Nigeria:Benzin aus im Ölstaat

Man works on the engine of his car, as motorists gather at a petrol station of state-owned energy company Nigerian National Petroleum Corporation in Abuja, Nigeria

So sieht es in zahlreichen nigerianischen Städten aus: Es bilden sich lange Staus, weil Benzin und Diesel knapp sind. Erst langsam endet die Krise.

(Foto: Afolabi Sotunde/Reuters)
  • Flugzeuge hoben nicht mehr ab, an den Tankstellen bildeten sich kilometerlange Staus - in Nigeria wäre das öffentliche Leben beinahe zum Stillstand gekommen, da kein Treibstoff mehr vorhanden war.
  • Dabei gehört Nigeria zu den erdölreichsten Nationen weltweit.
  • Die Situation zeigt das Dilemma, in dem das afrikanische Land steckt: Ressourcenreichtum löst keine Probleme, er schafft welche, wenn es nicht funktionierende Institutionen und eine effektive Gewaltenkontrolle gibt.

Analyse von Jan Willmroth

Bald wäre Schluss gewesen. Noch wenige Tage weiter so, dann wäre das öffentliche Leben in Afrikas größter Volkswirtschaft völlig zum Stillstand gekommen. Im ganzen Land mangelt es noch immer an Treibstoff, der Schwarzmarkt floriert. Autofahrer stehen an Tankstellen in kilometerlangen Staus, Flugzeuge heben nicht mehr ab. Radiostationen senden nur noch in wenigen Stunden oder gar nicht mehr, Banken haben ihre Öffnungszeiten gekürzt und Mobilfunkfirmen ihre Kunden gewarnt, das Netz könnte zusammenbrechen. Denn ohne Benzin und Diesel bleiben in Nigeria nicht nur Autos stehen. Wegen der unsicheren Stromversorgung halten Generatoren die Wirtschaft am laufen. Vielerorts blieb und bleibt es nachts in diesen Tagen dunkel.

Treibstoff darf maximal 87 Naira kosten - die Differenz zum Importpreis bezahlt der Staat

Das alles ist zunächst kaum nachzuvollziehen. Der Opec-Staat Nigeria gehört zu den Ländern mit den größten Erdölreserven der Erde. Jeden Tag fördern Konzerne wie Shell, Exxon oder Total laut Statistik-Jahrbuch des Ölkonzerns BP mehr als 2,3 Millionen Fass Öl. Der zwölftgrößte Ölproduzent der Welt und mit Abstand größte Afrikas, geschätzt für die Qualität seines schwefelarmen Öls, das sich leicht verarbeiten lässt, muss aber Benzin, Diesel und Kerosin importieren. Dem Land fehlen Raffinerien, es gibt nur vier, die reichen bei weitem nicht und sind in marodem Zustand.

An genau diesem Zusammenhang lässt sich derzeit Nigerias große wirtschaftliche Misere studieren, sie hat mit Korruption zu tun, mit verheerenden Umweltschäden und mit dem niemals eingelösten Versprechen, das Öl werde Nigeria zu einem reichen Land machen.

Über Monate lag die Vereinigung der Ölhändler, so etwas wie ein Wirtschaftsverband der Tankstellenbetreiber, mit der Regierung im Streit. Nigeria subventioniert die Tankstellenpreise extrem. Pro Liter dürfen die Händler maximal 87 Naira verlangen, umgerechnet etwa 40 Euro-Cent. Die Differenz zum Importpreis erstattete die Regierung den Importeuren über Jahre hinweg mit Geld aus dem Ölexport. Diese Subventionen gelten als größte Quelle der Korruption, die das Land lähmt. Wer einflussreich ist, bekommt von den Geldern leicht etwas ab. Die Vereinigung der Importeure forderte bis zuletzt eine Milliarde Dollar von der Regierung und behauptete, diese Summe sei seit Oktober nicht ausgezahlt worden. Woher die Zahl stammt, ob sie stimmt, das lässt sich nicht überprüfen. Sie belieferten die Tankstellen nicht mehr, provozierten einen Streik der Raffineriearbeiter - und legten so nach und nach das ganze Land lahm.

Das Erdöl war einst die große Verheißung, doch es brachte Verderben und zerstörte das Land

Anfang der Woche haben sich Importeure, Regierung und der staatliche Ölkonzern geeinigt, langsam funktioniert die Treibstoffversorgung wieder. An den Problemen ändert das nichts. Schon vor Jahren hatte der bisherige Präsident Goodluck Jonathan versucht, die Subventionen zu streichen. Das Geld solle lieber in Infrastruktur und Bildung investiert werden, argumentierte er. 2012 schaffte die Regierung die Subventionen ab - und provozierte Massenproteste. Der billige Sprit gilt vielen als eine der wenigen verlässlichen Sozialleistungen des Staates. Wenige Wochen später führte Jonathan die Zahlungen wieder ein. Anfang des Jahres, als Öl 50 Dollar pro Barrel kostete, senkte er den Höchstpreis noch einmal. Dabei sagen die Importeure nicht nur, sie litten unter den niedrigen Tankstellenpreisen. Um ihre Importe zu finanzieren, müssen sie sich US-Dollar bei der nigerianischen Zentralbank besorgen. Das ist in den vergangenen Monaten wegen der schlechten Wechselkursentwicklung und der wieder leicht gestiegenen Ölpreise deutlich teurer geworden.

Das Erdöl, einst die große Verheißung, brachte Nigeria Verderben und zerstörte das Land. Die leidvolle Geschichte begann, als 1956 zum ersten mal Öl aus den Sümpfen des Niger-Deltas gepumpt wurde. Der Weltmarkt konnte in den folgenden Jahrzehnten nicht genug von der "Bonny Light" getauften Ölsorte bekommen. Die Ölkonzerne verwandelten das Niger-Delta in eine vom Öl getränkte und von Gasflammen erleuchtete Industriebrache. Die Wirtschaft wuchs in den vergangenen Jahren zwar stets zwischen vier und sieben Prozent, doch mehr als 60 Prozent der Bevölkerung leben noch immer in extremer Armut. Mehr als 90 Prozent der Exporteinnahmen stammen aus der Ölindustrie. Der Staatshaushalt ist völlig abhängig von deren Einnahmen. Nigeria gilt damit als Paradebeispiel für den "Fluch der Ressourcen": Ressourcenreichtum löst demnach keine Probleme, er schafft welche, wenn es nicht funktionierende Institutionen und eine effektive Gewaltenkontrolle gibt.

Ob sich der Fluch jemals aufhebt, wird auch davon abhängen, ob der neue Präsident Muhammadu Buhari, der am heutigen Freitag vereidigt wird, sein Versprechen einlöst und gegen die Korruption vorgeht. Auch dafür ist er gewählt worden. Die nötige Erfahrung hat er: In den späten 1970er Jahren war er Ölminister.

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