Nord Stream 2:Die USA drohen, Deutschland lässt bauen

Nord Stream 2 Gas Pipeline Construction Continues

Zwei solcher 300 Meter langen Schiffe sind gerade dabei, die Leitungen der Nord Stream 2 in der Ostsee zu verlegen.

(Foto: Sean Gallup/Getty Images)
  • Die geplante Pipeline Nord Stream 2 zwischen Russland und Deutschland ist hoch umstritten. Der US-Botschafter droht deutschen Firmen, die an dem Projekt beteiligt sind, mit Konsequenzen.
  • Warum es die USA bislang allein bei Drohungen belassen, ist selbst Beteiligten an dem Projekt unklar.
  • Möglicherweise wollen die Amerikaner versuchen, das Projekt über einen Umweg zu stören. Dieser könnte über Kopenhagen führen.

Von Michael Bauchmüller und Daniel Brössler, Berlin

Rohr um Rohr sinkt in die Ostsee, Tag für Tag: Die Verlegeschiffe verrichten ganze Arbeit. Zwei von ihnen sind für die neue Pipeline im Einsatz, ein jedes 300 Meter lang. Jedes von ihnen verlegt jeden Tag drei Kilometer Leitungen, derzeit in den Gewässern Finnlands und Schwedens. Wenn sie irgendwann fertig sind, soll es eine zweite Gasröhre geben - von Russland nach Deutschland: Nord Stream 2. Wenn sie fertig werden.

Selten war eine Infrastruktur, die zwei Staaten miteinander verbinden sollte, so umstritten wie diese - nicht einmal die Schwesterpipeline Nord Stream 1. Selten hat es so viele Widerstände, so viel Streit, so viel Einschüchterungen gegeben - ohne dass irgend etwas passiert ist: Die Arbeiten für die Trasse liegen im Plan. Doch der Ton ändert sich.

Zunehmend unverhohlen droht mittlerweile der amerikanische Botschafter in Berlin, Richard Grenell, deutschen Firmen, die sich an der Pipeline beteiligen. Diese habe für die USA und ihre Verbündeten "ernste geostrategische Konsequenzen". Moskau könne seine Energielieferungen damit künftig noch stärker als politischen und wirtschaftlichen Hebel nutzen. Unternehmen, die am Bau der Pipeline beteiligt seien, gingen "signifikante Sanktionsrisiken ein", schrieb Grenell. "Ich fordere Sie deshalb im Auftrag meiner Regierung auf, dass Ihre Firma die Gefahren überdenkt, die dieses Projekt für die europäische Energiesicherheit bedeutet." Auch über ihren guten Ruf und die Risiken von Sanktionen sollten sich die Unternehmen Gedanken machen.

In Deutschland könnte das direkt die Energiekonzerne Uniper und Wintershall betreffen. Sie sind an der Finanzierung der Pipeline beteiligt, zusammen mit Shell, Frankreichs Engie und der österreichischen OMV. Bei den deutschen Firmen ging das Schreiben ein, im Auswärtigen Amt herrscht nun Ratlosigkeit. Soll man den undiplomatischen US-Botschafter in die Schranken weisen oder lieber ins Leere laufen lassen? "Wir haben vielfältige und ganz unterschiedliche Kontakte mit der amerikanischen Administration und sprechen da laufend über bestimmte Themen und so auch über Nordstream", sagte am Montag die Sprecherin von Außenminister Heiko Maas (SPD). Man solle doch, soll das wohl heißen, den Brief des Herrn Grenell nicht so ernst nehmen.

Der Streit hat sich mit der Annexion der Krim durch Russland zugespitzt

Jedenfalls sieht die Bundesregung in dem Schreiben kein verlässliches Zeichen dafür, dass nun tatsächlich mit US-Sanktionen zu rechnen ist. Es gebe "keine neue Lage", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Und auch ein ausführliches Gespräch von Außen-Staatssekretär Andreas Michaelis mit seinem US-Kollegen David Hale am vergangenen Freitag hat das Bild nicht geklärt.

Der Streit in und außerhalb der EU hatte sich mit der Annexion der Krim durch Russland zugespitzt. Denn die 55 Milliarden Kubikmeter, die künftig jedes Jahr durch Nord Stream 2 nach Deutschland gelangen sollen, würden nicht mehr durch ukrainische Leitungen fließen. Die Ukraine würde dadurch erheblich an strategischer Bedeutung verlieren, was ihre Position gegenüber Russland schwächen würde. Auch deutsche Außenpolitiker fürchten, dass sich Berlin damit zum Gehilfen Moskaus machen könnte. Innerhalb der EU gibt es nach wie vor große Widerstände gegen das Projekt, vor allem von Polen und den baltischen Ländern.

Rein rechtlich stünde US-Sanktionen nicht mehr viel im Wege

Polen etwa fühlt sich umgangen von der Pipeline - setzt aber selbst auch darauf, Umschlagplatz für verflüssigtes Erdgas zu werden, das so genannte LNG. Bei der Pipeline geht es um strategischen Einfluss - und auch um viel Geld.

Aber wird sich die Pipeline noch verhindern lassen? Rein rechtlich stünde amerikanischen Sanktionen nicht mehr viel im Wege. Ein entsprechendes Gesetz hat der Kongress schon vor anderthalb Jahren verabschiedet, es erlaubt Sanktionen gegen beteiligte Unternehmen. Zwar verlangen die zugehörigen Richtlinien, dass die Sanktionen nur Verträge betreffen, die nach Verabschiedung des Gesetzes geschlossen wurden - und auch das nur in Absprache mit den Verbündeten. Aber die Richtlinie ließe sich leicht ändern. Die Branche spüre, wie der Druck aus den USA wachse, sagt ein führender deutscher Gasmanager. "Am Ende wird es eine Risikoabwägung der Sponsoren sein."

Warum es die USA bislang bei Drohungen bewenden lassen, ist selbst Beteiligten an dem Projekt unklar. Möglicherweise liegt es daran, dass es noch andere Wege gibt, das Projekt zu stören. Einer davon führt über Kopenhagen, wo das Nordstream-Konsortium zwei Anträge für die Ostsee-Trasse eingereicht hat. Zwangsläufig muss die Leitung auch durch dänische Gewässer. Bisher hat die dänische Regierung keine Anstalten gemacht, die eigenen Hoheitsgewässer erneut für eine Nord-Stream-Leitung zu öffnen. Damit bliebe nur noch eine längere Variante durch die so genannte Ausschließliche Wirtschaftszone Dänemarks, weiter von der dänischen Insel Bornholm entfernt. Hier kann ein Staat nicht so leicht einen Pipeline-Antrag ablehnen. Bewilligt haben die Dänen ihn aber auch nicht. Und die Drähte zwischen Kopenhagen und Washington sind gut.

Paradoxerweise könnten Interventionen aus Washington die Pipeline-Kritiker schwächen

Auch in Deutschland hat die Leitung nicht nur Freunde, vor allem in der Unionsfraktion. Während Wirtschaftspolitiker der CDU/CSU sie verteidigen, finden sich unter den Außenpolitikern etliche Gegner. "Die Kritik an Nord Stream 2 ist berechtigt", sagt beispielsweise Roderich Kiesewetter, Unions-Obmann im Auswärtigen Ausschuss. "Die EU hat es sich selbst zum Ziel gesetzt, die Energieimporte zu diversifizieren." Nun müsse die EU zügig über eine entsprechende Änderung der Gas-Richtlinie beraten.

Allerdings stemmt sich die Bundesregierung in Brüssel seit Monaten gegen alle Versuche, die EU-Regeln so zu ändern, dass die EU-Kommission eine Handhabe gegen Nord Stream 2 bekommen würde. Zuletzt konnte Berlin sich dabei auf die Österreicher verlassen, die das Thema während ihrer Ratspräsidentschaft bremsten. Die rumänische Ratspräsidentschaft forciert die Arbeit an der Gas-Richtlinie nun zwar wieder, doch die Deutschen glauben, mit einer Sperrminorität Unbill für das Pipeline-Projekt verhindern zu können. Neben den Österreicher zählen die Deutschen Niederländer, Belgier, Zyprer, Griechen und wohl auch Franzosen zu ihren Verbündeten.

Interventionen aus Washington wie der Brief von Botschafter Grenell könnten paradoxerweise die Kritiker von Nord Stream 2 nun noch schwächen. "Das Vorgehen des US-Botschafters Grenell ist höchst irritierend", sagt selbst Unions-Außenpolitiker Kiesewetter. Die USA begingen "einen Fehler", sollte sich der Eindruck verfestigen, dass auch sie nur einseitige wirtschaftliche Interessen verfolgen - um selbst mehr Gas nach Europa zu exportieren.

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