. Dazu kamen immer neue Berichte über Arbeitsunfälle und schweres Missmanagement. Dagens Nyheter schrieb, das Geld fließe „aus den Kassen wie Wasser aus der Flussmündung“.

Im Sommer dann der Schock: BMW zog einen Auftrag über zwei Milliarden Euro zurück. Grund: Northvolt liege zwei Jahre hinter Plan. Jetzt kam es auch zu ersten Liquiditätsengpässen, Lieferanten, Kreditgeber und Mitarbeiter konnten kaum noch oder nicht mehr bezahlt werden.

Im September wurden 1600 Mitarbeiter entlassen, einige waren erst wenige Tage zuvor eingestellt worden. Das Ganze verlief so chaotisch, dass man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, in dem ganzen Unternehmen wisse niemand mehr, wo oben und wo unten ist. Außerdem meldete eine Tochtergesellschaft in Skellefteå Insolvenz an.

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Nachdem Northvolt den ganzen Herbst über vergeblich versucht hatte, Kapital aufzutreiben, sah sich die Firma Ende des Jahres gezwungen, bei einem US-Gericht in Texas einen Antrag auf Chapter 11 zu stellen. Dieses Verfahren bot für einige Monate gerichtlichen Schutz vor Gläubigern und ermöglichte die Fortführung des Betriebs im Zuge der Umstrukturierung seiner Bilanz. Die schwedische Firma Scania, die auch Anteile an Northvolt hat, gab einen Kredit in Höhe von 1,1 Milliarden Kronen. Weitere 1,5 Milliarden wurden von einem „geheimen Geldgeber“ zugesichert, wie das Svenska Dagbladet berichtete. Carlsson trat als CEO zurück.

Danach schrieb das Unternehmen aber weiterhin hohe Verluste. Dagens Nyheter berichtete im Februar, dass die Schulden auf 58 Milliarden Kronen angewachsen waren, und damit die Vermögenswerte von 23,5 Milliarden Kronen um mehr als das Doppelte überstiegen. Und jetzt also die Insolvenz.

Eine aktuelle Studie des Fraunhofer-Instituts für System- und Innovationsforschung schreibt, dass das von der EU gesteckte Ziel einer 90-prozentigen Selbstversorgung in Sachen Batterien bis zum Jahr 2030 „alles andere als sicher“ sei. „Dabei“, so der Autor Steffen Link,  „wäre gerade vor dem Hintergrund der globalen Unsicherheiten und eskalierenden Handelskonflikte Eigenständigkeit ein wichtiger Punkt, um Lieferengpässe zu vermeiden und die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Europa zu sichern.“

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