Nitrat-Belastung:Gefahrenzone Acker

Auf einem Feld in Osterwieck im Landkreis Harz im Ortsteil Bühne im BundeslandSachsen Anhalt lädt

Ein Landwirt bringt auf seinem Acker in Sachsen-Anhalt Jauche aus: In manchen Regionen belastet der Dünger das Grundwasser.

(Foto: imago/Martin Wagner)

In manchen Regionen Deutschlands ist die Nitrat-Belastung viel zu hoch, weil zu stark gedüngt wird. Die Vorschläge der Ministerinnen Schulze und Klöckner reichen der EU-Kommission anscheinend nicht.

Von M. Bauchmüller und K. M. Beisel, Brüssel/Be

Am Morgen vor dem Termin hatte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) noch Optimismus verbreitet. Aber nach dem Treffen mit EU-Umweltkommissar Karmenu Vella war ihr Fazit eher nüchtern: Das Gespräch sei "sehr konstruktiv" gewesen, aber auch "sehr hart", sagte Schulze am Mittwochnachmittag in Brüssel. "Wir müssen noch eine Menge nachliefern, und wir müssen schneller werden."

Gemeinsam mit Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) war Schulze nach Brüssel gereist, um dem zuständigen EU-Kommissar Vella zu erklären, wie sie die Grundwasserqualität in Deutschland verbessern wollen. Wie ernst der Bundesregierung das Thema ist, zeigte sich schon daran, dass die Ministerinnen im Doppelpack vorsprachen. Am Ende dauerte das Gespräch eine halbe Stunde länger als geplant, man habe über sehr viele Details gesprochen. So wisse der "Kommissar ganz genau, welches Bundesland sich bei dem Thema wie verhält", sagte Klöckner. Die Länder hätten bei dem Thema unterschiedliche Betroffenheiten, das ändere aber nichts an der Tatsache, dass die Wasserqualität schnell besser werden müsse. Für sie sei klar, dass jetzt "viele Dinge parallel laufen müssen". Und Schulze fügte hinzu: "Wir tun alles dafür, ein Vertragsverletzungsverfahren zu vermeiden."

Für die Bundesregierung steht viel auf dem Spiel. Seit 28 Jahren gilt die EU-Richtlinie zum Schutz des Wassers vor zu viel Gülle. Richtig umgesetzt wurde sie aus Sicht Brüssels in Deutschland nie. 2016 reichte die EU-Kommission eine Klage ein, der Europäische Gerichtshof gab ihr recht. Seither steht die Gefahr eines Zwangsgelds im Raum. Ein entsprechendes Verfahren hat die EU-Kommission eingeleitet. Kann Deutschland die EU nicht von seinen Vorschlägen überzeugen, droht ein zweites Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof - und am Ende eine Strafzahlung von mindestens zehn Millionen Euro plus ein tägliches Zwangsgeld. Und das kann bei bis zu 857 000 Euro liegen.

Einzelflächen können weiter stark gedüngt werden

Erst Mitte Juni hatten Schulze und Klöckner Nachbesserungen nach Brüssel gemeldet, dort aber erneut eine Abfuhr erhalten. Umweltkommissar Vella äußerte öffentlich seine Enttäuschung über Deutschland. In manchen Regionen belaste so viel Nitrat das Grundwasser, dass die Qualität dort "zu den schlechtesten in der Europäischen Union" zähle.

Die neuen Vorschläge aus Berlin sollen nun die Kritik aus Brüssel aufgreifen. So sind etwa strengere Pflichten für Bauern vorgesehen, die tatsächlich ausgebrachte Menge besser zu dokumentieren. In "Roten Gebieten", also den bereits besonders mit Nitrat belasteten Regionen, soll die Düngung um 20 Prozent gesenkt werden - das allerdings im Betriebsdurchschnitt. Einzelne Flächen können damit weiterhin stärker gedüngt werden, andere weniger. Allerdings gilt für jeden einzelnen Schlag eine Obergrenze von 170 Kilogramm Stickstoff je Hektar und Jahr. Auch dort, wo ein Acker mit Gefälle an einen Fluss, Bach oder See grenzt, sollen künftig strengere Regeln gelten. Das soll verhindern, dass zu viel Nitrat in die Gewässer abgeschwemmt wird.

Die Betreiber von Wasserwerken sind dennoch unzufrieden. "Was die Bundesregierung im Gepäck hat, reicht nicht aus, um die Nitrateinträge in Deutschland nachhaltig zu reduzieren", sagt Martin Weyandt, Hauptgeschäftsführer beim Branchenverband BDEW. So helfe es nichts, wenn in den "Roten Gebieten" nur Betriebsdurchschnitte zählen. "Das ist besonders mit Blick auf düngeintensive Sonderkulturen oder den Maisanbau absolut kontraproduktiv", sagte Weyandt. Bei düngeintensive Anbaukulturen wie Weizen, Zuckerrüben und Kartoffeln müsse eine flächenbezogene Reduzierung um 20 Prozent, bei Mais um 30 Prozent gelten - ohne Verrechnung mit anderen Flächen. "Es ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit, dass der Grenzwert für Nitrat entsprechend der EU-Richtlinie nach über 25 Jahren eingehalten wird", fordert der Verband. Die Wasserwerke fühlen sich benachteiligt, weil sie vielerorts das Wasser aufwendig reinigen oder verdünnen müssen.

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