Süddeutsche Zeitung

Nordkorea:Stalinistisches Steuerparadies

Nordkorea hat alle Steuern abgeschafft, verkündet stolz die staatliche Nachrichtenagentur. Dabei geschah das vor 30 Jahren - Einblick in die Öffentlichkeitsarbeit eines Regimes mit Realitätsverlust.

Es ist eine Tatsache, die von Investoren bislang wohl weitgehend unentdeckt blieb, doch die nordkoreanische Nachrichtenagentur KCNA will es einmal deutlich machen: Die Agentur berichtet jetzt, das Land sei der einzige steuerfreie Staat der Erde - und das bereits seit 1974. Denn in einem formellen Beschluss wurden bereits vor 34 Jahren jegliche Steuern abgeschafft.

"Auf diese Weise wurde die Demokratische Republik Nordkorea zum ersten steuerfreien Land der Welt", teilte die Staatsagentur KNCA mit. Das Wort "Steuern" sei aus den Köpfen des nordkoreanischen Volkes verschwunden, und die jüngere Generation könne mit dem Wort schon gar nichts mehr anfangen, hieß es weiter. Unklar blieb, warum dieser Kommentar ausgerechnet jetzt veröffentlicht wurde.

Bis heute hat das liberale Steuersystem jedoch nicht zum Aufschwung der Wirtschaft beigetragen: Nordkorea gilt als eines der ärmsten Länder der Welt. Die nordkoreanische Wirtschaft war 2006 nach Schätzungen der südkoreanischen Zentralbank außerdem erstmals nach sieben Jahren Wachstum wieder geschrumpft.

Auch scheint das denkbar einfache Steuersystem trotz der offensichtlichen Anziehungskraft für Unternehmen nicht für die Übertragung in rechtsstaatlich geprägte Länder geeignet: Denn die fehlenden Steuerzahlungen wurden seit der Einführung der absoluten Steuerfreiheit vor allem durch Einkünfte durch Geldwäsche, Drogenhandel und Waffenexporte ersetzt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.211889
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
sueddeutsche.de/AP/jkf/tob
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.