Nordkorea:Zum Shopping nach Pjöngjang

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Gerade hat Nordkorea den 70. Jahrestag der Befreiung von der japanischen Herrschaft gefeiert. Wirtschaftlich erfolgreicher war in dieser Zeit allerdings eindeutig der Süden. (Foto: AP)
  • Offiziell herrscht in Nordkorea strenger Kommunismus und alle Menschen haben ein ausreichend hohes Einkommen.
  • Die Realität sieht allerdings anders aus: Eine kleine Schicht Neureicher hat Zugriff auf fast alles, die große Masse dagegen leidet Mangel.

Von Christoph Giesen, Pjöngjang

Glaubt man der nordkoreanischen Propaganda, dürfte es diesen Holzverschlag im Supermarkt an der Straße der Befreiung mitten in Pjöngjang nicht geben. Man reicht zehn Dollar über den Tresen und bekommt einen Packen abgegriffener Scheine zurück, von den meisten lächelt Staatsgründer Kim Il Sung. Für zehn Dollar bekommt man derzeit genau 79 800 nordkoreanische Won. 80 mal mehr als zum offiziellen Kurs, der liegt bei etwa 100 Won pro Dollar.

Der Monatslohn reicht für ein Hemd

Das Problem: Die Löhne in Nordkorea orientieren sich am offiziellen Wechselkurs. Ein Beamter verdient im Monat 6000 Won, ein Arbeiter in einer Mine erhält mit Zulagen vielleicht 50 000 Won - auf dem Papier sind das 5000 Dollar. In Wahrheit aber ist es ein Witz oder ziemlich genau ein weißes Hemd aus chinesischer Produktion. 51 000 Won zahlt man nämlich derzeit für eins der Marke Manhattan im Befreiungs-Supermarkt. Macht 6,35 Dollar. Oder offiziell: 510 Dollar. Doch wer kann sich das leisten?

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Von außen betrachtet, wirkt Nordkorea monolithisch, die Macht so scheint es, hat der junge Diktator Kim Jong Un, der die Welt mit seinen Atomwaffen nervt. Die Wahrheit ist jedoch eine andere: In den vergangenen Jahren hat sich in Nordkorea ein Graswurzelkapitalismus und mit ihm eine Schicht an Neureichen herausgebildet. Hohe Militärs mischen mit, genauso wie die Genossen vom Geheimdienst. Sie alle sind zu Geld gekommen, indem sie Einnahmen aus Staatsfabriken abzweigen oder Schmiergelder kassieren. Davon leisten sie sich teure Autos und essen in edlen Restaurants. Im Winter fahren sie Ski und im Sommer machen sie Strandurlaub an der Westküste des Landes. Und natürlich gehen sie gerne einkaufen.

Es gibt alles - aber nicht für jeden

Im Supermarkt an der Befreiungsstraße gibt es im Erdgeschoss eine Lebensmittelabteilung, und dort bekommt man all das, was auch in jedem anderen Land der Welt in den Regalen steht: Schnaps, Chips, Parfüm, Hühnchen aus der Tiefkühltruhe, Zigaretten aus Europa. Selbst Coca-Cola. Im zweiten Stock ist die Modeabteilung untergebracht. Außer den weißen Hemden aus China kann man dort auch grüne Kim-Jong-Il-Anzüge aus Vinalon kaufen, genauso wie Trainingsjacken von Adidas. Und alles muss zum Schwarzmarktpreis bezahlt werden.

In anderen Supermärkten Pjöngjangs ist das Angebot ähnlich üppig, der einzige Unterschied: Die Waren sind zum offiziellen Kurs ausgezeichnet, nur ist hier die Landeswährung wertlos. Man muss entweder in chinesischen Yuan, Euro oder in Dollar bezahlen. Die Kassiererin tippt dann auf dem Taschenrechner den Wechselkurs ein. Zurück bekommt man oft eine Mischung aus drei verschiedenen Währungen, je nachdem, was gerade da ist. Ist das Wechselgeld knapp, kommt es schon einmal vor, dass man einen Kaugummi oder einen nordkoreanischen Schokoriegel zurückbekommt. Das ist immer noch mehr wert als die Wons aus Nordkorea.

© SZ vom 25.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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